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Bei Olympia wurde der Gipfel der Respektlosigkeit erreicht

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Ihr Lebenstraum blieb unerfüllt

Franziska van Almsick zählt zu den größten deutschen Schwimm-Legenden. Die Berlinerin wird im Teenageralter zum Star und muss sich in einer Welt zurechtfinden, in der Heroisierung und Anfeindung oft nahe beieinander liegen.
Franziska van Almsick spricht im SPORT1-Interview über ihre Bekanntschaft mit Barcelona-Trainer Hansi Flick. Dabei lobt sie ihn in den höchsten Tönen - sportlich wie menschlich.
Franziska van Almsick zählt zu den größten deutschen Schwimm-Legenden. Die Berlinerin wird im Teenageralter zum Star und muss sich in einer Welt zurechtfinden, in der Heroisierung und Anfeindung oft nahe beieinander liegen.

Kometenhaft ist als Beschreibung für den Aufstieg von Franziska van Almsick noch untertrieben. Bereits im Alter von 14 Jahren wurde sie zum Star. Die deutsche Schwimm-Ikone gewann bei den Olympischen Spielen 1992 zweimal Silber und zweimal Bronze und entwickelte einen Bekanntheitsgrad, der vergleichbar mit dem eines Popstars war.

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Es folgten fünf Goldmedaillen bei der EM 1993 und ein Weltmeistertitel bei der WM 1994. Die gebürtige Berlinerin entwickelte sich zum ersten gesamtdeutschen Sportstar nach der deutschen Wiedervereinigung und konnte sich vor Medienanfragen kaum mehr retten.

Die Rede ist hierbei aber keineswegs ausschließlich von Sportpublikationen, sondern ebenso von der Bravo oder der Maxim. Zwar lehnte der Schwimm-Shootingstar ein Angebot des Playboy ab, jedoch wurde van Almsick trotzdem zur Projektionsfläche und Modefigur schlechthin.

Bilderstrecken im Badeanzug und in Unterwäsche ließen sich eben auch in Hochzeiten des Printjournalismus besser verkaufen als Ergebnisse schwarz auf weiß.

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Enttäuschung trotz Sensations-Silber: „Es war ein Wimpernschlag“

Wie schwierig es für die damals junge Sportlerin war, sich in der ihr zugeschriebenen Rolle zurechtzufinden, wird auch in der dreiteiligen ARD-Doku „Being Franziska van Almsick“ deutlich.

In dieser verriet van Almsick unter anderem, wie sie ihr Sensations-Silber bei den Olympischen Spielen wirklich empfunden hat. So groß der Jubel um den Teenager war, so schmerzhaft war die so knapp verpasste Goldmedaille für sie selbst.

„Je älter ich werde, und je öfter ich mir dieses Rennen angucke, desto mehr ärgere ich mich, dass es eigentlich eine Fingerkuppe war oder ein Fingernagel. Oder es war ein Wimpernschlag. Oder wie immer man das nennt“, schilderte die heute 47-Jährige 33 Jahre nach dem furiosen Rennen.

Trotz der Wahnsinnsausbeute von vier Medaillen blieb eben ein kleiner Wermutstropfen. „Das war nie das, was ich wollte. Ich wollte immer nur Olympiasiegerin werden“, verdeutlichte sie ihren Lebenstraum.

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Zwar hätte man meinen können, dass es mit der ersehnten Goldmedaille früher oder später klappen müsste, jedoch blieb die Karriere von van Almsick letztlich unvollendet. Bei den Olympischen Spielen 1996, 2000 und 2004 kamen zwar insgesamt noch sechs Medaillen hinzu, aber nur eine davon in einer Einzeldisziplin.

Van Almsick über ihre Rolle in den Medien: „Vielleicht ein bisschen abartig“

Van Almsick scheiterte diesbezüglich aber wohl nicht nur an ihrer eigenen Erwartungshaltung, sondern auch am enormen Rummel um ihre Person, der sich häufig mehr um ihr Äußeres als um sportliche Leistungen drehte.

