Was Merlin Hummel am Dienstag erlebte, kann er nach wie vor kaum in Worte fassen. „Der ganze Wettkampf war wie ein Traum. Es war der pure Wahnsinn“, sagte der Gewinner der Silbermedaille im Hammerwurf zu SPORT1.
Leichtathletik: Der betrogene deutsche Hammer-Held jubelte erst Jahre später
Der betrogene deutsche Hammer-Held
Es war - wie vielfach betont wurde - die erste WM-Medaille für einen deutschen Hammerwerfer seit 20 Jahren. Wobei der eine oder andere ältere Fan, der damals schon zuschaute, gestutzt haben mag: eine deutsche Hammerwurf-Medaille bei der WM 2005?
Markus Esser jubelte erst Jahre später
Tatsächlich konnte Markus Esser damals in Helsinki nicht wie nun Hummel ausgiebig jubeln: Er bekam sein Edelmetall erst viele Jahre später.
Zum Siegerpodest schritten damals Sieger Iwan Zichan aus Belarus, Landsmann Wadsim Dsewjatouski mit Silber und der Pole Szymon Ziolkowski.
Zichan und Dsewiatouski gerieten drei Jahre darauf erstmals ins Doping-Zwielicht: Nach Olympia 2008 in Peking wurden abnorm hohe Testosteron-Werte bei ihnen festgestellt.
Zichan verlor sein Olympia-Bronze, bekam es allerdings später vom Sportgerichtshof CAS zurück: Es gab Unregelmäßigkeiten bei den Tests, das CAS entschied im Zweifel für den Angeklagten - unter ausdrücklicher Betonung, dass es kein Freispruch erster Klasse war.
Ein Nachtest lässt alles auffliegen
Im Jahr 2012 bestätigte sich dann, dass Zichan kein Unschuldslamm war: Bei Nachtests der aufgehobenen Proben der Olympischen Spiele 2004 in Athen wurden illegale Steroide gefunden. Nach dem Gang durch die Instanzen verkündete der Leichtathletik-Weltverband die Annullierung aller Ergebnisse Zichans zwischen August 2004 und 2006 - Zichan war damit auch sein WM-Gold von Helsinki los.
Zichan war nicht der einzige WM-Hammerwerfer von 2005, der des Dopings überführt wurde, auch die hinter den Medaillenrängen platzierten Wladyslaw Piskunow aus der Ukraine und Andrei Vrantsou aus Belarus wurden später aus der Wertung genommen.
Auch der nachrückende Sieger Dsewiatouski wurde 2013 als Wiederholungstäter überführt verlor und zwischenzeitlich sein WM-Gold - erkämpfte es sich aber vor Gericht zurück. Er steht wieder in der offiziellen Siegerliste - vor Ziolkowski und dem nachgerückten Esser.
Medaillenkür erst 2015
Der Leverkusener Esser war 2005 in der Form seines Lebens, warf damals zum ersten Mal über 80 Meter.
Auch in Helsinki erreichte der damals 25-Jährige Weltklasse-Niveau: Gleich zweimal schleuderte er den Hammer auf eine Weite von exakt 79,16 Metern. Belohnt wurde er dafür aber erst viel später.
Am 26. Juli 2015 bekam im Rahmen der Deutschen Meisterschaften 2015 in Nürnberg sein WM-Bronze von Helsinki überreicht - und auch eine weitere nachträgliche Medaille: EM-Bronze 2006. Zichan war der ursprüngliche Sieger in Göteborg und verlor auch diese Trophäe.
Der heute 45 Jahre alte Esser beendete nach der DM 2015 seine Karriere - und bekam auf den letzten Metern die zwei einzigen Edelmetalle seiner Laufbahn, um die er zuvor betrogen worden war.
Kleinert erging es wie Esser
Neben Esser profitierte damals übrigens auch die deutsche Kugelstoßerin Nadine Kleinert von einer nachträglichen Dopingsperre in Bezug auf die WM 2005.
In ihrer Konkurrenz wurde Nadseja Astaptschuk - ebenfalls aus Belaraus - neun Jahre später aus der Wertung genommen. So rückte auch Kleinert noch auf Rang drei vor und erhielt ihre Bronzemedaille. „Das einzig Gute an solchen Meldungen ist, dass die Gerechtigkeit am Ende doch siegt”, kommentierte sie die Entscheidung.
Dennoch stellte Kleinert, die während ihrer Karriere mehrfach Edelmetall erst im Nachhinein zugesprochen bekam, angefressen fest: „Ich bin die ewig Betrogene.“
Die Emotionen am Ende des Wettkampfs selbst seien eben durch nichts zu ersetzen - wie auch die sich aus Medaillen und der damit verbundenen Aufmerksamkeit ergebenden Verdienstmöglichkeiten.
Ein unguter Nachgeschmack ist nicht wegkzukriegen.