BLINK, BLINK, GLITZER, GLAMOUR – Las Vegas lässt grüßen. Hallo Liebe F1 Fans!
Vegas: Geht es wirklich um die F1?
Gleichmal vorweg: das Nevada-Comeback im F1-Kalender nach den beiden Auflagen 1981 und 1982 hat mir durchaus gefallen. Das Rennen war um Längen unterhaltsamer und besser als von vielen befürchtet. Gib dem Rudel der Vollgas-Junkies eine 1,9 km lange Gerade und dazu rutschigen, glatten und kalten Asphalt und schon geht die Luzi ab wie Schmidts Katze. Nirgendwo wurde das Feld in dieser Saison während eines Laufes so durcheinandergewirbelt wie im Spielerparadies.
Der Weg in die erste Kurve nach dem Start ist vorne gerade mal 200 m lang. Und trotzdem werden Verstappen und Leclerc durch die Fliehkräfte bei ihrem eisenharten Duell um die Führung von der Piste gezogen. Leclerc muss weit ausholen in der Auslaufzone, um eine Kollision zu vermeiden. Die Fünfsekundenstrafe für Verstappen für seine zu harte Gangart finde ich vollkommen in Ordnung.
Dass sich ausgerechnet der sonst so coole und kontrollierte Alonso beim ersten Bremspunkt komplett vertut, und durchs Feld kreiselt wie ein blutiger Anfänger, ist schon erstaunlich, zeigt aber auch, wie schwierig die Bedingungen wirklich waren. Ganz Grandseigneur nimmt er die Schuld komplett auf sich. Und wird anschließend noch Neunter!
Bodenwelle muss abgeschafft werden
Carlos Sainz ist viel zu aggressiv mit seiner Attacke gegen Hamilton und knallt aufs linke Hinterrad des Konkurrenten - mit eigener Dreheinlage im Nachgang. Damit haben wir eine turbulente Anfangsphase, die das Feld schonmal gewaltig durchmischt.
Den Abflug von Norris hätte es in dieser Heftigkeit nicht gebraucht. Weg mit der Bodenwelle, die ihm zum Verhängnis wurde! Da gibt es Glättungsbedarf für 2024. Gut, dass ihm nicht weiter was passiert ist!
Dabei wäre der McLaren richtig gut gegangen, wie Teamkollege Piastri gezeigt hat. Im Qualifying läuft bei den Papaya-Orangen gar nichts, im Rennen liebäugelt der Australier lange sogar mit einer Podestplatzierung. Aufgrund des Reifenreglements muss er am Schluss nochmal zur Box, um wie vorgeschrieben zwei verschiedene Reifenmischungen zu nutzen. Immerhin holt er von Startplatz 18 noch einen Punkt.
Spannung bis zur letzten Runde
Charles Leclerc hadert mit dem Safety-Car. Der Monegasse fährt ein großartiges Rennen, glaubt, es sicher gewonnen zu haben, wenn Mitte des Laufes nicht das Safety-Car nach dem Tête-à-Tête zwischen Russell und Verstappen rausgekommen wäre.
Er hat zu diesem Zeitpunkt Reifen der Mischung Hard, die fünf Runden frischer sind als die des Titelverteidigers. Verstappen und Pérez kommen sofort an die Box, holen frische Schlappen und haben damit für die Schlussphase einen Joker, den Leclerc nicht in den Händen hält. Hätte er selber reinkommen müssen? Sagt sich nachher leicht. Ich wäre mit gerade mal fünf Runden gefahrenen Reifen auch draußen geblieben, um nicht hinter die beiden Red Bulls zu fallen.
Wie er nach seinem schweren Fahrfehler und dem Verlust von Platz zwei nach 43 Runden nochmal den Kopf hochnimmt und Pérez in der letzten Runde abkocht, ist ganz großes Kino! Das während des gesamten Rennens von vorne bis hinten im Feld Runde für Runde stattfindet. Die beiden Alpine-Jockeys geben sich richtig Saures, mit offenem Visier. Sainz und Pérez schneiden nach den Anfangs-Kapriolen durchs Feld. Magnussen und Hülkenberg halten sich lange in den Punkterängen, kämpfen verbissen mit dem Messer zwischen den Zähnen, um jedes Überholmanöver so lange es geht rauszuschieben. Der übliche Reifenfraß ihrer Boliden zwingt beide dann doch wieder in die Knie.
Verstappen nach Rennen doch begeistert
Hamilton fällt nach einem Plattfuß ans Ende des Feldes, rackert sich wieder in die Punkte nach vorne - mit Biss und Ehrgeiz. Teamkollege Russell steht sich mit seinem Schubser gegen Verstappen dagegen mal wieder selbst im Weg und kassiert vollkommen zurecht eine Fünf-Sekunden-Strafe. Dass er den Red Bull im toten Winkel nicht gesehen habe, ist eine Lachplatte. Der ist bereits LKW-breit neben ihm, als er rüber zieht! Russell schießt sich in dieser Saison immer wieder selbst ins Knie, wirft zum wiederholten Male eine mögliche Top-Platzierung weg. Toto Wolff wird ihm wohl bald mal den Kopf ordentlich waschen!
