Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft steht im Halbfinale der Olympischen Spiele. Auch mit einem Tag Abstand nach dem Viertelfinalsieg gegen Griechenland klingt das immer noch ein bisschen unwirklich.

Nicht, dass es der Mannschaft um Kapitän Dennis Schröder nicht zuzutrauen war. Dieses eingespielte Erfolgsteam nach dem Weltmeistertitel im vergangenen Jahr zu unterschätzen, wäre schlichtweg töricht gewesen. Der eine oder andere Buchmacher in den USA brachte es vor Turnierstart dennoch fertig, die Deutschen bei seinen Olympia-Quoten um Platz sechs herum einzusortieren.

Eine Jahrhundertchance

Aber, und das gehört auch zur Wahrheit dazu: Olympische Spiele sind durch das kleinere Teilnehmerfeld, die größere Aufmerksamkeit und die absolute Priorität bei wirklich allen Teilnehmernationen nochmal eine andere Herausforderung als eine WM - und bisher stand für Deutschland ein siebter Platz in Barcelona 1992 als bestes Ergebnis zu Buche.

2024 aber scheint es, als wäre tatsächlich - Zitat US-Coach Steve Kerr - „das goldene Zeitalter für Deutschland“ gekommen. Die Beispiele der argentinischen Olympiasieger von 2004 oder der legendären spanischen Teams mit den Gasol-Brüdern, die Kerr als Vergleich heranzog, zeigen aber auch die Vergänglichkeit einer solchen Ära.

Gut möglich, dass sich dem deutschen Basketball gerade eine Jahrhundertchance bietet, die so schnell nicht wiederkommt. Trainer Gordon Herbert wechselt zum FC Bayern, auch Franz Wagners neuer Mega-Vertrag und die Ambitionen der Orlando Magic, bei denen auch Bruder Moritz spielt, könnten Auswirkungen auf die Verfügbarkeit fürs Nationalteam haben. Wie die DBB-Auswahl im nächsten Jahr aussieht, ist nicht nur deshalb schwer vorherzusehen.

Vor nicht allzu langer Zeit noch unvorstellbar

Insofern könnte es kein besseres Finale furioso für diesen verschworenen Haufen geben als eine olympische Medaille. Dass Halbfinalgegner Frankreich schlagbar ist, hat das deutsche Team schon in der Gruppenphase bewiesen - auch wenn sich die Franzosen im Viertelfinale gegen Kanada deutlich verbessert präsentierten.

Ob es dann in einem potenziellen Finale erneut zum ganz großen Coup wie bei der WM reichen würde, wäre fast schon zweitrangig: Allein ein Olympia-Finale im Basketball mit deutscher Beteiligung, das war vor nicht allzu langer Zeit unvorstellbar. So unvorstellbar, dass die Sportart Basketball - und damit auch die derzeit ebenfalls so erfolgreiche Frauen-Nationalmannschaft und die bereits mit Olympia-Gold dekorierten 3x3-Basketballerinnen - noch 2021 bei einer Potenzialanalyse in Deutschland auf dem letzten Platz von 26 olympischen Sommersportarten landeten.

Teamgeist schlägt Individualismus

Ein Olympia-Endspiel, womöglich gegen die Basketball-Giganten aus den USA, wäre ein monumentales nationales Ereignis, ähnlich dem Eishockey-Finale bei den Winterspielen 2018 in Pyeongchang. Und ohne die Silber-Sensation der Kufencracks schmälern zu wollen eine noch höher zu bewertende Leistung, weil tatsächlich die größten Stars der Sportart mit am Start sind.

Gerade deshalb wäre jeder weitere Sieg auch eine Bestätigung des deutschen Weges, über Jahre hinweg eine funktionierende, eingespielte Mannschaft aufzubauen, die sich ganz im eigentlichen Sinne eines Mannschaftssports nicht über ihre besten Individualisten, sondern über das Zusammenspiel aller Spieler, Trainer und Betreuer definiert - und allein damit vielen ihrer Gegner etwas voraus hat.

Im Zeitalter von Social Media und dem damit einhergehenden Personenkult gerät der Teamgedanke ja gerne einmal in Vergessenheit. Diesen auf eindrucksvolle Art und Weise vorgelebt zu haben, ist vielleicht trotz des WM-Titels und einer möglichen Olympia-Medaille schon jetzt das größte Vermächtnis dieser ganz besonderen deutschen Basketball-Mannschaft.