Oscar Piastri drängt Max Verstappen in Saudi-Arabien von der Strecke – und bekommt keine Strafe. Stattdessen bekommt der Red Bull-Star fünf Sekunden aufgebrummt – fürs Abkürzen und einen dadurch erschlichenen Vorteil. Das Problem: Die Regeln hinter diesen Urteilen existieren – aber niemand soll sie genau kennen.
Neue F1-Regeln: Das gilt jetzt!
Strafen-Wirrwarr: Was steckt dahinter?
In Miami geht es am Rande des GP an diesem Wochenende nicht nur um den WM-Kampf, sondern auch um ein Grundsatzproblem: In der Formel 1 gelten neue Richtlinien für Zweikämpfe – beschlossen nach dem Großen Preis von Mexiko 2024. Damals kam es bereits in Austin im Duell zwischen Max Verstappen und Lando Norris zu Unklarheiten bei der Regelauslegung.
In Mexiko setzte sich das Spielchen im Zweikampf der beiden fort. Verstappen musste 20 (!) Strafsekunden absitzen, unter anderem weil er Norris auf der Außenbahn keinen Platz gelassen und den McLaren-Star in die Wiese geschickt hatte. Deshalb einigten sich die Piloten und die FIA vor dem Rennen in Katar auf neue Richtlinien im Zweikampf.
Das Problem: Kommuniziert wurden diese neuen Vereinbarungen nicht. Und das soll auch so bleiben.
Ein FIA-Sprecher bestätigt bei SPORT1: „Ja, es gibt neue Leitlinien. Aber unglücklicherweise wurde beschlossen, dass sie nicht veröffentlicht werden.“ Für die Entscheidung im Fall Verstappen gegen Piastri bedeutet das: Laut den neuen Maßstäben hat Piastri korrekt gehandelt. Trotzdem bleibt vieles undurchsichtig.
Darum kam Piastri ohne Strafe davon
So viel lässt die FIA durchblicken: Laut dem neuen System gehört die Kurve dem Fahrer auf der Innenspur, wenn sein Vorderrad auf Höhe des Außenspiegels des Verteidigers ist – und zwar am Scheitelpunkt. Piastri hatte diese Bedingung erfüllt. Verstappen, so die FIA auf Nachfrage, hätte die Kurve ohnehin nicht geschafft, selbst wenn ihm mehr Platz geblieben wäre.
Kritik: Formel 1 muss nachvollziehbar bleiben
Also: Strafe für Verstappen, keine Strafe für Piastri – aber auch keine echte Transparenz für den Rest der Formel-1-Welt.
Selbst Red Bull-Teamchef Christian Horner äußerte Zweifel an den Entscheidungen der Rennleitung, argumentierte sogar mit ausgedruckten Fotos von Onboardaufnahmen, dass Verstappen im Scheitelpunkt vorne gewesen sei. Dabei spielte das gar keine Rolle. Allein: Horner schien das nicht bewusst gewesen zu sein. Ein Red Bull-Insider: „Es gibt wohl neue Regeln, aber die kennt keiner so richtig und auch die sind Auslegungssache.“
Eine Konfusion, die zeigt: Ohne transparente Regeln wird die Formel 1 zur Blackbox – und öffnet Tür und Tor für endlose Diskussionen.
Formel-1-Regeln im Zweikampf: Was genau gilt jetzt?
SPORT1 hat versucht, dem Regel-Rätsel auf die Spur zu kommen. Das Ergebnis:
Attacke auf Außenspur: Vorderräder im Scheitelpunkt auf gleicher Höhe = Verteidiger auf Innenbahn muss außen genügend Platz lassen.
Attacke auf Innenspur (wie in Saudi-Arabien): Vorderrad mindestens auf Spiegelhöhe = Kurve gehört dem Angreifer (hier Piastri), der den verteidigenden Fahrer auf der Außenbahn von der Strecke drängen darf; allerdings nur, wenn er selbst die Kurve schafft. Der Grundsatz, immer eine Wagenbreite Platz auf der Außenbahn zu lassen, gilt demnach nicht mehr.
Kleiner Haken: Laut Appendix L des Sportlichen Reglements ist es eigentlich verboten, einen Rivalen von der Fahrbahn zu drängen. Ein Paragraph, der den neuen Vereinbarungen je nach Auslegung durchaus widersprechen kann, aber weiter gilt.