Am Sonntag soll in Düsseldorf eine neue Ära im Weitsprung beginnen - zumindest wenn es nach dem Weltverband World Athletic (WA) geht.
Widerstand gegen Sprung-Revolution
Malaika Mihambo und ihre Kolleginnen werden beim ISTAF-Indoor-Meeting zum ersten Mal aus der sogenannten Take-Off-Zone (Absprungzone) springen. Bei der neuen Weitsprung-Variante wird es keinen Absprungbalken geben, sondern einen 40 Zentimeter langen Bereich.
Gemessen wird dann die „reale“ Weite - von der Fußspitze beim Absprung. Das Ziel: Ungültige Versuche zu minimieren und den Wettkampf damit attraktiver zu machen.
Gegen diese revolutionäre Veränderung regt sich allerdings gehöriger Widerstand. So sagte die italienische Vize-Europameisterin Larissa Iapichino ihren Start ab, nachdem sie erfahren hatte, dass der Wettkampf unter diesen Voraussetzungen stattfinden würde.
“Ich musste mich aus dem Wettbewerb zurückziehen, nachdem ich nur acht Tage vorher über dieses neue Startformat informiert wurde“, wird sie bei Jumpers World zitiert. „Eine Veränderung dieser Größenordnung könnte erhebliche Folgen haben, dennoch gab es keine vorherigen Tests oder eine ordnungsgemäße Bewertung.“
Tentoglou droht sogar mit Karriereende
Sie sei „stark gegen dieses Format“, so Iapichino. „Weitsprung wird durch seine technischen Anforderungen definiert und die Änderung des Starts verändert die Art des Ereignisses grundlegend. Wenn diese Veränderung umgesetzt wird, verliert der Weitsprung seine Essenz und wird zu einem ganz anderen Sport.“
Zu den radikalen Gegnern gehört auch der derzeit weltbeste Weitspringer Miltos Tentoglou: „Ich betrachte Weitsprung als eines der schwersten Disziplinen, wegen des Balkens und der Genauigkeit, die du brauchst“, sagte der zweimalige griechische Olympiasieger. „Der Sprung selbst ist einfach. Sie wollen den schwierigen Teil entfernen – genau das, was den Weitsprung definiert. Wenn sie das tun, wird der Weitsprung zum einfachsten Ereignis.“
Bereits als die Pläne vor knapp einem Jahr bekannt wurden, hatte Tentoglou sogar damit gedroht, sich vom Leistungssport zurückzuziehen, sollten das Vorhaben umgesetzt werden.
Auch Simon Batz, der bei den Olympischen Spielen in Paris sensationell Platz sechs belegt hatte, könnte mit der Neuerung nur schwer leben, wie er SPORT1 verrät. „Ich empfinde es als nicht vergleichbar, weil ein wichtiger Teil, den man für den normalen Weitsprung benötigt, wegfällt und es somit viel einfacher wird, als es jetzt ist.“
Legende Carl Lewis unterstützt die Gegner
Die neue Regelung könnte die alte nicht ersetzen, sagt der 22-Jährige. „Die Ergebnisse wären nicht mehr vergleichbar.“
Unterstützung bekommen die Gegner des neuen Formats von Carl Lewis. Die frühere Weitsprung-Ikone ist der Meinung, dass die neue Regel nicht automatisch weniger Fehlversuche nach sich ziehen werde „und auch nicht automatisch größere Weiten gesprungen werden“.
Den Rücktritt Iapichinos unterstützt der frühere US-Star ausdrücklich: „Ich applaudiere den Athleten, die die Integrität besitzen, nicht anzutreten. Dies ist eine völlig anderer Wettkampf.“
Dieser Meinung ist auch die deutsche Weitsprung-Legende Heike Drechsler, für die „der Weitsprungbalken zum Weitsprung gehört. Wir sind eine technische Disziplin.“ Die Können sei dabei, es zu schaffen, vom Brett abzuspringen.“ Daraus ergebe sich auch die Spannung.
Drechsler: „Damit löst man nicht die Probleme“
Drechsler kann verstehen, dass einige AthletInnen die neue Regel nicht gut fänden. „Man braucht das Brett für die Orientierung beim Anlauf und Absprung. Ich hoffe, die Regel setzt sich nicht durch.“
Offen zeigt sich dagegen Tokio-Olympiasiegerin Mihambo. „Am Ende kann es den Weitsprung spannender machen. Optimale Sprünge werden mit der Take-off-Zone auf jeden Fall wahrscheinlicher, weil wir Athletinnen und Athleten uns nicht nur am Brett orientieren müssen, sondern alle Aspekte für einen optimalen Absprungpunkt nutzen können.“
Ein erstes Zwischenfazit wird dann am Sonntagabend erfolgen, wenn die Weitspringerinnen den ersten Wettkampf unter den Voraussetzungen hinter sich haben.