Wenn am Samstag in Tokio der Startschuss zum WM-Zehnkampf fällt, sind die deutschen Hoffnungen groß. Mit Leo Neugebauer, Niklas Kaul und Till Steinforth stellt das DLV-Team ein bärenstarkes Trio – und mindestens einer von ihnen hat realistische Chancen auf eine Medaille.
Leichtathletik-WM: Schockt ein Deutscher die Welt? Das tippt Legende Hingsen
Deutsche Attacke auf Zehnkampf-Thron
Ganz vorne werden vor allem der Norweger Sander Skotheim und der US-Amerikaner Kyle Garland erwartet, doch auch Neugebauer gehört zum engsten Favoritenkreis.
Leichtathletik-WM: Neugebauer „klar im Medaillenrennen“
„Skotheim ist im Moment der Mann, den es zu schlagen gilt“, sagt Zehnkampf-Ikone Jürgen Hingsen im Gespräch mit SPORT1: „Dazu kommen Garland und Neugebauer – ihn muss man klar im Medaillenrennen sehen. Im Zehnkampf entscheidet oft ein einziger Ausrutscher.“
Diesen Ausrutscher hatte Neugebauer im vergangenen Jahr, als er bei Olympia in Paris den Beginn des zweiten Tages in den Sand setzte.
„Da ist er an den Hürden hängen geblieben und hat sich dann nochmal aufgerafft“, erinnert sich Hingsen. Am Ende holte Neugebauer in Paris Silber.
Neugebauer schnappte Hingsen den Deutschen Rekord weg
Im einzigen Zehnkampf 2025 war Neugebauer in Götzis über 400 Punkte entfernt von seiner Bestleistung, doch das will nichts heißen, sagt der frühere Weltrekordler. „Dort ist er mit angezogener Handbremse gestartet.“
Den Deutschen Rekord von Hingsen hatte Neugebauer im vergangenen Jahr auf 8.961 Punkte geschraubt.
Entsprechend ist Neugebauer, inzwischen 25 Jahre alt, mit reichlich Selbstvertrauen nach Tokio angereist. Die Olympia-Erfahrung von Paris habe ihn reifer gemacht: „Durch die Olympischen Spiele hat er unglaublich viel Wettkampferfahrung gewonnen“, sagt Hingsen: „Er kennt jetzt die Höhen und Tiefen des Zehnkampfs.“
Trainer tönt: „Vielleicht können wir die Welt schocken“
In Paris war der Modellathlet nach Schwächen am zweiten Tag auf Platz 2 zurückgefallen, das soll ihm in Tokio nicht mehr passieren. Im Training wurde fleißig an den Schwachstellen gefeilt – und sein Trainer Jim Garnham kündigt schon mal Großes an. „Vielleicht können wir die Welt schocken, wenn sie Leo in Tokio mit dem Speer sehen“, sagte Garnham im Münchner Merkur.
Überhaupt sei Neugebauer noch längst nicht an seine Grenzen gestoßen. „Er könnte besser sein als jeder, der jemals Zehnkampf gemacht hat“, prognostizierte der Coach.
Kaul erlebte in Tokio sein Olympia-Drama
Für Niklas Kaul, Weltmeister von 2019, ist der Weg aufs Podium steiniger. Zwar zeigte er zuletzt ansteigende Form, doch die Weltspitze wirkt leicht enteilt.
„Kaul hat einen guten Zehnkampf in Götzis gezeigt, aber die anderen Athleten sind schon 200 Punkte voraus. Leistungsmäßig sind sie ihm momentan ein Stück voraus – aber abschreiben darf man ihn nie“, betont Hingsen.
Im Gegensatz zu Neugebauer hat Kaul seine Stärken am zweiten Tag, vor allem in den beiden letzten Disziplinen (Speerwurf und 1500 Meter).
Dass der Mainzer an den Ort seines größten sportlichen Dramas zurückkehrt, als er bei Olympia 2021 nach einer Verletzung mit dem Rollstuhl aus dem Stadion gefahren wurde, „spielt im Kopf eigentlich keine Rolle mehr“, sagt Kaul vier Jahre später.
Steinforth kommt mit zweimal Bronze zur WM
Dritter Deutscher im Feld ist Till Steinforth. Der 23-Jährige feiert in Tokio sein WM-Debüt und könnte für eine Überraschung sorgen, wenn er an der einen oder anderen Bestleistung kratzt. Für ihn geht es vor allem darum, internationale Erfahrung zu sammeln und sich in der Weltelite zu zeigen.
„Wenn ich Spaß an jeder Disziplin haben kann und schmerzfrei durchkomme, dann bin ich schon zufrieden“, sagt Steinforth, der im Spätwinter jeweils die Bronzemedaille bei der Hallen-WM und -EM gewann.
Für Hingsen steht fest: Der Zehnkampf ist so spannend wie lange nicht. „Es freut mich, wenn junge, talentierte Athleten diese Königsdisziplin hochhalten. Es wird ein Highlight der Leichtathletik-WM.“