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Leichtathletik-EM: "Knallhartes Geschäft" - Marathon-Europameister Richard Ringer spricht über Gold-Coup

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Leichtathletik-EM: "Knallhartes Geschäft" - Marathon-Europameister Richard Ringer spricht über Gold-Coup

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Deutscher Gold-Held gibt Einblicke

Marathon-Europameister Richard Ringer hat bei den European Championships für einen der sportlichen Glanzpunkte gesorgt. Im Interview spricht er über seinen Gold-Lauf, die Bedeutung des Triumphs und blickt in die Zukunft.
Die deutschen Leichtathletinnen und Leichtathleten hoffen nach der erfolgreichen Heim-EM in München auf einen langfristigen Schub für ihre Sportart.
Marathon-Europameister Richard Ringer hat bei den European Championships für einen der sportlichen Glanzpunkte gesorgt. Im Interview spricht er über seinen Gold-Lauf, die Bedeutung des Triumphs und blickt in die Zukunft.

Was war das für ein Lauf von Richard Ringer!

Mit dem EM-Titel über den 42,195 Kilometer langen Marathon sorgte der Deutsche für einen der Glanzpunkte bei den European Championships in München.

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Jetzt ist die große EM-Party vorbei - doch Ringers Gold-Coup in der Leichtathletik bleibt im Gedächtnis.

Bei SPORT1 spricht der Marathon-Europameister exklusiv über den Schlussspurt, die Schmerzen während des Laufs, seine Vorbereitung und Zukunft, aber auch über eine mögliche deutsche Bewerbung um die Olympischen Spiele.

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SPORT1: Glückwunsch, Herr Ringer! Haben Sie Ihren EM-Triumph mittlerweile verarbeitet?

Richard Ringer: Ein paar Tage brauchte ich schon. Als ich das erste Mal den Zieleinlauf gesehen habe, sind dann auch bei mir die ersten Emotionen aufgekommen. Bei den Bildern ist mir bewusst geworden, wieso mein Trainer so emotional war. Das ist schon unbeschreiblich. Im Endeffekt ist es aber wie jeder andere Erfolg, egal ob Europameister oder ein anderer Sieg. Ich bin einer, der direkt weiterschaut. Trotzdem beflügelt mich dieser Titel natürlich und wird mich mein ganzes Leben lang begleiten. Ich gehe jetzt hier - zumindest in München - durch die Straßen und werde von Leuten angesprochen, die mir sagen, wie geil das war.

Ringer: „Vor der EM hat sich nicht eine Zeitung gemeldet“

SPORT1: Vorher wurden Sie nicht auf der Straße erkannt?

Ringer: Ganz ehrlich, vor der EM hat sich nicht eine Zeitung gemeldet, um zu wissen, was meine Ziele sind. Es ist einfach ein knallhartes Geschäft. Zusätzlich habe ich auch nicht wirklich auf mich aufmerksam gemacht. Dieses Jahr zum Beispiel hatte ich nur zwei Wettkämpfe. Ich wollte mich zu 100 Prozent auf die Europameisterschaft fokussieren.

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SPORT1: War es Ihr klares Ziel, Europameister zu werden? Wie haben Sie Ihre Chancen eingeschätzt?

Ringer: Es waren 80 Teilnehmer. Wenn man sich die Startliste anschaut, bin ich unter den Top Zehn gewesen und beim Marathon kann immer alles passieren. Am Ende können Nuancen den Unterschied machen. Aber was meine Zeiten angeht, habe ich nicht klar zu den Medaillen-Favoriten gezählt. Grundsätzlich ist es aber natürlich mein Ziel gewesen. Bei einer Vorbereitung mit vielen Ups und Downs verliert man bloß manchmal sein Ziel aus den Augen.

SPORT1: Wie verlief denn die letzte Phase der Vorbereitung?

Ringer: Fünf Wochen vor der EM kam leider noch einmal ein Rückschlag: Ich habe enorme Schmerzen im linken Mittelfuß bekommen. Danach musste ich eine siebentägige Laufpause einlegen. Das war heftig. Aber zu der Zeit habe ich trainiert, wie nie zuvor. Ich habe trainiert wie ein Triathlet - auf dem Fahrrad, dem Crosstrainer, außerdem war ich schwimmen. Mein Trainer ist auch für Triathleten da. Vom Kopf her hat mir dieses Training den nötigen Push gegeben. Von da an wusste ich, dass ich mental total stark bin. Und das hat sich jetzt auf den letzten Kilometern gezeigt.

Europameister Ringer läuft 160 Kilometer in der Woche

SPORT1: Wie sieht eine normale Trainingseinheit für Sie aus?

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Ringer: Ich starte morgens direkt nach dem Frühstück mit 30 Minuten Gymnastik, um meine Muskeln zu lockern. Ansonsten trainiere ich zweimal täglich: morgens die längere und nachmittags die kürzere Einheit. Insgesamt laufe ich in der Woche im Schnitt ca. 160 Kilometer. Das ist für einen Marathonläufer aber gar nicht so viel. Allerdings mache ich auch noch Alternativtraining – zweimal die Woche zum Beispiel Krafttraining mit einem Fitnesstrainer unseres Klubs.

SPORT1: Wie ist der Sport mit Ihrer Arbeit vereinbar?

