In diesem Jahr findet der legendäre Radsport-Klassiker Paris-Roubaix zum ersten Mal mit Topstar Tadej Pogacar statt. Der Slowene und aktuell beste Fahrer der Welt will sich in der „Hölle des Nordens“ beweisen und zeigen, dass er auch auf den gefürchteten Kopfsteinpflastern eine Klasse für sich ist.
Spielt der Megastar mit dem Feuer?
Seine Teilnahme ist allerdings nicht ohne Risiko. Tour-de-France-Sieger haben in der jüngeren Vergangenheit meist einen großen Bogen um das harte Eintagesrennen gemacht. Zu hoch ist das Sturzrisiko – und zu groß die Gefahr, sich für die Grand Tours zu verletzen.
Doch kann der Dominator vom Team UAE Emirates-XRG in der Kopfsteinpflaster-Hölle bestehen und sogar die Spezialisten schlagen? „Jein“, sagt der frühere deutsche Radsport-Star und heutige Eurosport-Experte Jens Voigt im Gespräch mit SPORT1.
Pogacar: „Was gibt es, was er nicht kann?“
Einerseits traut Voigt dem 26-Jährigen den Triumph bei Paris-Roubaix zu: „Na klar kann er das. Er ist Pogacar. Was gibt es, was er nicht kann im Radsport?“
Allerdings gibt er auch zu bedenken: „Wir müssen jedoch sehr lange zurückschauen in die Geschichtsbücher, um jemanden zu finden, der bei der ersten Teilnahme gewonnen hat. Das gab es schon sehr lange nicht mehr.“
Für Voigt steht trotzdem fest: Pogacar geht nicht ohne große Ambitionen an den Start. „Wenn ein Fahrer wie Pogacar nicht daran glaubt, dass er mindestens Top drei fahren kann, geht er nicht an den Start. Er startet ja nicht, weil er Achter oder Zwölfter werden will“, betont er.
Der Slowene ist aktuell auf Rekordjagd: Drei der fünf sogenannten „Monumente“ – die bedeutendsten Eintagesrennen im Radsport – hat er bereits gewonnen.
Paris-Roubaix: Pogacar peilt Sieg an
Zuletzt holte er zum zweiten Mal die Flandern-Rundfahrt in Belgien. Nun will sich Pogacar auch das anspruchsvollste Monument sichern: Paris-Roubaix. 259,2 Kilometer, davon 55 auf brutalem Kopfsteinpflaster – so lautet die Herausforderung in Nordfrankreich.
„Um Roubaix zu gewinnen, muss natürlich alles zusammenlaufen“, meint Voigt. „Aber Pogacar will aufs Podium – und das kann er auch schaffen.“
Ein möglicher Nachteil für den 65 kg leichten Pogacar: Bei Paris-Roubaix ist Körpermasse oft von Vorteil, vor allem auf den vibrierenden Kopfsteinpflaster-Passagen.
Experte spricht über Sturzgefahr
Voigt sagt dazu: „Das Risiko fährt immer mit. Die Sturzgefahr ist immer da. Du hoffst einfach, dass es nur ein leichter Sturz ist.“
Pogacar sei zwar einer der leichtesten Fahrer im Peloton: „Aber wir leben inzwischen auch schon im Jahr 2025. Die werden ihm sicher ein Rad gebaut haben, das ihm passt.“
Über die Anpassung des Reifendrucks könnten etwaige Unterschiede zwischen den Fahrer ausgeglichen werden, merkt Voigt an.
„Pogacar kann mit weniger Druck fahren als ein Fahrer, der 85 kg wiegt. Dann haben beide die gleiche Bodenhaftung und die gleiche Reifenhaltung“, führt der Experte aus. „Da sehe ich durch die modernen Materialien keinen Nachteil mehr.“
„No risk, no fun“: Pogacar gibt alles
Eine besonders hohe Gefahr, dass Pogacar stürzt und damit womöglich eine Teilnahme bei der Tour de France in Gefahr gerät, sieht Voigt daher nicht gegeben.
„Pogacar ist ein junger, abenteuerlustiger Mensch, der sagt sich: ‘No risk, no fun. Wie lange soll ich warten?‘“
Der Slowene wisse zudem, dass er jetzt in der Form sei, das Rennen zu gewinnen. „Für mich macht das absolut Sinn, wie er es vorhat“, so Voigt.
Ob Pogacar am Ende alle Monumente gewinnen kann? „Das ist reine Spekulation, aber ich habe den Eindruck, dass Tadej Pogacar jedes Rennen auf dem Kalender gewinnen möchte“, stellt der 53-Jährige klar.
Voigt äußert interessante Vermutung
Natürlich bleibe die Tour de France das wichtigste Rennen, so Voigt weiter. „Aber ich glaube, sein heimlicher Fokus liegt auf der Vuelta. Die hat er nämlich auch noch nicht gewonnen. Pogacar konzentriert sich auf die Rennen, die ihm in seiner Sammlung noch fehlen.“
Bevor im Juli die Tour und im August die Vuelta startet, schaut die Radsportwelt am Sonntag nun aber gespannt auf den Norden Frankreichs.
Die letzten beiden Ausgaben von Paris-Roubaix gewann Mathieu van der Poel (Alpecin-Deceuninck). Auch sein Teamkollege Jasper Philipsen, der 2024 Zweiter wurde, zählt laut Voigt erneut zum Favoritenkreis.
Der Ex-Profi ergänzt: „Dann sind da noch die beiden großen, kräftigen Fahrer: Mads Petersen und Filippo Ganna. Paris-Roubaix ist flach, da ist das Körpergewicht fast auch ein Vorteil für die zwei.“
Und sollte tatsächlich Pogacar bei der „Königin der Klassiker“ triumphieren, dann würde ihm in seiner beeindruckenden Titel-Sammlung von den Monumenten nur noch Mailand-Sanremo fehlen.