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"Comeback von Schumacher war sinnlos!"

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„Michaels Comeback war total sinnlos“

Franz Tost gilt als einer der größten Kenner der Formel-1-Szene. Bei SPORT1 redet er Klartext. Ins Schwärmen kommt er bei Max Verstappen, deutlich wird er auch bei Charles Leclerc und dem einstigen Comeback von Michael Schumacher.
Schlägt Lando Norris beim Großen Preis von Saudi-Arabien in Dschidda zurück – oder setzt sich Oscar Piastri an die Spitze der Fahrerwertung?
Franz Tost gilt als einer der größten Kenner der Formel-1-Szene. Bei SPORT1 redet er Klartext. Ins Schwärmen kommt er bei Max Verstappen, deutlich wird er auch bei Charles Leclerc und dem einstigen Comeback von Michael Schumacher.

Franz Tost war Cheflogistiker bei Williams-BMW, dann fast 20 Jahre Teamchef beim Red-Bull-Juniorteam, das heute Racing Bulls heißt. Ende vergangenen Jahres ging er in Rente, ist aber immer noch Berater bei Red Bull.

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Im exklusiven SPORT1-Interview zieht der Tiroler eine erste Bilanz der aktuellen Saison in der Formel 1. Zudem äußert er sich zu Titelverteidiger Max Verstappen, die Situation bei Ferrari und McLaren sowie die Änderungen in Sachen Motoren im kommenden Jahr.

SPORT1: Herr Tost, kommen wir gleich zur Sache: Ich weiß, dass Sie der Meinung sind, dass Max Verstappen sich sein Team aussuchen könnte, sollte er Red Bull verlassen. Aus Sicht eines Teamchefs: Warum ist das so? Was macht ihn so besonders?

Franz Tost: Max ist ein ganz spezieller Fahrer, der erstens vom natürlichen Speed her den anderen überlegen ist. Und zweitens ist er vom Kopf her so stark, dass er sein übernatürliches Talent im entscheidenden Augenblick umsetzen kann. Das macht ihn so überlegen. Aber erst einmal bringt Red Bull in Imola ein großes Update, um das Auto entscheidend zu verbessern. Hoffen wir für Red Bull, dass das funktioniert. Fest steht: Max ist in einer Position, in der er sich ein Team aussuchen kann. Ich denke, jeder würde ihn gern verpflichten, weil er einfach drei Zehntel pro Runde schneller ist als alle anderen – das ist ein Riesenvorteil. Im Moment ist er noch Red-Bull-Pilot, er hat dort einen längerfristigen Vertrag. Jetzt kommt es darauf an, ob er diesen Vertrag einhält. Sollte er wechseln, gibt es verschiedene Teams für ihn. Mercedes steht an erster Stelle, aber auch Aston Martin kann für ihn interessant sein.

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Verstappen zu Mercedes? „Muss Toto Wolff entscheiden“

SPORT1: Warum die beiden?

Tost: Mercedes zeigt hervorragende Leistungen. Natürlich muss Mercedes sich überlegen, ob man Max holt, weil im Moment George Russell toll performt. Das muss am Ende Toto Wolff entscheiden. Aston Martin ist für mich persönlich der Favorit. Der Grund: Ich glaube, dass Aston das Team der Zukunft sein wird. Sie haben sehr, sehr gute Leute geholt, unter anderem Adrian Newey und Andy Cowell. Newey ist für mich der beste Techniker im Fahrerlager und hat immense Erfahrung. Dann haben sie jetzt auch noch Andy Cowell. Ich kenne ihn noch aus meiner BMW-Zeit. Cowell hat damals den legendären Zehnzylinder gebaut, der bei Weitem der beste Motor war. Dann ging er zu Mercedes und hat auch dort einen Superjob gemacht. Zusammengefasst kann man sagen: Aston Martin hat den besten Mann auf dem Fahrzeugsektor und den besten Mann beim Antriebsstrang. Klar, Honda und nicht Cowell ist für den neuen Motor, der 2026 kommen wird, verantwortlich – aber ich kann mir gut vorstellen, dass es eine enge Kommunikation zwischen Honda und Cowell geben wird. Honda ist nicht nur extrem motiviert, sondern auch sehr offen. Dazu kommt: Aston Martin hat eine sehr moderne Fabrik mit entsprechenden Facilities. Deshalb sind sie für mich die Zukunft.

SPORT1: Glauben Sie, dass Verstappen bei Red Bull bleibt, nachdem Adrian Newey und andere gute Leute gegangen sind und sich die Abwärtsspirale schon Mitte vergangenen Jahres abgezeichnet hat?