Ringer: Ich arbeite in einem großen Unternehmen als Controller. Ich habe dort 2009 als Werkstudent angefangen. Ich arbeite in Teilzeit und über die Jahre haben wir einen Weg gefunden, wie ich Arbeit und Sport unter einen Hut bekomme. Wenn ich im Trainingslager bin, greift zum Beispiel meine Förderung ein.

Ringer erklärt „Mützen-Trick“

SPORT1: Sie haben die Hitze als Ihre Schwäche genannt. In München hatten Sie eine besondere Mütze auf - was hat es damit auf sich?

Ringer: Das mit der Mütze haben wir das erste Mal in Sapporo ausprobiert. Unser Bundestrainer Tono Kirschbaum hatte eine Näherin organisiert, die uns hinten an unsere Caps ein Säckchen genäht hat, das wir mit Eis befüllen konnten, damit unser Nacken während des Laufs kühl bleibt. Das fand ich super angenehm und hier in Deutschland hat mir jetzt meine Mutter die Kappen genäht. Das Säckchen wird an jeder Getränke- oder Eisstation neu aufgefüllt. Die Kappe war am Ende auch entscheidend, der Kopf ist immer kühl geblieben.

SPORT1: Auch die Muskulatur kann zum Problem werden. Bei Ihrem Marathon-Debüt in Valencia 2020 haben ihre Oberschenkel Ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wie lief es diesmal?

Ringer: Ab Kilometer 30 haben meine Oberschenkel und meine Hüfte angefangen zuzumachen. Das war auch der Grund, warum ich nicht jede Attacke mitgehen konnte. Der Oberschenkel wird einfach immer härter und tut einfach richtig, richtig weh. Ich haue da dann immer drauf und lasse Wasser drüber laufen. Auch auf die Hüfte habe ich geschlagen. Man hofft einfach, dass man den Schmerz irgendwie unterdrücken kann. Das sind die Momente, wo das Mentale enorm wichtig wird.

Ringer: Münchner Publikum hat seinen Anteil am Sieg

SPORT1: Welche Rolle spielten Ihre Teamkollegen bei der Goldmedaille?

Ringer: Wir sind ein tolles Team. Unser Ziel war es, eine Mannschaftsmedaille zu holen, weil wir wussten, dass wir da auf jeden Fall gute Chancen haben. Aus dem Grund haben wir uns während des Laufs mehr gepusht. Wir reden zwar nicht wirklich, aber Amanal Petros fragte zum Beispiel bei Kilometer 25, ob alles okay ist. Er hat gesehen, dass eine kleine Lücke entstanden ist und hat mich dann noch einmal herangeführt. Obwohl ich ihm gesagt habe: „Amanal, konzentriere dich auf dich und hol das Ding.“ Aber gepusht hat er mich. Mich hat es beflügelt, zu wissen, dass ich auch für das Team laufe.

SPORT1: Und wie entscheidend war das Publikum für den Erfolg?

Ringer: Dass ich gewinne, lag auch am Publikum. Du saugst das so richtig auf und weißt, dass das alles für dich ist. Vor allem bei so einer Heim-EM. Deswegen haben Petros und ich uns auch für die EM und nicht für die WM entschieden.

SPORT1: Angesichts der tollen Stimmung in München - sollte sich Deutschland um die Olympischen Spiele bemühen?

Ringer: Die European Championships sind ein Super-Event, aber mit nicht ganz so vielen Sportarten. Man muss bedenken, dass es daher auch nicht so viele Sportler wie bei den Olympischen Spielen sind, aber es sind immerhin über 4000. Ich glaube auch, dass es unserer Infrastruktur guttun würde. Wenn man sich überlegt, wo die Spiele sonst ausgetragen werden, wo die Spielstätten anschließend gar nicht mehr gebraucht werden - das ist in Deutschland definitiv nicht der Fall. Außerdem ist die Euphorie jetzt durch die European Championships natürlich riesig. Wenn man sieht, was in Rio und in Athen passiert ist - das ist schlimm. Das ist eine totale Verschwendung.

Ringer hat Olympia 2024 fest im Blick

SPORT1: Kommen wir zurück zu Ihnen persönlich: Wann steht ihr nächster Marathon an und was sind ihre nächsten großen Ziele?

Ringer: Man muss schauen, wie lange der Körper braucht, sich zu erholen, und was für Wettkämpfe anstehen. 2021 habe ich nach einer Woche schon wieder trainiert, aber da stand auch Sapporo direkt vor der Tür. Jetzt kommt erst mal nichts. Ich muss jetzt auf meinen Körper hören und schauen, ob dieses Jahr ein weiterer Marathon Sinn ergibt oder ob ich lieber etwas Kleineres machen soll. Das nächste große Ziel ist auf jeden Fall Paris 2024 und da würde ich sehr gerne unter die Top-Acht kommen.

SPORT1: Und wenn wir ihr abschließend in einem kleineren Rahmen denken: Ab wann ist wieder ein kleinerer Regenerationslauf möglich?

Ringer: Also in den nächsten zwei Wochen erst mal nicht (lacht). Es geht bei mir gerade von 100 auf 0. Das braucht der Körper. Ich werde mich aber mal locker aufs Rad setzen. Das wird guttun. Aber die Treppe, wie ich sie jetzt gerade runtergehe, die geht gar nicht. Das fühlt sich schlimmer an als der Zielsprint, muss ich ehrlich sagen.