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Deutsche Paralympics-Hoffnung: "Ich glaube, dass ich von Ehrgeiz zerfressen bin"

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Deutsche Paralympics-Hoffnung: "Ich glaube, dass ich von Ehrgeiz zerfressen bin"

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„Ich bin ein ganz schlechter Verlierer“

Der deutsche Tischtennisstar Thomas Schmidberger gilt als heißer Gold-Kandidat bei den bevorstehenden Paralympics. SPORT1 hat mit ihm vorab über das große Event in Paris gesprochen.
Thomas Schmidberger gehört zu den Favoriten bei den Paralympics
Thomas Schmidberger gehört zu den Favoriten bei den Paralympics
© IMAGO/Beautiful Sports
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Tobias Wiltschek
Tobias Wiltschek
Der deutsche Tischtennisstar Thomas Schmidberger gilt als heißer Gold-Kandidat bei den bevorstehenden Paralympics. SPORT1 hat mit ihm vorab über das große Event in Paris gesprochen.

Nach den Olympischen Spielen steht mit den Paralympics der Behindertensportler das zweite große internationale Sportfest innerhalb von sechs Wochen in Paris an. Tom Schmidberger gilt dort als große deutsche Medaillenhoffnung. Der Tischtennisspieler ist einer der Goldfavoriten und gehört zur absoluten Weltspitze in seinem Sport.

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Seit ein Auto ihn im Kindesalter angefahren hat, sitzt Schmidberger wegen einer Querschnittslähmung im Rollstuhl. Dennoch entwickelte er eine große Leidenschaft für den Sport, in dem der 32-Jährige nun schon seit über einem Jahrzehnt zu den Besten der Welt gehört.

Nach etlichen ersten Plätzen bei Welt- und Europameisterschaften fehlt nur noch eine Goldmedaille bei den Paralympischen Spielen. SPORT1 hat kurz vor dem Start der Paralympics in Paris mit dem Tischtennis-Star gesprochen.

SPORT1: Herr Schmidberger, wie groß ist Ihre Vorfreude auf die Paralympics, die in wenigen Tagen beginnen?

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Thomas Schmidberger: Die Vorfreude ist natürlich riesig. Wir haben ewig darauf hintrainiert und freuen uns auch wieder, nicht vor leeren Rängen zu spielen wie noch in Tokio, sondern in gefüllten Hallen. Das ist einfach noch einmal etwas ganz anderes.

Schmidberger verpasst wohl Eröffnungsfeier

SPORT1: Wie schon bei den Olympischen Spielen soll es auch bei den Paralympics eine einzigartige Eröffnungsfeier geben. Auf was freuen Sie sich am meisten?

Schmidberger: Ich werde wahrscheinlich an der Eröffnungsfeier nicht teilnehmen können, weil wir direkt am Tag danach ganz früh am Morgen unser erstes Doppel haben werden. Man ist dann zu spät im Bett und durch die Belastung, wenn es sehr warm sein wird, nicht optimal vorbereitet und frisch. Da steht die optimale Wettkampfvorbereitung im Vordergrund.

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SPORT1: Sie haben bislang fünf Silbermedaillen und eine Bronzemedaille bei Paralympics gewonnen. Wie groß ist die Sehnsucht nach Gold?

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Schmidberger: Die ist glaube ich, wie bei jedem Sportler, extrem groß. Wenn man schon fast alles gewonnen hat, was es gibt, außer die eine Sache, dann will man natürlich alles geben, um dieses Ziel auch noch verwirklichen zu können.

SPORT1: Sehen Sie sich denn als einen der Favoriten auf die Goldmedaille?

Schmidberger: Das ist bei den Paralympics immer schwer zu sagen. Ich bin im Einzel an zwei gesetzt, wir sind im Doppel an zwei gesetzt. Ich glaube allein dadurch ist man natürlich irgendwie in diesem Favoriten-Kreis mit drin. Die Paralympics sind so eine besondere Veranstaltung, da kann so viel passieren, da muss am richtigen Tag so viel zusammenspielen und stimmen. Es spielen so viele Faktoren eine Rolle, die an dem Tag stimmen müssen, da kann man nicht sagen, der ist jetzt Favorit auf Gold.

Schmidberger: „Das Niveau steigt jedes Jahr“

SPORT1: Sie gehören seit den Paralympics 2012 zu besten Tischtennisspielern. Wie schafft man es, sich so lange in der Weltspitze zu halten und welche Entbehrungen bringt so ein Leben mit sich?

Schmidberger: Das Wichtigste ist mit Sicherheit Disziplin und Verzicht. Es ist ja kein Geheimnis, dass man als Sportler nicht unbedingt trinken, rauchen und Fastfood essen sollte. Ich bin Sportler, mein Körper ist mein Kapital. Gerade als ich noch jünger war, war das natürlich schwer. Die Leute sind immer Feiern gegangen und haben dann am Montag von ihren Disco-Eskapaden erzählt, und ich war auf Lehrgang und war mehr oder weniger außen vor.

Wenn dann aber die ersten Erfolge kommen, dann weiß man, wofür man es tut. Das macht dann ein Stück weit auch süchtig. Man ist dann bereit, für die schönen Momente und Erfolge auf gewisse Dinge zu verzichten, um weiterhin erfolgreich sein zu können.