„Ich find ziemlich gut, dass man mich attraktiv findet. Aber – ich sag mal so – als Sexsymbol find ich’s vielleicht ein bisschen abartig", kommentierte sie ihre zugeschriebene Rolle. Zu Gast bei Harald Schmidt fragte dieser unter anderem: „Kennst du zufällig das Buch ‚Lolita‘?“

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Zwar spielte van Almsick das Spiel mit den Medien mit und gewährte zahlreiche Einblicke ins Private und verdiente durch Werbeverträge enorm viel Geld, jedoch sagte selbst ihre damalige Beraterin, Regine Eichhorn, dass das „manchmal auch grenzüberschreitend“ gewesen sei.

Van Almsick kämpft gegen Essstörung: Eklat in Sydney 2000

Dies gilt vor allem für die toxischen Geschehnisse bei den Olympischen Spielen von Sydney 2000. Hier geriet der Körper der Schwimmerin ins Zentrum der Berichterstattung und der Gipfel der Respektlosigkeiten wurde erreicht. War sie zuvor noch der umjubelte Star, hagelte es nun fiese Bemerkungen. „Franzi van Speck. Als Molch holt man kein Gold“, titelte Chefredakteur Franz Josef Wagner in der B.Z. „Ich war wirklich, wirklich verletzt“, offenbarte van Almsick nun in der Doku.

Was aber erst später bekannt wurde, ist, dass van Almsick mit einer Essstörung zu kämpfen hatte. „Es wusste ja niemand, dass ich mich gerade aus einer Essstörung herausgearbeitet hatte“, berichtete sie.

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Diese sei im Jahr 1996 aufgrund des unmenschlichen Drucks, der Dauerbeobachtung und eins fremdbestimmten Lebens entstanden. „Ich war in einem Hamsterrad, in dem mir permanent gesagt wurde, was ich zu tun und zu lassen habe. Das Einzige, was ich am Ende selbst entscheiden konnte, war, ob ich esse oder nicht esse. Und ich habe einfach aufgehört zu essen“, erinnerte sie sich.

Im Jahr 1998 entschied sie sich für eine Therapie. „Ich wusste: Ich brauche jemanden, der mir wieder beibringt, wie man anständig isst“, argumentierte sie. Umso heftiger sind die Worte, die sie sich 2000 in Sydney gefallen lassen musste.

Van Almsick trumpft bei Heim-EM ein letztes Mal richtig auf

Nur zwei Jahre nach den denkwürdigen Geschehnissen von Sydney schlug van Almsick jedoch bemerkenswert zurück. Bei der Heim-EM in Berlin war der Local Hero kaum zu stoppen und gewann fünf Goldmedaillen. Es folgte die Auszeichnung zur Sportlerin des Jahres.

Zwei Jahre später beendete sie nach den mäßig erfolgreich verlaufenden Olympischen Spielen von Athen ihre Karriere. „Ich bin froh, wenn das Rennen vorüber ist. Am liebsten würde ich schon heute nach Hause fahren“, hatte sie noch vor Beginn der Spiele erklärt.

Ein Statement, das nur zu gut zeigt, wie all die Jahre an van Almsick gezehrt haben.

Doch selbst das Karriereende konnte nicht alle Dinge wieder geraderücken. So beschäftigt sie die Essstörung noch heute. „Das ist wie ein Wecker, der anspringt und mich warnt, dass ich gerade auf keinem guten Weg bin. Also wenn ich anfange, mit dem Essen zu spinnen, dann weiß ich, dass es mir nicht gut geht. Aber das ist etwas, was immer bleibt und was immer da ist“, führte sie aus.

Van Almsick ohne Groll: „Alles ganz gut gemeistert“

Selbst wenn sie sich dieser Aufgabe weiterhin stellen muss, blickt van Almsick ohne Groll auf sich oder andere zurück. „Das war alles ganz schön viel für so ein junges Mädchen. Und trotzdem habe ich das alles ganz gut gemeistert“, verdeutlichte sie.

War van Almsick in den Jahren nach ihrem Karriereende noch häufiger im Fernsehen (u.a. als Expertin) zu sehen, schirmt sie nun ihr Privatleben ab und genießt die Zeit mit ihrem Lebensgefährten und ihren zwei Söhnen. Dies hat sie aus ihrer Zeit, in der sie im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stand, gelernt.