Es ist das Aufregerthema im Tennissport: das milde Urteil gegen Jannik Sinner. Der Weltranglistenerste hatte sich kürzlich mit der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA auf einen Vergleich geeinigt und einer dreimonatigen Dopingsperre zugestimmt. Der Italiener wurde im vergangenen März positiv auf die verbotene Substanz Clostebol getestet.
Sinner-Urteil empört Kollegen
Nach Meinung des Briten Liam Broady wurde die Sperre so gewählt, dass die Karriere des 23-Jährigen „so wenig wie möglich“ beeinträchtigt wird. Vom 9. Februar bis zum 4. Mai ist Sinner gesperrt, die French Open beginnen nur gut zwei Wochen später.
„Ich denke, dass der Zeitpunkt der Sperre gut gewählt wurde, um Janniks Karriere so wenig wie möglich zu beeinträchtigen“, erklärte Broady gegenüber BBC Sport. „Die Sperre endet am Tag vor dem Rome Masters, dem größten Turnier in seinem Heimatland, und ist die perfekte Vorbereitung für ihn, um dann die French Open zu spielen.“
Und weiter: „Ich glaube nicht, dass er irgendwelche Punkte (in der Weltrangliste, Anm.) oder seinen Platz als Nummer eins verliert, also ist es eine interessante Sperre.“
„Wie wenn ein Fußballer im Sommer gesperrt wird“
Der britische Tennisspieler erklärte zudem: „Ich habe vorhin mit ein paar Leuten gesprochen und sie sagten, es sei so ähnlich wie bei einem Fußballspieler aus der Premier League, der über den Sommer gesperrt wird. Es ist eine schwierige Sache.“
Die WADA hatte im Fall Sinner ursprünglich eine zweijährige Sperre angestrebt und nach der Entscheidung der International Tennis Integrity Agency, Sinner nicht zu suspendieren, beim CAS Einspruch eingelegt. Inzwischen wurde allerdings die bereits erwähnte Einigung erzielt. So habe Sinner „nicht die Absicht gehabt, zu betrügen“.
Für Broady ein Ärgernis, so mache die milde Strafe nicht den Eindruck, als tue sie dem Italiener in irgendeiner Form weh. „Es scheint eine Bevorzugung der besseren Spieler auf der Tour zu sein“, setzte die aktuelle Nummer 766 der Welt seine Kritik fort.
Milde Strafe für Sinner dank seiner Millionen?
„Ich würde nicht sagen, dass er es absichtlich getan hat, aber wenn das einem anderen Spieler passiert wäre, würden wir dann auch so behandelt werden?“
Broady kritisiert – wie andere Spieler vor ihm – dass Sinner im Angesicht seiner Millioneneinnahmen ein schlagkräftiges Juristenteam anheuern konnte.
„Im Tennis sind wir alle so etwas wie Selbstständige, und viele von uns verdienen nicht Millionen im Jahr, um gegen diese Art von Dingen kämpfen zu können. Ich würde es gerne sehen, dass die ATP für jeden ein Rechtsteam bereitstellt, ein gutes Rechtsteam, das jeder nutzen muss.“
Kritik von Medvedev und Djokovic
Zuvor hatte sich unter anderem Daniil Medvedev geäußert und das Sinner-Urteil als „schlechtes Zeichen“ tituliert, weil andere Spieler nicht die Chance auf einen derartig starken Rechtsbeistand hätten.
Superstar Novak Djokovic sagte derweil im Rahmen der Qatar Open in Doha: „Die Mehrheit der Spieler empfindet es nicht als fair. Die Mehrheit der Spieler hat das Gefühl, dass es eine Bevorzugung gibt. Es hat den Anschein, dass man das Ergebnis fast beeinflussen kann, wenn man ein Spitzenspieler ist, wenn man Zugang zu den besten Anwälten hat.“
So sei es nun „an der Zeit, das System zu überdenken, denn es ist offensichtlich, dass das System und die Struktur der Anti-Doping-Bestimmungen nicht funktionieren. Es ist inkonsequent und es scheint sehr unfair zu sein.“