Tost: Man muss abwarten, wie das Update in Imola funktioniert. Die Saison ist noch lang. Aber es stimmt: Die Abgänge sind schon extrem. Adrian Newey, Rob Marshall – übrigens auch einer der besten Techniker in der Königsklasse, der McLaren jetzt stark gemacht hat – oder Jonathan Wheatley und viele andere hinterlassen eine große Lücke. Das heißt: Die Garde, die jetzt übernommen hat, muss diese Abgänge in dieser Saison kompensieren. Wie gut diese Nachwuchsleute sind, müssen sie jetzt beweisen.

Lawson statt Tsunoda? „War eine Fehlentscheidung“

SPORT1: Sie sind immer noch als Berater für Red Bull tätig. Welchen Rat haben Sie gegeben, als es um die Nachfolge von Sergio Pérez als Teamkollege von Max Verstappen ging?

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Tost: Ich habe gesagt: Nehmt Yuki Tsunoda. Er hat die Erfahrung, er ist schnell, der schafft das. Wie die Entscheidung dann ausging, ist ja bekannt.

SPORT1: Hat es Sie überrascht, dass die Wahl der Verantwortlichen, Liam Lawson, schon nach zwei Rennen korrigiert wurde und jetzt doch Tsunoda im Red-Bull-Cockpit sitzt?

Tost: Nein, natürlich nicht. Es war eine Fehlentscheidung. Weil Tsunoda schneller ist als Lawson und erfahrener. Da gibt es nichts zu diskutieren.

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„Max Verstappen würde auch mit Traktor gewinnen!“

SPORT1: Ist Verstappen so gut, weil der Red Bull auf ihn zugeschnitten ist, oder würde er auch wie ein Michael Schumacher oder Ayrton Senna mit einem völlig anderen Auto dominieren?

Tost: Max Verstappen würde auch mit einem Traktor gewinnen! Ein Beispiel: Letztes Jahr machte Max einen Test mit einem Ferrari-GT-Rennwagen. Er war damit sofort zwei Sekunden schneller als der Rest. Max hat das Gefühl für den Speed, eine unglaubliche Übersicht, eine unglaubliche Fahrzeugkontrolle und ein unglaubliches Gefühl für ein Auto – egal welches. Er würde deshalb sofort mit jedem Formel-1-Auto zurechtkommen. Natürlich wird er dann die Feinabstimmung des Autos so hinbiegen, dass sie zu seinem Fahrstil am besten passt.

SPORT1: Was würde es von der technischen Seite als Entwicklung kosten, um die drei Zehntel zu finden, die Max Verstappen von vornherein mitbringt?

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Tost: So ein Schritt gelingt dir ja normalerweise nicht mit einem Update. Es sei denn, du findest mal per Zufall ein Wunderteil. Normalerweise dauert es sehr lange, um dein Auto diese 0,3 Sekunden pro Runde schneller zu machen. Übers Jahr hochgerechnet kostet das zehn Millionen. Mindestens.

SPORT1: Wann haben Sie das erste Mal bemerkt, dass Verstappen dieses Jahrhunderttalent ist?

Tost: Beim Kartfahren, bei der EM, stach er schon heraus. Dann kam das verregnete Rennen am Norisring in der Formel 3. Max fuhr so überlegen, dass man den Eindruck hatte, die anderen parken. Das hat mich an Michael Schumacher erinnert, der bei einem Regenrennen in der Formel Ford am Salzburgring 1987 ebenso überlegen war. Ich habe damals für seinen späteren Manager Willi Weber gearbeitet und ihm sofort gesagt: „Du musst ihn nehmen. Du kannst da gar nichts falsch machen!“

SPORT1: Ist Max Verstappen der beste Formel-1-Pilot aller Zeiten?

Tost: Solche Vergleiche mag ich nicht und es wäre auch unfair gegenüber den anderen großen Fahrern der Geschichte. Egal, ob das ein Fangio ist, ein Senna, ein Stewart, ein Lauda, ein Schumacher, ein Vettel oder Hamilton – was alle gemein haben: Sie hatten alle Supertalent, eine extreme Leidenschaft und Disziplin und waren in ihrer Zeit die besten. Sie haben das Maximale aus den Möglichkeiten herausgeholt und so den Unterschied gemacht. Alle waren auch extrem stark im Kopf. Ich behaupte deshalb auch, dass ein Fangio genauso heute vorne mitfahren würde wie die anderen ebenso in der Formel 1 zu Fangios Zeiten.

Vettel nur dank Auto erfolgreich? „Das ist Blödsinn“

SPORT1: Vettel hängt, besonders in England, ein wenig nach, dass er nur so erfolgreich war, weil er immer im besten Auto saß. Ist das so?

Tost: Das ist Blödsinn. Vettel hat als Neuling mit einem Toro Rosso gewonnen, die Formel BMW zuvor dominiert und auch mit Ferrari gewonnen. Er gehört mit Sicherheit zu den besten aller Zeiten. Das Auto war nur ein Teil davon. Ein Piastri würde heute auch nicht gewinnen, wenn er nicht in einem McLaren sitzen würde.