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Was allerdings noch viel wichtiger ist, ist das Umfeld, die Unterstützung der Familie, der Freunde. In der Vorbereitung ist es nicht so leicht, man hat wenig Zeit, man ist viel unterwegs, da gehört ein gewisses Verständnis des Umfeldes dazu. Das Niveau steigt jedes Jahr, und wenn man da nicht mitzieht, dann ist man auch ganz schnell weg vom Fenster. Das will ich auf jeden Fall vermeiden.

„Ich bin ein ganz schlechter Verlierer“

SPORT1: Worauf kommt es beim Para-Tischtennis am meisten an?

Schmidberger: Ich würde sagen, Tischtennis ist zu 50 Prozent Kopfsport. Du musst mental einfach unglaublich fit sein. Aber man muss auch wie in jeder anderen Sportart körperlich fit sein, athletisch sein. Im Tischtennis braucht man gutes Reaktionsvermögen, Kreativität, man muss das Spiel des Gegners gut lesen und antizipieren können.

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SPORT1: Was sind Ihre größten Stärken?

Schmidberger: Ich bin generell ein Turnier-Mensch. Mir gelingt es immer ganz gut, beim Turnier noch einmal einen drauf zu legen. Ich glaube, dass ich von Ehrgeiz zerfressen bin. Ich bin ein ganz schlechter Verlierer. Wenn ich verliere, bin ich sofort jemand, der alles hinterfragt und sofort wissen muss, woran es gelegen hat. Ich habe nach den beiden verlorenen Finals der Paralympics in Tokio im Flieger zurück nach Deutschland schon die Videos angeschaut, analysiert und mit meinen Trainern besprochen, was wir jetzt anders machen müssen. Verlieren ist etwas, das liegt mir nicht.

SPORT1: Bei den Olympischen Spielen sorgten Malaika Mihambo und Noah Lyles für Aufregung, weil sie geschwächt von einer Corona-Erkrankung beziehungsweise mit einer Corona-Infektion an den Start gingen. Was haben Sie sich dabei gedacht und fürchten Sie, dass Corona auch bei den Paralympics ein Thema wird?

Schmidberger: Jeder ist immer für sich selbst verantwortlich und macht das, was man selbst für am besten und vernünftigsten hält. Speziell in der Vorbereitung, um sich nichts einzufangen und sich nicht zu verletzen. Bei den beiden war die Situation ein bisschen unterschiedlich. Noah Lyles ist in Paris an Corona erkrankt und Malaika Mihambo hatte die Erkrankung zwei, drei Monate vorher und war dadurch geschwächt.

Natürlich hat man da ein bisschen ein Auge drauf und macht davor ein bisschen langsamer, gerade wenn man noch zuhause ist. Aber ich habe ehrlich gesagt nicht die große Angst. Ich mach das, was ich immer mache, und gehe mit gesundem Menschenverstand an die Sache heran. Wenn man sich bei irgendetwas nicht gut fühlt, lässt man das. Man hat es im Hinterkopf, aber es ist nicht so, dass wir uns den ganzen Tag Gedanken darüber machen, was mit Covid eventuell nochmal passieren könnte.

Schmidberger über Boll: „Er ist eine Ikone“

SPORT1: Wie sehen Sie die Entwicklung des Para-Sports in Deutschland und weltweit?

Schmidberger: Ich kann das ganze seit 2010 enger betrachten. Grundsätzlich gibt es eine Entwicklung, das muss man ganz klar sagen. Mit Sicherheit nicht in allen Punkten und Bereichen hundert Prozent ideal und auch hoffentlich noch nicht abgeschlossen, aber die Tendenz geht nach oben, obwohl die Kurve gerne noch ein bisschen steiler sein dürfte. Aber grundsätzlich geht das in eine brauchbare Richtung.

SPORT1: Bei Olympia hat Timo Boll seine Karriere beendet. Sie kennen sich sicherlich von Borussia Düsseldorf. Wie groß war sein Anteil an Ihrer Karriere?

Schmidberger: Ich glaube, dass es in Deutschland keinen Tischtennisspieler gibt, bei dem Timo Boll keinen Anteil an der Karriere hat. Er hat in Deutschland den Sport groß gemacht und hat den Sport gelebt und praktiziert wie kein Zweiter. Das hat mit Sicherheit jeden, der in Deutschland Tischtennis spielt, auf irgendeine Art und Weise beeinflusst.

SPORT1: Wie groß ist sein Vermächtnis fürs deutsche Tischtennis?

Schmidberger: Er ist eine Ikone, eine absolute Größe, hat aber trotzdem nie diese menschliche Komponente verloren, ist immer auf dem Boden geblieben. Meiner Meinung nach eine beispiellose Karriere. Und ich glaube jeder versucht, soweit es möglich ist, es irgendwie so zu machen, wie Timo es gemacht hat.

SPORT1: Können Sie sich vorstellen, ähnlich wie Timo Boll noch im Alter von 43 Jahren Tischtennis zu spielen?

Schmidberger: Ich bin jetzt 32, ob ich das noch elf Jahre mache, das weiß ich jetzt noch nicht. Das ist aber gerade auch noch ganz schwer für mich, an Rücktritt oder dergleichen zu denken. Ich bin jemand, der immer sehr selbstreflektiert ist, ich werde immer schauen, ob es noch Sinn macht, ob ich das noch machen will und das Feuer noch da ist.