Lange Zeit sah es so aus, als könnte Tokio-Olympiasieger Florian Wellbrock seinen Titel im Freiwasser über zehn Kilometer erfolgreich verteidigen. Der 26-Jährige lieferte sich mit dem späteren Sieger Kristof Rasovszky ein umkämpftes Rennen an der Spitze und führte phasenweise das Feld an.
Ein rätselhaftes Fiasko
Doch gegen Ende des Rennens ging Wellbrock in der Seine zunehmend die Puste aus. In der finalen Runde musste der gebürtige Bremer die Spitzengruppe ziehen lassen und fiel zurück. Am Ende erreichte er mit einem Rückstand von etwas mehr als einer Minute als Achter das Ziel.
„Es ist schwer einzuschätzen, woran es lag. Aber die Bedingungen sind bei so einem Rennen gegen die Strömung nicht gut für einen puren Stilisten wie ihn“, erklärte Triathlon-Olympiasieger und ZDF-Experte Jan Frodeno über Wellbrock.
Während Oliver Klemet im Freiwasser überraschend Silber gewann, ist das Wellbrock-Debakel bei den Sommerspielen in Paris perfekt. Nach Gold und Bronze in Tokio 2021 muss der sechsmalige Weltmeister dieses Mal ohne eine einzige Medaille die Heimreise antreten.
Olympia: Wellbrock gibt keine Interviews
Dazu wollte Wellbrock am Freitagmorgen keine Stellungnahme abgeben. Im Anschluss an seinen finalen Auftritt in Paris verschwand er ganz schnell im Athletenzelt und blieb auch der Siegerehrung von Klemet fern.
„Ich gehe davon aus, dass er nicht zufrieden ist. Aber das muss er beantworten“, erklärte Klemet im ZDF über seinen Trainingspartner. Moderator Jochen Breyer fügte an: „Wir hoffen, dass er das alles, was er hier erlebt hat, gut verarbeiten kann. Dass er heute kein Interview geben wollte, dafür haben wir natürlich vollstes Verständnis in der Situation. Das ist sicherlich nicht leicht.“
Schon am vergangenen Wochenende war Wellbrock nach seinen schwachen Leistungen im Becken ohne einen Kommentar von dannen gezogen. In der La Defense Arena hatte er die größte Enttäuschung seiner Karriere erlebt, als er über 800 Meter und 1500 Meter jeweils im Vorlauf ausgeschieden war - speziell sein Aus über 1500 Meter, bei dem er mit rätselhaften technischen Schwierigkeiten kämpfte, hinterließ bei Trainer Bernd Berkhahn Rat- und Fassungslosigkeit.
Ratlosigkeit nach schwachem Abschneiden
„Das passt alles nicht zusammen, das kriege ich nicht zusammen“, konnte sich er Erfolgscoach nur wundern. „Dieses Rennen wird bei ihm Spuren hinterlassen“, ahnte der frühere Weltklasse-Schwimmer Christian Keller im ZDF.
Im Freiwasser verpasste Wellbrock die Medaille nicht so sang- und klanglos, trotzdem bleibt unterm Strich eine enttäuschende Null-Ausbeute, die für den deutschen Vorzeigeschwimmer der vergangenen Jahre so nicht zu erwarten war.
Versöhnlicher Abschluss bleibt diesmal aus
Wie nah Triumph und Tragödie auf den längeren Schwimmdistanzen beieinander liegen können, hat Wellbrock nicht zum ersten Mal zu spüren bekommen.
Bei der WM vor einem Jahr in Japan lief es nach dem Doppeltriumph im Freiwasser auf beiden Strecken im Becken überhaupt nicht mehr, „das ganze System Florian Wellbrock“ sei „von heute auf morgen gekippt“, sagte er nachher. Bei der Katar-WM im Februar schwamm er im kalten Meer hinterher, schied über 800 m im Vorlauf aus, meldete sich dann nach einem Reset aber mit WM-Silber über 1500 m zurück.
„Die wichtigste Erfahrung war für mich persönlich mit Sicherheit, dass ich die negativen Ergebnisse gut wegstecken konnte und mit der Silbermedaille einen guten Abschluss der WM gefunden habe“, blickte Wellbrock im SPORT1-Interview vor Olympia auf den Rückschlag bei der WM zurück.
Diesmal blieb der versöhnliche Abschluss aus.