SPORT1: Andersrum: Hätten Piastri oder ein anderer aktueller Fahrer auch mit einem Red Bull in Suzuka gewonnen, wie es Verstappen vor drei Wochen gemacht hat?

Tost: Kann ich mir schwer vorstellen. Im Qualifying legte er eine Zauberrunde hin, im Rennen kontrollierte er alles. Das war der typische Max-Faktor. Ich bezweifle, dass das ein anderer geschafft hätte.

Mclaren-Duell: „Piastri wird sich durchsetzen“

SPORT1: Kommen wir zur aktuellen McLaren-Situation. McLaren hat das beste Auto. Am Anfang schien Norris stärker, jetzt scheint das Pendel eher in Richtung Piastri auszuschlagen. Wie bewerten Sie den Zweikampf?

Tost: Grundsätzlich hat McLaren ein Luxusproblem. Sie haben das beste Auto, zwei sehr gute Piloten und ihr einziges Ziel ist, die Konstrukteurs-WM zu gewinnen. Deshalb werden sie beide bis zu einem gewissen Punkt gegeneinander fahren lassen. Ich denke, Piastri wird sich durchsetzen. Er hat einen enormen Grundspeed wie auch Norris, ist aber mental wesentlich stärker einzuschätzen als Norris. Piastri hat in diesem Jahr deshalb eine Riesenchance, die WM zu gewinnen.

SPORT1: Sie sagen, ein Superfahrer kann sich schnell an neue Autos und Teams anpassen. Was ist bei Lewis Hamilton und Ferrari los?

Tost: Ja, ein Superfahrer muss in der Lage sein, sich schnell anzupassen. Bloß: Der Ferrari ist momentan zwei bis drei Zehntel zu langsam. Hamilton zeigte beim Sprint in China, zu was er fähig ist, wenn alles passt. Er lernt jeden Tag mehr mit dem Auto.

Leclerc? „Dann muss er Hamilton schlagen“

SPORT1: Hamiltons Teamkollege ist das wesentlich jüngere Ferrari-Ziehkind Charles Leclerc. Wer wird am Ende die Nase vorn haben?

Tost: Leclerc gilt als Supertalent und man denkt, eigentlich muss er um den Titel fahren. Das hat er in der Vergangenheit auch schon mit Wahnsinnsrennen bewiesen, aber dann ist er plötzlich wieder im Nirgendwo. Er muss konstanter werden. Fest steht: Wenn er Rennen gewinnen will und die WM, dann muss er Hamilton schlagen. Denn, ohne Hamilton abzuwerten: Leclerc kennt das Team und der Altersunterschied ist auch sein Vorteil. Gewinnt Hamilton das Duell, hat Leclerc an Ansehen verloren. Das Gleiche gilt für Norris, wenn er gegen Piastri bei McLaren verliert.

SPORT1: Darf denn Hamilton gegen Leclerc verlieren?

Tost: Verlieren darfst du nie! Aber es gibt den Altersunterschied. Leclerc muss deshalb gewinnen.

SPORT1: Kann man Hamiltons Wechsel zu Ferrari im hohen Alter mit Michael Schumachers Comeback 2010 mit Mercedes vergleichen?

Tost: Michaels Comeback war total sinnlos. Bei einem Abendessen habe ich mit Michael kurz vor seiner Rückkehr darüber auch diskutiert. Ich sagte ihm: Deine Zeit ist vorbei. Folgender Dialog ist entstanden. Ich fragte ihn: „Was erwartest du?“ Er sagte: „Ich will Rennen gewinnen und wieder Weltmeister werden.“ Ich: „Das kannst du vergessen. Heute ist die Formel 1 eine ganz andere. Als du Ferrari verlassen hast, konntet ihr noch willenlos testen. Ihr habt mit Bridgestone einen eigenen Reifenhersteller gehabt, der alles für euch getan hat. Hattest du beispielsweise Untersteuern, hast du so lange einen Reifen getestet, bis das Problem gelöst war. Heute habt ihr Einheitsreifen und nur sieben Testtage, davon nur die Hälfte für dich, der Rest für Rosberg. Vergiss es. Aber das Entscheidende: Deine direkten Konkurrenten sind zwanzig Jahre jünger als du. Gerade in der Formel 1 läuft ab einem bestimmten Alter der Film zu schnell ab. Dann ist es vorbei.“ Er hat es ohne Grollen akzeptiert.

SPORT1: Wenn Sie als Teamchef die freie Auswahl hätten: Welche beiden Fahrer würden Sie wählen? Einmal von den aktuellen, zweitens aus allen Epochen der Formel 1.

Tost: Von den aktuellen: Max Verstappen und Oscar Piastri. Von allen zusammen: Ich würde immer Max nehmen. Also Max Verstappen und Michael Schumacher.