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Flutlicht an! - Im Fußball gibt es Schattenseiten

Im Fußball gibt es Schattenseiten

Thaya Vester ist Kriminologin mit Fußballherz. Als solche forscht sie unter anderem zum Sicherheitsgefühl von Schiris und Gewalt im (Amateur-)Fußball. Die „Flutlicht an!“ Porträt-Kolumne #100.
Thaya Vester ist Kriminologin mit Fußballherz
Thaya Vester ist Kriminologin mit Fußballherz
© Sabrina Müller
Thaya Vester ist Kriminologin mit Fußballherz. Als solche forscht sie unter anderem zum Sicherheitsgefühl von Schiris und Gewalt im (Amateur-)Fußball. Die „Flutlicht an!“ Porträt-Kolumne #100.

Wie ordnet sich das menschliche Zusammenleben? Was geht da manchmal auch schief? Und warum? Für solche Zusammenhänge hat Thaya Vester sich schon früh interessiert – und über dieses Interesse ist sie für ihr Studium „in der Soziologie gelandet“. Dazu Jura, sozusagen als Erweiterung: Was passiert, wenn etwas schiefgeht? Wie reagiert die Gesellschaft?

Einen Fußballbezug hatte die Kriminologin von klein auf. Als einzige von fünf Geschwistern, darunter zwei Jungs, interessiert sie sich für den Sport, kickt in einer Schul-AG, da vor Ort die Mädchenteams fehlen, und schaut alleine Spiele. Im Älterwerden dann die Erkenntnis, auch im Fußball gibt es Schattenseiten; viele gesellschaftliche Themen sind übertragbar.

Nur das passiert, was als Meldung auftaucht

Vester promoviert in Sportwissenschaften über das Sicherheitsgefühl und die Opferwerdung von Unparteiischen im Fußball. Und ist überwältigt, wie bereitwillig die mit ihr sprechen. In einer ersten Phase wertet sie lediglich Sportgerichtsurteile aus. Dabei lässt sie jedoch das Gefühl von Lücken nicht los, von Dingen, die ungesagt, unerwähnt geblieben sind.

„Die Schiris sind verpflichtet, alle besonderen Vorkommnisse zu melden“, sagt Vester. Man könne sich deswegen natürlich auf den Standpunkt stellen: Es ist nur das passiert, was eben als Meldung im Spielbericht auftaucht. Dabei fehlt aus Sicht der Soziologin aber eine zentrale Überlegung: „Wenn sie etwas nicht melden, woran könnte das liegen?“

Teilweise herrsche die Tendenz, beispielsweise nach einem Spielabbruch Schiris gegenüber zu resümieren, im Rückblick sei die Situation gar nicht gefährdet gewesen, zu kippen. Damit hat Vester ein Problem, denn was nutzt objektive Sicherheit, wenn sich eine Person subjektiv bedroht fühlt? Und hätte, wäre, wenn im Nachhinein hilft nun einmal nicht weiter.

Abweichendes Meldeverfahren bei Schiedsrichterinnen

Als Vester beginnt, weibliche Schiris gesondert zu betrachten, fällt ihr auch auf, dass die ein abweichendes Meldeverfahren haben. Obwohl sie im männlich geprägten Fußballbusiness mehr kämpfen müssen und deutlich häufiger Diskriminierung erfahren, melden sie demnach seltener. Dahinter stehe zum einen die Haltung, diese Dinge als Frau im Fußball aushalten zu müssen, aber auch oft der Wunsch, nicht als kompliziert zu gelten mit derartigen Themen.

Warum sie weibliche Schiris nicht von Anfang an gesondert betrachtet hat, diese Frage stellt Vester sich kritisch. Sie merkt dabei an sich selbst, wie einfach es ist, in gewisse strukturelle Fallen zu tappen. Weil prozentual so wenige Frauen Schiedsrichterinnen sind, hat sie zunächst kein besonderes Augenmerk auf sie gerichtet. Dabei muss die Frage lauten: Wieso sind es so wenige? Und warum ist außerdem ihre Abbruchquote höher? Die Antwort: Strukturen.

Dabei, betont die Kriminologin, seien die Regelwerke in Sachen Prävention bei vielen der Landesverbände ebenso wie dem DFB gar nicht schlecht. Aber die schönsten Regeln und Vorgaben nutzten nichts, wenn sie nur auf Papier stünden und nicht zur Anwendung kämen. Hier sieht Vester, die den DFB auch schon ehrenamtlich beraten hat, Luft nach oben.

Apropos Ehrenamt, zu dem gehört für sie auch Wissenschaftskommunikation, also über ihre Forschungsergebnisse zu sprechen, damit die in den Fußball zurückfließen. Denn den Sport liebt sie weiterhin, trotz aller vorhandenen Schattenseiten, und betont mit einem Lächeln in der Stimme, es gebe auch „viel Licht“.