Vielleicht ist es dem Wesen des Sports immanent, wenig vorauszuschauen: Immer geht es um die kurzfristig anstehende Herausforderung, den nächsten Sieg. „Von Spiel zu Spiel denken“, das ist nicht nur im Fußball mehr als eine bloße Floskel. So kommt es, dass bei Trainer*innen, die kurz vor Schluss geholt werden, um die Saison zu retten, gerne von Feuerwehrmännern - oder Frauen - gesprochen wird. Und dieser Ansatz endet da nicht.
Ihre Präsenz macht einen Unterschied
„Es ist eigentlich total schade, dass wir oft in diesem Feuerwehrgedanken gerufen werden, wenn der berühmte Drops gelutscht ist – aber, dass wir präventiv viel mehr eingebunden werden könnten“, sagt Elisa Lierhaus. Sie arbeitet als Sportpsychologin derzeit im Basketball und Fußball und kennt das Thema auch dort gut: Eher werden therapeutische Pflaster verteilt, als im übertragenen Sinne die Verletzung im Vorfeld zu verhindern.
Allerdings stellt Lierhaus auch fest, der Umgang mit psychologischer Betreuung ist im Wandel, und zwar im positiven Sinne: Sie wird mehr in Anspruch genommen. Ein Hindernis sei aber womöglich weiterhin, dass nicht ganz aus den Köpfen zu kriegen ist: Benötigen Sportler*innen Unterstützung in Sachen Psyche, sind sie womöglich akut nicht so leistungsfähig. Dabei wird umgekehrt ein Schuh daraus: Wer Hilfe bekommt, erfährt allgemeine Verbesserung.
Lierhaus selbst ist breit aufgestellt, hat zunächst Sportwissenschaft, dann Sportpsychologie studiert, ist systemische Beraterin sowie Trainerin für Antidiskriminierung und Diversity. Das habe sich einerseits entlang ihrer persönlichen Interessen entwickelt, erzählt sie. Andererseits aus einem Sicherheitsgedanken heraus, zumal sie viele Aufgaben als Freiberuflerin erfüllt.
Und immer prägen auch eigene Erfahrungen den Weg: Als Schwarzes Adoptivkind in einem sehr weißen Umfeld erlebt sie als Kind, wie neben bewusster Diskriminierung auch freundlich gemeinte, aber falsche Lesarten in ihr arbeiten, Lösungen suchen und Sprache.
„Das war doch bestimmt nicht so gemeint“
„Das war doch bestimmt nicht so gemeint“ sei ein Satz, der sie sehr geprägt habe, erzählt die Psychologin, und auf den oft Internalisierung folge, obwohl Dinge sich nicht richtig anfühlen: Aber es geht um die Wirkung von Worten. „Es hat lange gedauert für mich, da eine Sprache zu entwickeln. Und das ist etwas, das ich gern meinen Sportlerinnen und Sportlern mitgebe.“
Generell gehe es in ihrem Job viel darum, Räume zu öffnen, erzählt Lierhaus. Derzeit arbeitet sie in Teilzeitanstellung mit vor allem den Frauen von Alba Berlin im Basketball und mit jenen des FC Union Berlin als Freiberuflerin im Fußball. Jedes Team sieht sie in der Regel zwei- bis dreimal die Woche, aus ihrer Sicht ein guter Rhythmus für zugleich Nähe und Außensicht.
„Wir kommen trotzdem immer wieder mit einem Blick von außen rein“, erklärt sie den Vorteil der abwesenden Tage. „Das ist für uns absolut wichtig. Wir müssen auf der einen Seite Teil der Struktur werden - und gleichzeitig dürfen wir nicht Teil der Struktur sein.“ Mit der Möglichkeit, sie anzusprechen, gehe zudem kein Druck einher: Die Arbeit mit dem Team ist gesetzt, individuelles Arbeiten für jede Spielerin ein Angebot, eben freiwillig.
Ihre Präsenz macht einen Unterschied
In all ihren Arbeitsgebieten stellt Lierhaus fest, dass allein ihre Präsenz einen Unterschied macht. Weil, dieser Satz fällt so oft, weil er wahr ist, Menschen Vorbilder brauchen, in denen sie sich erkennen - und es vom Training mit Kids über Auslandslehrgänge bis hin zu ihrem Joballtag einen Unterschied macht, dass Schwarze Mädchen sehen: Da ist eine, die kennt jene Aspekte meines Kampfes, die ein noch so wohlmeinender weißer Trainer nicht sieht.
Sodann wird Lierhaus zur Brückenbauerin. Das liegt ihr viel mehr als Feuerwehreinsätze.