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Gänsehaut-Moment: "Wir haben alle geweint"

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Sind Sie jetzt unschlagbar?

Julian Weber reist als einer der Top-Favoriten zur Weltmeisterschaft nach Tokio. Im SPORT1-Interview spricht der deutsche Speerwerfer über den Umgang mit Druck und warum er auch ohne Gold zufrieden wäre.
Julian Weber ist einer der Favoriten für die Weltmeisterschaft in Tokio
Julian Weber ist einer der Favoriten für die Weltmeisterschaft in Tokio
© IMAGO/Beautiful Sports
Julian Weber reist als einer der Top-Favoriten zur Weltmeisterschaft nach Tokio. Im SPORT1-Interview spricht der deutsche Speerwerfer über den Umgang mit Druck und warum er auch ohne Gold zufrieden wäre.

Bislang war Julian Weber bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen der große Pechvogel: Trotz starker Leistungen verpasste der deutsche Speerwerfer eine Medaille immer haarscharf.

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Nun reist der 31-Jährige als Topfavorit zur WM nach Tokio. Nach einer Saison voller persönlicher Bestleistungen, in der er erstmals die 90-Meter-Marke knackte, blickt Weber voller Vorfreude auf die Titelkämpfe.

Im Interview mit SPORT1 spricht der gebürtige Mainzer über einen ganz besonderen Moment, mentale Strategien und seine Erwartungen an die deutsche Mannschaft. Außerdem verrät er, warum diesmal der Druck etwas geringer ist, obwohl er zu den Medaillenkandidaten zählt.

SPORT1: Herr Weber, wie liefen die letzten Tage vor dem Aufbruch nach Tokio ab?

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Julian Weber: Es sind die kleinen Details, die am Ende den Unterschied machen – sei es die richtige Massage, das Dehnen oder gezielte Lockerungsübungen. Am Samstag geht es dann los: erst nach Frankfurt, dann weiter nach Japan, wo wir im Vorbereitungstrainingslager noch einmal letzte Anpassungen vornehmen.

SPORT1: Dieses Mal findet der Speerwurf nicht am Ende der WM statt, sondern mittendrin. Ändert das etwas für Ihre Vorbereitung?

Weber: Es ist tatsächlich eine willkommene Veränderung. Normalerweise sind die Speerwettbewerbe immer am Schluss, was den Druck enorm erhöht. Jetzt starte ich früher und habe die Chance, nach meinem Wettkampf die Atmosphäre weiter zu genießen, die anderen Athleten zu unterstützen und selbst noch Zuschauer der WM zu sein. Das gibt mir ein Stück Freiheit und reduziert ein wenig den Druck, den man sonst am letzten Wettkampftag spürt.

Weber: Nicht die „letzte Chance“

SPORT1: In Budapest lastete die Hoffnung auf eine deutsche Medaille zuletzt auf Ihren Schultern. Ist es eine Erleichterung, diesmal nicht als „letzte Chance“ in den Ring zu gehen?

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Weber: Absolut. Natürlich hängt vieles auch davon ab, wie die anderen Athleten abschneiden. Aber als Medaillenkandidat hat man ohnehin immer eine gewisse Erwartungshaltung zu tragen. Ich kenne diesen Druck und kann gut damit umgehen. Trotzdem ist es angenehm, diesmal nicht die allerletzte Hoffnung zu sein, sondern in einer etwas entspannteren Position zu starten.

SPORT1: Sie haben in dieser Saison fast alles gewonnen und erstmals die 90-Meter-Marke geknackt. Wie wirkt sich das auf Ihr Selbstbewusstsein aus?

Weber: Es gibt mir unglaublich viel Zuversicht. Ich weiß nun genau, was ich draufhabe und welche Schritte nötig sind, um bei internationalen Meisterschaften ganz vorne mitzuspielen. Dieses Wissen über meine eigene Leistungsfähigkeit gibt mir enorme Sicherheit. Ich freue mich, auf der großen Bühne, vor einer internationalen Konkurrenz, abrufen zu können, was ich über die Jahre hart erarbeitet habe.

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Sind Sie unschlagbar, Herr Weber?

SPORT1: Sie haben vor zwei Jahren in Budapest augenzwinkernd gesagt, Sie wollen künftig „unschlagbar“ sein. Ist es dieses Mal so weit?

