Red Bull-Motorsportchef Helmut Marko wirkt nach dem Großen Preis von Aserbaidschan in Baku fast schon verzweifelt. Nach Platz fünf für Max Verstappen und dem Unfall von Sergio Perez mit Carlos Sainz hat Red Bull die Führung in der Konstrukteurs-WM verloren. 20 Punkte beträgt nun, sieben Rennen vor Schluss, der Rückstand auf McLaren. Es ist das erste Mal seit dem GP in Barcelona 2022, dass das Team des Energy-Drink-Giganten die WM nicht mehr anführt.
Verspielt Red Bull jetzt alles?
„Für uns ist es ein massiver Rückschlag“, nimmt Marko gegenüber Sky denn auch kein Blatt mehr vor den Mund. „Wir werden (beim nächsten Rennen; d. Red.) sicher das Auto hinstellen können, aber nicht in dieser Form, wie wir es geplant haben. Die Probierzeit, die wir für Singapur geplant hatten, das ist jetzt alles nicht möglich.“
Red Bull nur noch Mittelmaß
Der Grazer schwenkt angesichts der Kombination aus Verstappen-Problemen und Perez-Crash die weiße Flagge. Denn sein einstiger Vorzeigefahrer und immer noch WM-Führender (60 Punkte vor Norris) fiel in Baku vor allem aufgrund seiner Beschwerden am Boxenfunk auf.
„Ich hatte keinen Grip, es war wie ein Go-Kart“, fasst der dreimalige Champion Verstappen seine Odyssee in Aserbaidschan später zusammen. „In allen langsamen Kurven war ein Rad auf jeder Achse immer in der Luft und dann hat man gar keinen Grip. Das war mein Problem. Ich bin viel gerutscht und habe dadurch viel mehr Reifentemperatur aufgebaut. Auf einer Strecke, wie hier in Baku, kann man das nicht machen.“
Stellt sich die Frage: Warum kämpft Perez plötzlich ums Podium, Verstappen aber kann noch nicht mal Lando Norris von Platz 15 kommend halten?
Marko: „Beide sind mit einem verschiedenen Setup gefahren. Das Setup von Checo hat funktioniert. Er war über die komplette Renndistanz im Abstand von ein bis drei Sekunden hinter Leclerc. Das konnte Max überhaupt nicht. Sobald er in einen Abstand von ein oder zwei Sekunden gekommen ist, waren nach zwei Runden die Bremsen überhitzt. Der Reifenverschleiß war ein wesentlich höherer.“
Allein: Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht. „Das Auto hat das Potenzial, ist aber immer noch sensibel in der Abstimmung“, erklärt der Grazer. „In Singapur müssen wir schauen, wie wir über die Runden kommen. In Austin muss ein nächster Schritt kommen, sonst ist auch die Fahrer-WM in Gefahr. Wir müssen Speed finden und das Auto muss in der Abstimmung leichter zu bewerkstelligen sein.“
Perez hilft Red Bull nicht
Dazu kommt das Problemkind Perez. In Aserbaidschan fährt er zwar vorne mit, doch das starke Ergebnis und damit wichtige Punkte schmeißt der Mexikaner im Crash mit Carlos Sainz weg. Unnötig. „Ein dämlicher Unfall“, urteilt Sky-Experte Ralf Schumacher. „Da haben sich beide nicht mit Ruhm bekleckert.“
Die Rennstewards bewerten die Kollision als Rennunfall. Sainz habe zwar leicht nach links gelenkt, Perez hätte den Unfall aber verhindern können, indem er die Bewegung seines Vordermanns einfach antizipiert.
Marko schüttelt den Kopf: „Völlig unnötig zwei Runden vor Schluss so etwas zu provozieren. Perez ist deutlich besser aus Kurve zwei rausgekommen und natürlich macht er nicht freiwillig Platz, er ist auf seiner Linie geblieben. Die beiden haben ich weiß nicht wie viele Grand-Prix auf dem Buckel. So etwas passiert vielleicht Anfängern. Es hat uns sehr viele Punkte gekostet und für Singapur wird das Ganze noch viel schwieriger.“
Die Wachablösung in der Formel 1 hat längst stattgefunden. Jetzt ist Red Bull in der Rolle des Jägers, konfrontiert mit Problemen. Für die Königsklasse indes ist das eine gute Nachricht, denn die Spannung ist zurück in der Formel 1. Weil Red Bull eben nicht mehr Kreise fährt um die Konkurrenz.