Sein erster großer Triumph war die vielleicht irrwitzigste Leistung, die je ein Athlet bei Olympia vollbracht hat. Heute vor 60 Jahren schrieb er dann nochmal Geschichte, indem er als Allererster seinen Gold-Triumph im Marathon wiederholte.
Tragisches Ende eines Wunderläufers
Abebe Bikila verewigte sich mit seinen beiden Triumphen - der erste davon barfuß! - als eines der größten Sportphänomene der Geschichte und als Volksheld in der afrikanischen Heimat. Aus heutiger Sicht ist aber auch in tragischer Erinnerung für das bittere Schicksal und den frühen Tod, der ihn nach seinen großen Erfolgen ereilt hat.
Olympia-Gold im Marathon ohne Schuhe
Die Geschichte von Abebe Bikila begann mit einem Zufall: Geboren am 7. August 1932 in Äthiopien war Bikila ursprünglich kein Leistungssportler, sondern Soldat in der Leibgarde des langjährigen Regenten Haile Selassie. Das Talent des laufbegeisterten Bikila entdeckte ein schwedischer Trainer, den das Regime eigentlich engagiert hatte, um die Kaiserliche Garde körperlich zu ertüchtigen.
Bikila lief erst wenige Monate vor Olympia in Rom seinen ersten Marathon überhaupt. Wenig später hatte er mal eben schon den olympischen Rekord des großen Emil Zatopek unterboten.
Das olympische Rennen auf der historischen Via Appia Antica enterte Bikila für die meisten Zuschauer vor Ort trotzdem als unbeschriebenes Blatt. Was sich ändern sollte.
Mit scheinbar müheloser Leichtigkeit beschleunigte er 500 Meter vor dem Ziel, ließ seinen Konkurrenten hinter sich und lief unter dem Jubel der Zuschauer ins Ziel. Mit einer Zeit von 2:15:16 Stunden stellte Bikila einen neuen Weltrekord auf - zur besonderen Verblüffung aller auch barfuß. Die Schuhe aus Äthiopien sollen zu sehr durchgelaufen gewesen sein, die neuen aus Italien hätten ihm Blasen bereitet, begründete er seinen Entschluss.
Ein Zeichen für Afrika
Bikilas Wunderlauf hatte auch eine politische Dimension: Nicht nur war er der erste äthiopische Olympiasieger überhaupt, er vollendete sein Meisterstück auch ausgerechnet n der Hauptstadt der ehemaligen Kolonialmacht Italien.
Die Kindheit Bikilas war geprägt vom grausamen Abessinienkrieg, dem Angriff des faschistischen Italien unter Diktator Benito Mussolini, der für sein Volk „spazio vitale“ (Lebensraum) zu erobern versuchte - und der auch ein Vorbote des Zweiten Weltkriegs war. Bikilas Familie war während des Feldzugs aus ihrer Heimatregion vertrieben worden,
Rund 25 Jahre später führte der Marathon an einem von den Italienern aus Äthiopien geraubten Obelisken vorbei - und es schien, als ob sich Bikila genau an diesem Punkt entschlossen den Sieg sicherte. Bikila wurde in der Heimat als Held empfangen und von Kaiser Selassie geehrt. Bikalas Sieg war ein Urknall für die afrikanische Läuferszene, die den Langstreckensport bis heute dominiert.
Der zweite Triumph: Mit Schuhen in Tokio
Vier Jahre später, bei den Olympischen Spielen in Tokio, war Bikila wieder mit von der Partie - diesmal mit Schuhen, aber wegen einer Blinddarm-OP sechs Wochen vor den Spielen erneut mit einem scheinbaren Handicap.
Zu spüren war letztlich nichts davon: Mit einer Zeit von 2:12:11 Stunden siegte Abebe erneut und stellte abermals einen Weltrekord auf. Für den Äthiopier schien das ein Kinderspiel gewesen zu sein: Nach dem Zieleinlauf demonstrierte er entspannt Dehnübungen und erklärte, dass er auch noch zwei Minuten schneller hätte laufen können.
Bis heute ist Bikila neben dem Deutschen Waldemar Cierpinski (“Liebe Väter: Haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Kinder Waldemar!“) und dem Kenianer Eliud Kipchoge einer von nur drei Läufern, der beim olympischen Marathon zweimal erfolgreich war.
Ein tragisches Ende
Eine Verletzung verhinderte, dass Bikila 1968 in Mexico City ein drittes Mal triumphierte - im Jahr darauf wurde sein Leben von einem schweren Unfall auf den Kopf gestellt.
In der Nacht des 22. März 1969 kam Bikila mit seinem VW Käfer unter nicht restlos geklärten Umständen von der Straße ab, überschlug sich und blieb stundenlang eingeklemmt. Als er am nächsten Morgen gefunden und ins Krankenhaus geschafft wurde, wurde festgestellt, dass er querschnittsgelähmt war.
Bikala absolvierte eine sechsmonatige Reha in England, wo ihn Queen Elizabeth besuchte und er Genesungswünsche aus aller Welt erhielt. Tatsächlich stellten sich Fortschritte ein, der vierfache Familienvater konnte letztlich seine Arme wieder bewegen. Bikala betätigte sich auch wieder sportlich bei unterschiedlichen Para-Wettkämpfen - unter anderem gewann er in Norwegen ein Schlittenhunderennen.
Bei den Olympischen Spielen 1972 in München war Bikala Ehrengast und wurde mit stehenden Ovationen gefeiert. Knapp ein Jahr später, am 25. Oktober 1973, starb Bikala an einer Hirnblutung - als tragische Spätfolge seines Unfalls.
Zu seiner Beisetzung in Addis Abeba kamen über 65.000 Menschen und Kaiser Haile Selassie rief einen offiziellen Trauertag aus. Der Mann, der barfuß zur Legende wurde, ist bis heute ein nationaler Mythos.