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"Hinters Licht geführt": Deutscher Doping-Knall

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Deutscher Doping-Knall

Eine Recherche zeigt: Die deutsche Anti-Doping-Agentur hält seit Jahren die Namen von Dopingsündern unter Verschluss. Doping-Experte Fritz Sörgel übt bei SPORT1 deutliche Kritik und äußert einen pikanten Verdacht.
Der ARD-Bericht über nicht veröffentlichte Dopingsünder aus Deutschland sorgt für Wirbel
Der ARD-Bericht über nicht veröffentlichte Dopingsünder aus Deutschland sorgt für Wirbel
© IMAGO/Beautiful Sports
Eine Recherche zeigt: Die deutsche Anti-Doping-Agentur hält seit Jahren die Namen von Dopingsündern unter Verschluss. Doping-Experte Fritz Sörgel übt bei SPORT1 deutliche Kritik und äußert einen pikanten Verdacht.

Beim Kampf gegen Doping geht es immer wieder um eines: Transparenz. Allzu transparent mutet es aber nicht an, was die Dopingredaktion der ARD bei Recherchen über die deutsche Anti-Doping-Agentur NADA herausfand: Schon seit Jahren nennen Deutschlands Dopingjäger nicht mehr die Namen von überführten Dopingsündern. Eine Praxis, die selbst in Fachkreisen unbemerkt blieb.

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Bereits seit März 2020 hat die NADA die namentliche Nennung von jenen Sportlerinnen und Sportlern eingestellt, die des Dopings überführt und daraufhin sanktioniert wurden. Lediglich einmal im Jahr wird stattdessen eine Statistik erstellt, in der Zahlen zu positiven Dopingproben in der Bundesrepublik aufgelistet sind. Namen? Fehlanzeige!

Nach einem Hinweis auf Dopingvergehen von Martin Hiller, Kanute und ehemaliger Welt- und Europameister, begann die ARD-Redaktion mit Recherchen. Nach zwei positiven Befunden auf drei anabole Wirkstoffe wurde der Spitzensportler im Februar 2025 für vier Jahre gesperrt.

76 Prozent der Betrüger bleiben anonym

Doch obwohl es sich um einen hochdekorierten Athleten einer der hierzulande traditionell erfolgreichsten olympischen Sportarten handelt, wurde der Vorgang nicht publik gemacht. Wie viele andere auch.

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Inzwischen hat die NADA eingeräumt, dass 76 Prozent der Betrüger in den vergangenen fünf Jahren anonym geblieben sind. Darunter sind unter anderem auch Vertreter aus Leichtathletik oder Schwimmen. Mindestens 18 olympische Sportarten sind betroffen. Weil zudem noch die Daten des vergangenen Jahres fehlen, könnte die Zahl sogar noch höher ausfallen.

Hintergrund der Verschwiegenheit sind laut NADA Rechts-Risiken, genauer gesagt der geltende Datenschutz.

Sörgel wünscht sich konkretere NADA-Hinweise

Prof. Dr. Fritz Sörgel, Pharmakologe und Anti-Doping-Experte, kann die Handhabung im Angesicht der Datenschutz-Problematik zwar nachvollziehen, hält eine Anpassung aber dennoch für notwendig.

„Die NADA sollte schon jedes Jahr darauf hinweisen, dass rund 76 Prozent der Sportler durch den übertriebenen Datenschutz geschützt sind. Das sind imposante Zahlen“, erklärte er im SPORT1-Interview. „Natürlich hätte die NADA das schon kommunizieren sollen. Weil es keinem einfällt, wird man hinter das Licht geführt.“

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Zwar weist die NADA in ihren Veröffentlichungen am Rande auf das Vorgehen hin, wahrgenommen hat dies bisher aber augenscheinlich niemand.

Wie viele A-Kader-Athleten sind betroffen?

Wichtig wäre es nach Meinung von Sörgel auch, dass klar kommuniziert wird, auf welchem Level die gedopten aber namentlich nicht genannten Sportler agieren.

„Jeder am Thema Doping Interessierte würde doch gerne vor allem das wissen: Wie viele der 76 Prozent aller Getesteten gehören dem Olympiakader, also der Weltspitze an? Oder dem Perspektivkader? Das sind Sportler, die für die übernächsten Olympischen Spiele auf Medaillenkurs sein könnten.“

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Unfair gegenüber anderen Ländern

Was der Professor für Pharmakologie im Hinblick auf die NADA-Praktiken zudem besonders kritisch sieht: die fehlende Fairness gegenüber anderen Ländern.