Weber: (lacht) Unschlagbar würde ich noch nicht sagen. Es gibt immer noch Athleten, die ihre Spitzenform noch nicht gezeigt haben. Eine Weltmeisterschaft ist ein besonderes Event, wo viele Faktoren – Tagesform, Wetter, Timing – zusammenspielen müssen. Entscheidend ist, dass man mental ruhig bleibt, auf sich fokussiert ist und sein eigenes Leistungsniveau abruft. Dann kann es sehr gut laufen, unabhängig davon, wer sonst antritt.

SPORT1: Wie gehen Sie mit dem Favoritenstatus um? Arbeiten Sie mit Sportpsychologen?

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Weber: Momentan arbeite ich ohne Sportpsychologen, aber ich habe in der Vergangenheit durchaus Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt. Ich setze stark auf eigene Routinen, wie Atemübungen, Meditation und mentale Fokussierung. Es geht darum, im Wettkampf bei sich zu bleiben, sich nicht von äußeren Erwartungen ablenken zu lassen und die Konzentration auf die eigene Technik zu richten. In Zürich konnte ich diese Methoden sehr erfolgreich anwenden, was mir für die WM großes Vertrauen gibt.

SPORT1: Sie haben einen anderen Karriereverlauf als Johannes Vetter. Während er früh Weltklasse war, haben Sie sich eher kontinuierlich entwickelt …

Weber: Jeder hat seinen eigenen Weg. Johannes war schon früh extrem kraftbetont, hatte aber auch eine perfekte Technik. Bei mir ging alles schrittweise: Ich habe gelernt, welche Belastungen meinem Körper guttun, welche Trainingsreize ich benötige und welche Verletzungsrisiken ich vermeiden muss. Regeneration spielt heute eine größere Rolle als das eigentliche Training – ich achte sehr auf Erholung, Massage, Ernährung und Schlaf. Diese kontinuierliche Herangehensweise hat mir geholfen, stabil und leistungsfähig zu bleiben und meine Technik stetig zu verbessern.

„Ich habe sofort meine Familie angerufen, wir haben alle geweint“

SPORT1: Sie wirken oft, als wollten Sie gleich im ersten Versuch ordentlich vorlegen. Taktik?

Weber: Es ist eine Mischung aus Taktik und eigener Wettkampfphilosophie. Ich starte gerne fokussiert, aber entspannt. In Zürich habe ich gelernt, den ersten Wurf bewusst sauber und technisch korrekt auszuführen, ohne zu viel Druck aufzubauen. Wenn dieser erste Wurf dann schon über 90 Meter geht, ist das ideal. Danach kann man sich steigern und den Wettkampf weiter kontrolliert gestalten.

SPORT1: Sie haben in dieser Saison erstmals über 90 Meter geworfen. Wie war dieser Moment für Sie?

Weber: Es war ein unglaubliches Gefühl, das Ziel nach so vielen Jahren harter Arbeit endlich zu erreichen. Der Winter war lang, das Training im Dunkeln zäh und dann sieht man plötzlich auf der Anzeige die 90 Meter – das ist pure Freude und auch ein wenig Erleichterung. Ich habe sofort meine Familie angerufen, wir haben alle geweint. Und dass ich im Wettkampf mit Neeraj Chopra noch einmal die 90 Meter überschreiten konnte, hat den Moment perfekt gemacht.

„Auch Weiten über 95 Meter sind absolut machbar“

SPORT1: Der Pakistani Arshad Nadeem gilt als Phantom in der Szene und taucht meist nur bei Großveranstaltungen auf. Fürchten Sie, dass er wie bei Olympia in Paris wieder die Goldmedaille holt?

Weber: Nein, Sorgen habe ich nicht. Er ist ein unglaublich starker Werfer, das hat er in Paris mit 92 Metern gezeigt. Aber ich gehe diesmal selbstbewusst in den Wettkampf, weil ich weiß, dass die nötigen Leistungen, um vorne zu sein, absolut machbar sind – auch über 95 Meter. Mein Fokus liegt komplett auf meiner eigenen Technik, meinem Timing und meiner mentalen Vorbereitung. Wenn ich meinen Wurf sauber abrufe, bin ich zuversichtlich, weit werfen zu können. Es hilft mir, den Kopf frei zu haben und mich auf meine Stärken zu konzentrieren, anstatt zu sehr auf die Konkurrenz zu schauen.

SPORT1: Wären Sie mit einer Medaille zufrieden, auch wenn sie nicht golden glänzt?

Weber: Absolut. Jede Medaille bei einer Weltmeisterschaft ist ein großer Erfolg. Natürlich möchte jeder gewinnen, aber ich weiß auch, dass Silber oder Bronze eine herausragende Leistung sind. Entscheidend ist, dass ich meinen Wettkampf abrufe und das Beste zeige, was ich kann.