Als zweifache Familienväter haben Kevin Krawietz und Tim Pütz auch privat viel um die Ohren. Dennoch zählen sie zu den besten Doppeln der Welt, was die beiden nun auch bei den BMW Open in München unter Beweis stellten. Dort erreichte das deutsche Erfolgsdoppel sogar das Finale.
„Aus unserer Sicht natürlich kacke“
Den Titel verpassten sie nach einer 4:6, 4:6-Niederlage im Finale gegen Andre Goransson und Sem Verbeek zwar knapp, dennoch zeigt die Formkurve nach oben. Dies ist besonders bemerkenswert, da die beiden zuletzt eine sechswöchige Pause einlegten rund um die Geburt von Krawietz‘ Tochter Hannah.
Das Duo, das am Ende der vergangenen Saison mit dem Gewinn des inoffiziellen WM-Titels bei den ATP-Finals in Turin seinen größten gemeinsamen Erfolg feiern konnte, sprach im exklusiven SPORT1-Interview über die anstehenden French Open, Konkurrenz aus Deutschland und die kontroverse Revolution des Mixed-Wettbewerbs bei den US Open.
SPORT1: Herr Krawietz, Herr Pütz, mit dem Halbfinaleinzug bei den Australian Open im Januar haben Sie gezeigt, dass sie weiterhin um die ganz großen Titel mitspielen können. Danach fielen die Resultate nicht mehr ganz wie erhofft aus - wie blicken Sie auf diese Zeit?
Kevin Krawietz: Der Start des Jahres war sehr gut, mit einem Halbfinale und einem Finale. Unser Level war sehr gut. Dann hatten wir zwei, drei Matches, die wir uns anders erhofft haben, aber im Doppel geht es auch immer relativ schnell. Den Februar hätten wir uns natürlich anders gewünscht, aber danach war bei mir Babypause und es gab kaum Matches mehr. Jetzt schauen wir aber auf die Sandplatzsaison und der Hauptfokus liegt dann natürlich auf den French Open.
Titelchancen bei French Open? „Haben das Niveau“
SPORT1: Sie sprechen die Babypause an. Normalerweise verbringen Sie sehr viel Zeit zusammen. Wie ungewohnt ist es, sich dann gleich mehrere Wochen nicht so oft zu sehen?
Tim Pütz: Natürlich ist das ein bisschen ungewohnt. Aber es wäre auch übertrieben zu sagen, dass der Kevin mich übermäßig vermisst oder ich ihn (beide lachen). Wir verbringen viel Zeit miteinander im Laufe der Saison seit vielen Jahren schon und das genießen wir auch. Aber dementsprechend ist es dann auch mal okay, wenn wir beide ein bisschen Pause haben voneinander. Trotzdem haben wir uns gefreut, als wir uns dann wieder gesehen haben.
SPORT1: Die europäische Sandplatz-Saison ist in vollem Gange und das von Ihnen schon genannte Highlight nähert sich mit den French Open, wo Sie beide schon den Titel im Doppel (Krawietz mit Andreas Mies) bzw. Mixed (Pütz mit Miyu Kato) feiern konnten. Wie sehen Sie Ihre gemeinsamen Titelchancen in Paris?
Krawietz: Es ist noch weit hin. Bei einem Grand-Slam-Turnier braucht man hier und da auch mal ein Quäntchen Glück, aber ich denke, dass wir das Niveau haben. Wir haben speziell Ende des vergangenen Jahres und zum Start dieses Jahres auf einem guten Level gespielt. Da versuchen wir jetzt wieder hinzukommen. Durch die lange Pause hatten wir zuletzt nicht so viel Turnier-Rhythmus. Das versuchen wir uns jetzt zu erarbeiten mit viel Training und hoffentlich vielen Matches vor Paris.
Tennis-Talente Rehberg und Engel? „Froh, dass was nachkommt“
SPORT1: Beim Doppel-Turnier in München kam es zu einer kleinen Sensation. Die beiden Nachwuchstalente Justin Engel und Max Rehberg haben sich durch die Qualifikation gespielt und im Hauptfeld das Weltklasse-Doppel Marcel Granollers und Horacio Zeballos geschlagen. Sehen Sie da schon Konkurrenz aus der nächsten Generation auf Sie zukommen?
