Nachdem Nils Schumann im olympischen Sommer 2000 in Sydney sensationell zu Gold über 800 Meter gestürmt war, war es mit der deutschen Herrlichkeit für die folgenden zweieinhalb Jahrzehnte vorbei.
Paukenschlag beendet deutsche Flaute
Seit Schumanns Coup in Australien spielten die DLV-Läufer im internationalen Vergleich nur noch Statistenrollen – und das auf einer früheren deutschen Paradestrecke. Deutschland stellte 1983 mit Willi Wülbeck den ersten Weltmeister, dessen deutscher Rekord (1:43,65 Minuten) seit über 40 Jahren unangetastet geblieben ist.
800 Meter: Stepanov sorgt für Paukenschlag
Die schwarz-rot-goldene Flaute dauerte bis in den Frühsommer 2025, doch seit dem 15. Juni gibt es begründete Hoffnung, dass es demnächst zu einem deutschen Revival kommen könnte. An diesem Tag sorgte der erst 20 Jahre alte Alexander Stepanov in Pfungstadt für einen Paukenschlag, als er die 800 Meter in 1:44,17 Sekunden bewältigte – der schnellsten Zeit eines deutschen Läufers seit 16 Jahren.
Im SPORT1-Interview spricht der DLV-Youngster über seinen Coup, der ihn mit einem Schlag in die erweiterte Weltspitze katapultierte.
SPORT1: Herr Stepanov, Sie haben Ihre Bestzeit um beinahe zwei Sekunden verbessert. Wie überrascht sind Sie selbst über diese Steigerung?
Alexander Stepanov: Als ich eine Woche zuvor das Meeting in Rehlingen in 1:46,08 Minuten gewonnen hatte, wurde mir gesagt, dass ich unter 1:45 Minuten laufen kann, weil ich an dem Tag Läufer überholt habe, die schon eine 1:44 Minuten stehen hatten. Seitdem habe ich daran geglaubt und dann ist es passiert.
SPORT1: Was haben Sie gedacht, als Sie Ihre Zeit sahen?
Stepanov: Als ich im Ziel an der eingeblendeten Zeit vorbeigelaufen bin, war sogar noch die 1:43 zu sehen. Aber auch die 1:44,11 Minuten ist eine Top-Zeit, die ich früher nur von den Profis kannte. Dass ich das jetzt geschafft habe, ist wirklich krass.
Eine neue Generation wächst heran
SPORT1: Seit Nils Schumanns Olympiasieg 2000 sind deutsche 800-Meter-Läufer international immer mehr abgehängt worden. Mit Ihnen und Malik Skupin-Alfa scheint nun aber eine neue Generation heranzuwachsen, die den Anschluss herstellen könnte. Worauf führen Sie dies zurück?
Stepanov: Malik ist ein krasser Läufer, der ebenfalls Potenzial hat, eine 1:44 Minuten zu laufen. Und auch andere deutsche Läufer wie Joshua Hoffmann, der sogar noch jünger ist, drängen nach vorne. Das macht Hoffnung für die nächsten Jahre. Vor zwei Jahren hatte kein einziger deutscher 800-Meter-Läufer die Norm für die U23-EM geschafft. Und jetzt sind wir schon zu dritt.
SPORT1: Auch auf anderen Strecken werden auf einmal deutsche Rekorde aus dem vergangenen Jahrhundert gebrochen. Was glauben Sie, was steckt dahinter?
Stepanov: Das ist schwer zu sagen, warum deutsche Läufer auf einmal so performen. Dass Frederik Ruppert zum Beispiel eine 8:01 Minuten über 3000 Meter Hindernis gelaufen ist, hat mich sehr erstaunt und ist einfach nur heftig. Robert Farkens Rekorde sind auch Wahnsinn, und andere Läufer wie Marvin Heinrich oder Marc Tortell ziehen ebenfalls nach.
„Für Deutschland zu starten, ist immer ein Traum“
SPORT1: Sie wurden kürzlich für die Team-EM in Madrid (27. – 29. Juli) nominiert. Was macht das mit Ihnen?
Stepanov: In erster Linie stolz. Für Deutschland zu starten, ist immer ein Traum. Das wird mein erster Start bei den Erwachsenen sein. Ich muss erstmal schauen, wie es sich anfühlt. Ich lasse es auf mich zukommen und nehme die Erfahrungen für meine weitere Karriere mit.
SPORT1: Wie sehen Ihre Planungen für die weitere Saison aus?
Stepanov: Ich habe jetzt die Team-EM, danach die U23-EM und dann die Universiade. Das ist für mich eine ganz neue Erfahrung, weil ich noch nie so viele Wettkämpfe in kurzer Zeit hatte. Und dann kommt ja auch noch die WM im September, aber da liegt genug Zeit dazwischen.
Wackelt jetzt der Rekord von Wülbeck?
SPORT1: Der deutsche Rekord von Willi Wülbeck liegt schon seit über 40 Jahren bei 1:43,65 Minuten. Ist das für die nächsten Jahre ein Ziel?
Stepanov: Natürlich ist das ein Ziel, den deutschen Rekord zu brechen. Aber ich glaube, dass das von allein kommt, wenn sich die Beine gut anfühlen. Wenn man sich ihn fest vornimmt, dann wird es schwer.
SPORT1: Welche langfristigen Ziele haben Sie sich noch gesteckt?
Stepanov: Olympia ist mein großes Ziel.
SPORT1: Träumen Sie auch vom Olympiasieg?
Stepanov: Träumen darf man, aber da steckt noch sehr viel Arbeit dahinter.