Es waren hochemotionale Momente am vergangenen Sonntagnachmittag kurz vor 16 Uhr. Szenen, die Gänsehaut erzeugten. Als erste Frau im Sattel hatte Nina Baltromei, noch dazu als Auszubildende, gerade mit ihrem Pferd Hochkönig hauchdünn das deutsche Galopp-Derby gewonnen.
Ein Vorbild für alle Power-Frauen
Nachdem per Richterspruch das historische Ergebnis verkündet wurde, schossen Tränen der Freude und Rührung in Baltromeis Augen, dann stellte sie sich in die Steigbügel, reckte ihren Arm und Finger Richtung Himmel - ein Gruß an ihren 2012 an Krebs verstorbenen Vater.
Mit etwas Abstand spricht Baltromei im SPORT1-Interview über ihren Triumph und welche Bedeutung der Coup für die Zukunft haben könnte.
SPORT1: Herzlichen Glückwunsch zum Derbysieg und auch noch zu Ihrem 27. Geburtstag am Montag. Wie ist es Ihnen ergangen in den vergangenen Tagen?
Nina Baltromei: Danke! Es war sehr, sehr aufregend. Mein Handy steht nicht still.
SPORT1: Können Sie schon fassen, was Sie vollbracht haben?
Baltromei: Also, direkt in der Nacht konnte ich überhaupt nicht schlafen. Ich habe mir das Derby noch ungefähr 80 Mal angeschaut. Und am nächsten Tag ging es dann ja gleich weiter mit den Rennen.
SPORT1: Dort haben Sie gleich nachgelegt ...
Baltromei: Ja, ein richtig schöner Geburtstagssieg.
Baltromei spürt keine Genugtuung
SPORT1: Vor dem Derby gab es auch viele Skeptiker. Ihre Trainerin Yasmin Almenräder musste sich rechtfertigen, warum sie Ihnen das Vertrauen schenkt. Spüren Sie nun Genugtuung?
Baltromei: Genugtuung würde ich nicht sagen, das ist nicht so ganz meine Art. Aber natürlich ist es schön, dass ich bewiesen habe, dass ich es kann und dass meine Trainerin Recht behalten hat mit ihrer Entscheidung.
SPORT1: Direkt nach Ihrem Sieg haben Sie in den Himmel gezeigt und an Ihren Vater gedacht, der lange Zeit als Trainer den Galoppsport in Deutschland mitgeprägt hat. Wie emotional war dieser Moment für Sie?
Baltromei: Sehr emotional. Ich habe so viel von meinem Vater mitbekommen. Er war ein echter Pferdemann. Sowohl im Training als auch beim Kauf und letztlich auch bei den Einsätzen im Rennen hatte er immer ein sehr gutes Auge. Von seinen Erfahrungen habe ich viel lernen können.
„Sie ist die stärkste Frau, die ich kenne“
SPORT1: Ebenso wie von Ihrer Mutter ...
Baltromei. Genau. Für das Reiten war eher meine Mutter zuständig. Die hatte immer mehr Angst um mich als mein Vater. Aber wenn ich mal vom Pferd gefallen bin, dann war sie immer die Erste, die gesagt hat, dass ich wieder aufsteigen soll. Das ist das Beste, was man tun kann. Und was man nicht vergessen darf: Sie war in den vergangenen Jahren immer für mich da. Sie ist eine super tolle Frau, die stärkste, die ich kenne. Sie ist ein Vorbild für mich.
SPORT1: So wie Sie jetzt ein Vorbild für andere weibliche Jockeys sind oder für Mädchen, die diesen Beruf erlernen wollen?
Baltromei: Das hoffe ich. Ich habe auch schon unzählige Nachrichten bekommen. Leute, die schreiben, dass ich ein großes Vorbild für sie bin und es eine Ehre für sie ist, dass sie schon mit mir zusammen geritten sind. Ich hoffe, es treibt ein paar Mädels oder generell junge Leute an, dass sie weiterkämpfen und für ihren Traum leben, dass man im Endeffekt irgendwie alles schaffen kann, wenn man daran glaubt.
SPORT1: Wird der Derbysieg auch für Sie Auswirkungen haben? Gibt es vielleicht schon Anfragen von anderen Trainern, dass Sie in großen Rennen deren Pferde reiten?
Baltromei: Das war tatsächlich auch schon vorher so, dass ich Anfragen von einigen Trainern hatte. Wie das jetzt weitergeht, müssen wir mal abwarten.
Baltromei: Das ist mein nächster großer Traum
SPORT1: In der Galoppszene gibt es immer wieder die Diskussion, dass weibliche Jockeys womöglich mit einer leichten Gewichtserlaubnis an den Start gehen sollten. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Baltromei: Ob man jetzt Frau oder Mann ist, spielt für mich keine Rolle. Ich persönlich halte das nicht unbedingt für nötig.
SPORT1: Mit dem Derbysieg haben sie Geschichte geschrieben. Welches Rennen steht noch auf Ihrer Wunschliste?
Baltromei: Der große Traum wäre ein Start im Prix de L’Arc de Triomphe in Paris.
SPORT1: Für den Hochkönig aber keine Nennung hat, oder? Was trauen Sie dem Pferd noch zu?
Baltromei: Nein, für Paris ist er nicht genannt. Ich hatte immer eine hohe Meinung von ihm, das hat er jetzt ja auch bestätigt. Ich denke, dass er jetzt erstmal weiter Rennen in Deutschland laufen wird.