Pütz: Die sind ja leider fast die übernächste Generation und nicht die nächste aus unserer Perspektive (lacht). Aber es ist cool zu sehen, dass die Jungs hier erfolgreich spielen und auch in der Umkleide zu beobachten, wie die das genießen und auskosten. Hoffentlich können sie aus der Woche etwas mitnehmen, selbst wenn es für sie dann in Anführungszeichen ‚nur‘ Doppel ist. Die haben beide Einzelkarrieren, die sie hoffentlich noch viele Jahre verfolgen werden. In allererster Linie ist es sehr positiv, dass die Jungs so gut spielen, dass (Jakob) Schnaitter und (Mark) Wallner auch gut spielen. Da ist kein bisschen Konkurrenzgefühl bei uns, sondern eher das Gefühl, dass man froh ist, dass da auch was nachkommt.
SPORT1: Ein Thema, das vor einigen Wochen bei Doppelspielern weltweit für Aufruhr gesorgt hat, ist die Mixed-Revolution bei den US Open. Der Wettbewerb wird bereits eine Woche vor dem Start des eigentlichen Turniers ausgetragen, mit einem kleineren Teilnehmerfeld, was vor allem aus Einzelspielern bestehen soll und veränderten Regeln. Wie sind Ihre Gedanken dazu?
Krawietz: Wir verstehen den Grund, warum man das macht, weil man wahrscheinlich die großen Namen in der Vorwoche (der US Open) haben will und das für die Zuschauer natürlich attraktiv ist. Andererseits ist es aus unserer Sicht oder aus Doppelspieler-Sicht natürlich kacke, dass man nicht mitspielen kann. Es geht ja trotzdem um Grand-Slam-Titel, man spielt gerne Mixed und das ist ja nicht mehr gegeben. Aber das Verständnis ist schon da.
Mixed-Revolution bei US Open sorgt für Wirbel
SPORT1: Es gibt viele, unter anderem auch Laura Siegemund, die glauben, dass ein Grand Slam jetzt fast nach dem Zufallsprinzip vergeben wird aufgrund der Kürze der Matches und dem vermutlichen Fehlen einiger starker Mixed-Spieler. Wie sehen Sie das?
Pütz: Ohne das wissenschaftlich belegen zu können, glaube ich, dass das hier und da schon auch vorher so war, dass es viele unterschiedliche Sieger gab. Das liegt daran, dass das Mixed, dadurch dass man es nie spielt (außerhalb der Grand Slams, Anm. der Red.), einfach immer ein bisschen unberechenbar ist. Da gibt es kein Pärchen, das gut eingespielt ist, weil es das normalerweise nur vier Mal im Jahr gibt. Egoistisch betrachtet ist es aber blöd, dass wir nicht spielen können.
SPORT1: Was wäre denn aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Anpassung?
Pütz: Wenn das Ziel wäre, bei diesem Wettbewerb tatsächlich das beste Mixed-Team des Turniers zu finden, sollte man vermutlich auch ein paar Doppelspieler zulassen. Auf der anderen Seite kann man argumentieren, dass man die letzten paar Jahre auch nicht das beste Mixed-Paar gefunden hat, weil die Einzelspieler im Grunde nie mitgespielt haben. Von daher müsste man sich ein Format überlegen, bei dem alle mitspielen können, sowohl die Top-Einzelspieler als auch die ganzen Doppelspieler. Aber ich glaube, dass es unmöglich ist, das im jetzigen Kalender so zu lösen.
SPORT1: Haben Sie Sorge, dass die anderen Grand Slams nachziehen und eventuell zukünftig auch der Doppel-Wettbewerb betroffen sein könnte?
Pütz: Was heißt Sorge … es ist vielleicht ein bisschen im Hinterkopf. Man bekommt schon mit, dass die Überlegungen da sind und es immer wieder Turniere gibt, die sagen, dass das Doppel für sie nicht so wichtig ist und da kaum einer zuguckt. Für uns ist das natürlich doof, aber wenn wir jetzt Turnierveranstalter wären, würden wir es vielleicht ähnlich sehen. Natürlich wären wir nicht glücklich, wenn man das Doppel direkt abschaffen würde, aber das halte ich auch nicht für realistisch, dass das passiert. Von daher sind wir gespannt, was kommt und idealerweise können wir irgendwie nachvollziehen, was da entschieden wird.