„Wir geben in Deutschland ein entsprechendes Bild ab. Fälle in anderen Ländern sind bekannt geworden. Es verschiebt das Bild, beziehungsweise verwischt die Unterschiede zwischen den Ländern. Im Wettbewerb und in der Einschätzung der Nationen ist es unfair“, ist sich Sörgel sicher.

So sei eine valide Einschätzung unterschiedlicher Nationen nur möglich, „wenn in allen Ländern über Dopingfälle auf gleicher Grundlage publiziert wird.“

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Zwar gilt die zugrunde liegende Datenschutzgrundverordnung für ganz Europa, die deutsche Anti-Doping-Agentur zeigt sich im europäischen Vergleich aber besonders restriktiv, wenn es um die Veröffentlichung von Betrüger-Namen geht.

Steuergelder für Dopingsünder?

Eine Praxis, die vielerorts nicht gut ankommt. „Ich bin wirklich sehr überrascht, dass die Veröffentlichungspraxis der NADA sich in den letzten Jahren verändert hat“, erklärte beispielsweise der sportpolitische Sprecher der CDU/CSU, Stephan Mayer, im ARD-Interview.

„Wenn das Verfahren abgeschlossen ist, wenn die Strafe auch rechtsgültig festgelegt ist, dann ist es aus meiner Sicht in der Abwägung so, dass die Veröffentlichung stattfinden sollte, weil es sich um staatlich geförderte Athletinnen und Athleten handelt, dass es um Steuergelder geht, die investiert werden in den Sport und dass es natürlich auch aus Wettbewerbsgründen darum geht, dass die Mitbewerberinnen und Mitbewerber auch darüber informiert werden.“

Auch einige Athleten haben sich bereits kritisch geäußert. „Dopingfälle sind Dopingfälle, egal, wie erfolgreich man ist oder wie erfolgreich man war oder ob man ein Talent ist“, sagte Patrick Dogue, Athletensprecher der Modernen Fünfkämpfer, der ARD.

Und weiter: „Wenn man positiv ist, ist man positiv und da hat die sportliche Karriere am Ende nichts mit zu tun, inwieweit das offengelegt werden sollte. Da sollte der Name genannt werden, da sollte die Substanzen genannt werden.“

Experte Sörgel: „Da steht der Verdacht nahe ...“

So lässt sich festhalten: Die Geheimhaltung bei der NADA sorgt auf allen Seiten für Stirnrunzeln. „Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum solche Fälle den Datenschutz betreffen sollen“, sagt Experte Sörgel: „Selbst in der Medizin, wo man zurecht besonders kritisch auf Datenschutz achtet, werden doch Daten beispielsweise über den Arzneimittelgebrauch von den Krankenkassen publiziert. Dagegen habe ich nie von Protesten gehört, von keiner Stelle.“

Für den Professor wäre „natürlich ebenfalls hochspannend, welche Dopingstoffe denn an der Spitze liegen, sagen wir die Top Five. Anabolika, Epo und Hormone, Stimulanzien und Vertuschungsmittel vielleicht? Das soll man nicht publizieren dürfen? Da steht der Verdacht nahe, dass man sich so verhält wie damals zu Zeiten der Doping-Skandale in Deutschland, wo auch nach allem, was wir wissen, die Politik half, zu vertuschen.“

Kaum Abschreckung für andere Sportler

Ein weiterer Positiv-Aspekt neben der reinen Aufklärung wäre auch das Thema Abschreckung, welches Bob-Anschieber Georg Fleischauer in der ARD-Doku ansprach.

„Die Abschreckung an sich finde ich schon wichtig, weil anderen Sportlern ja auch bewusst sein muss, dass, wenn man was Verbotenes macht, dass man bestraft wird. Und wenn das irgendwann nicht mehr der Fall ist, dann denkt ja auch jeder: Okay, ist ja nicht so schlimm - im Zweifel passiert nichts Schlimmes, ich bin vielleicht ein paar Monate weg und dann geht es weiter. Und das, finde ich, darf halt nicht passieren“, meint der Bobsportler.

Ein Gedanke, den auch Sörgel nachvollziehen kann. Werden Dopingfälle nicht publik, steigt das Risiko, dass sich Athletinnen und Athleten denken, man könne es „mal riskieren“.

Da es zudem immer mehr „relativ milde Strafen“ gibt, könne eine Dopingsperre mitunter gut überspielt werden. „Muskelzerrungen und Ähnliches kann man da ins Spiel bringen, weil man ein paar Monate ausfällt“, berichtet Sörgel aus der Praxis.

Mit Transparenz im Dopingkampf hat das dann kaum noch etwas zu tun.