Ocon lasert sich von Startplatz 16 auf Rang vier nach vorne. Großartig! Applaus! Gerne auch für den oft harsch kritisierten Lance Stroll, der als Fünfter seinen Aufwärtstrend der vergangenen Rennen untermauert. Von wegen der Kanadier hat die Lust an der Formel 1 verloren! Und wann hat Verstappen zuletzt so hart für einen Sieg fighten müssen? Es ist sein 53. und damit hat er in der Ewigen Bestenliste nur noch Hamilton mit 103 und Michael Schumacher mit 91 vor sich. In den Übersee-Rennen in den USA, Kanada und Mexiko ist der Niederländer jetzt seit 2019 - oder zum elften Mal in Folge - ungeschlagen.
Vor dem Rennen hat er kein gutes Haar an dieser Glamour-Veranstaltung gelassen, bei der er sich wie ein Clown vorgeführt fühlte. Nach dem Rennen spricht er, wie viele andere Piloten, von großartigem Racing, das enormen Spaß gemacht habe. Und singt enthusiastisch nach Überqueren der Ziellinie „Viva Las Vegas“ in seinen Helm. Da spielt es dann plötzlich keine Rolle mehr, dass ihn sein Team in einen albernen Rennoverall mit Elvis-Presley-Look-Anmutung gestopft hat. Er freut sich schon tierisch auf den nächsten Lauf auf dem Strip 2024 sagt er. Und so wie er es sagt, glaube ich ihm das auch.
Rahmenprogramm wichtiger als das Rennen
Alles gut damit? Nicht ganz. Der Formel-1-Eigentümer Liberty Media, der erstmals selbst als Veranstalter und Promoter eines F1-Laufes aufgetreten ist, darf sich feiern lassen. Die Rechnung ist aufgegangen. Auf dem eigens mitten in der Stadt liegenden Grundstück, das man erworben hat, wurde das permanente Boxengebäude errichtet, das alles bietet, was man sich vor Ort wünschen kann. Es ist ein Wahrzeichen für Liberty Media und eine riesige Showbühne.
Es wird gewaltig investiert in die US-Rennen, um diesen überaus interessanten und wichtigen Markt fest in den Griff zu bekommen. Nirgendwo sonst ist die Promi-Dichte so hoch wie in Miami und jetzt in Las Vegas. Eine Stadt, die nur der Show dient, und in der die Formel 1 sich entfalten und glänzen darf. Mehr Glamour-Faktor als in Vegas geht nicht. Gut fürs Geschäft! Aber geht es wirklich um die Formel 1, um den Motorsport?
Vorsicht! Die „Eventisierung“ schreitet immer weiter voran. Die Show, das Drumherum, spielt eine immer größere Rolle. Derweil ist schon wichtiger, welche Musik-Acts geboten werden und wer stundenlang die Tribünen als DJ ohrenbetäubend beschallen darf. Die Grand-Prix-Strecken werden zunehmend zu Großraum-Diskos. Das Rennen selbst wird immer mehr zum Zusatz, steht aber längst nicht mehr im Mittelpunkt.
Boxsport als schlechtes Vorbild
Dass es in Las Vegas nicht ein einziges Rahmenrennen gibt, stört offensichtlich niemanden. Der Grand Prix ist noch der Anlass, um sich an die Strecke zu bewegen, für viele aber nicht mehr der Kernpunkt. Für Liberty Media ist die Formel 1 nur ein Vehikel, um Geld zu verdienen. Die Show steht über allem. Die Befriedigung der puren Racing-Fans und die Weiterentwicklung des Motorsports an sich, spielen nur mehr, wenn überhaupt noch, eine untergeordnete Rolle.
Um den Security-Kräften einen pünktlichen Feierabend zu geben, werden die Zuschauer vor dem verspäteten zweiten Freien Training von den Tribünen gejagt. Dass die Ticketpreise exorbitant hoch sind, ist da kein Argument. Das zeigt, wie wichtig Liberty Media die Race-Fans wirklich sind.
Ich hoffe, dass die Formel 1 nicht den Weg des Profi-Boxens geht. Denken wir an die Zeit zurück, als die Klitschkos sich aufgemacht haben, die Box-Ringe dieser Welt zu erobern. Ihre Kämpfe wurden immer mehr zu Glamour-Events hochstilisiert. Stundenlange Show-Übertragungen, wenig Zeit echter Sport im Ring. RTL und die Promoter haben dabei die Schraube gewaltig überdreht. Wo ist der Boxsport heute in Deutschland? Im Nirgendwo!
Abu Dhabi kann Las Vegas nicht toppen
Zwei Wochen Oktoberfest im Jahr sind ein echtes Highlight. Findet es über das gesamte Jahr 24-mal statt, verliert es seinen Reiz und wird zum Alltäglichen. Und irgendwann geht man nicht mehr hin.
Wer Las Vegas erlebt hat, fragt sich, was Abu Dhabi am kommenden Wochenende bieten soll. Ein mit LED-Lampen illuminiertes Hotel am Streckenrand und Mega-Yachten im Hafenbecken muten da schon langweilig an. Und die Strecke steht eher nicht für aufregendes, abwechslungsreiches Racing. Abu Dhabi kann Las Vegas nicht toppen. So gesehen der falsche Ort für ein Saisonfinale!
Bis dahin, alles Gute, bleiben Sie gesund. PEDAL TO THE METAL
Ihr Peter Kohl.