Schon vor dem Finale steht fest: Valentin Vacherot hat Tennis-Geschichte geschrieben. Sein Einzug ins Endspiel der Shanghai Masters ist ebenso historisch wie sensationell.
Ein Tennis-Märchen, das seinesgleichen sucht
Ein Märchen, das seinesgleichen sucht
Als Nummer 204 (!) der Welt warf er auch den Superstar Novak Djokovic aus dem Turnier und machte damit ein nie dagewesenes Duell perfekt. Denn im Kampf um den Titel tritt er gegen Zverev-Schreck Arthur Rinderknech an - seinen Cousin.
Nie zuvor standen sich in einem ATP-Finale der Masters-Kategorie zwei Familienmitglieder gegenüber. Und nie zuvor schaffte es ein so niedrig gerankter Spieler in der Open Era überhaupt in ein Endspiel. Und einen Monegassen im finalen Spiel eines ATP-Turniers gab es auch noch nie.
„Niemand auf der Welt hätte sich das vorstellen können“
„Unsere Familien-WhatsApp-Gruppe ist in den letzten Tagen sehr aktiv“, verriet Rinderknech nach seinem Sieg über Daniil Medvedev im Halbfinale: „Es bringt die Familie wieder zusammen, zumindest online, und wir haben Spaß dabei. Alle beobachten sich gegenseitig.“
So wirklich glauben konnte der Franzose, der vor dem Turnier Platz 55 der Weltrangliste bekleidete, das irre Finalszenario immer noch nich.
„Ich glaube, selbst in unseren kühnsten Träumen hätte sich das niemand vorstellen können. Niemand auf der ganzen Welt hätte sich das vorstellen können“, sagte Rinderknech.
Es werde beim Endspiel am Sonntag „zwei Gewinner geben“.
Teilnahme am Shanghai-Masters bereits ein Wunder
Als Gewinner darf sich Underdog Vacherot tatsächlich längst fühlen.
Allein seine Teilnahme glich bereits einem Wunder. Denn auf der ursprünglichen Qualifikationsliste in Shanghai lag Vacherot 22 Plätze hinter der Cut-Liste, die ihm einem Platz im Qualifying-Draw garantierte.
Doch aufgrund zahlreicher Absagen rutschte er doch noch ins Feld und startete dort seinen unglaublichen Lauf. Dieser toppt alles bisher dagewesene - auch finanziell.
594.077 Dollar hat Vacherot bislang in seiner Karriere verdient - mit dem Einzug ins Shanghai-Finale sind ihm bereits 597.890 Dollar garantiert - mehr als er bisher je gewinnen konnte.
Wenn sich Vacherot im Finale gegen seinen Cousin durchsetzen kann, beendet er das Turnier sogar als Nummer 44 der Welt - und das, obwohl er aktuell noch außerhalb der Top 200 notiert ist.
Ein Mann für die Geschichtsbücher
Doch der 26-Jährige geht nicht zum ersten Mal in die Geschichtsbücher ein. Bereits beim Monte Carlo Masters dieses Jahres, als er als Wildcard-Teilnehmer den deutschen Topspieler Jan-Lennard Struff in zwei Sätzen besiegte, schrieb er Geschichte.
Er war der erste Monegasse seit Jean-René Lisnard, der überhaupt ein Hauptrundenmatch gewann. Und auch als Vacherot im Jahr 2022 erstmals ein Challenger-Turnier gewonnen hatte, trat er in die Fußstapfen von Lisnard.
2024 feierte Vacherot sein Grand-Slam-Debüt bei den French Open. Und zwar nicht als Wildcard-Teilnehmer, sondern als Qualifikant - und schaffte somit erster Spieler des monegassischen Tennisverbands etwas Historisches.
Dass es nun zum zweiten Duell auf Profiebene mit Rinderknech kommt, hat auch mit den familiären Wurzen des Duos zu tun. Denn Tennis wurde beiden in die Wiege gelegt.
Sportliche Ausbildung in Texas
Rinderknechs Mutter Virginie Paquet, Vacherots Tante, stand einst selbst auf Platz 208 der Weltrangliste. Sein Vater Pascal leitet einen Tennisklub in Paris. Schon Rinderknechs Großvater Pierre stand viermal auf dem Sandplatz von Roland Garros.
Und auch Vacherots Seite der Familie ist im Tennis verwurzelt. Sein Halbbruder Benjamin Balleret, der 15 Jahre älter ist, trat 2006 im Achtelfinale des Monte Carlo Masters gegen Roger Federer an.
Mit einer Bilanz von 33:24 im Davis-Cup gilt er als erfolgreichster Nationalspieler Monacos. Seit 2022 fungiert er als Trainer seines Halbbruders.
Einen Teil ihrer sportlichen Ausbildung absolvierten sowohl Vacherot als auch Rinderknech am US-College A&M University. Einer seiner damaligen Teamkollegen kann sich noch gut an Vacherots Ankunft erinnern - die zunächst keine Heldentaten erwarten ließ.
Vacherot? „Große Giraffe, die sich seltsam bewegte“
„Als er ankam, war er eine große, dünne Giraffe, die sich seltsam bewegte”, berichtete Barnaby Smith bei der L‘Equipe: „Er hatte einen guten Aufschlag, gute Schläge, aber er hat sich körperlich stark weiterentwickelt. Heute ist er ein Kraftpaket, eine Maschine!“
Und mit Selbstvertrauen sei Vacherot ebenfalls ausgestattet. Vor dem Shanghai-Turnier hatte er Smith per Textnachricht mitgeteilt: „Ich werde mich in der Shanghai-Quali versuchen, denn ein kranker Run kann jede Sekunde passieren.“
Besser als er hätte man das kaum beweisen können.