Becker gegen Zverev. Zverev gegen Becker. Derzeit vergeht kaum ein Tag, ohne dass sich die beiden deutschen Tennis-Stars öffentlich übereinander auslassen.
Zverev distanziert sich von Becker: Wie konnte es so weit kommen?
Wie konnte es so weit kommen?
Es ist wie in einem echten Match. Sobald der eine etwas über den anderen sagt, folgt unweigerlich der Gegenschlag.
Das mag zu einem wesentlichen Teil an den Professionen des Duos liegen. Hier Boris Becker, Deutschlands bester Tennisspieler der Geschichte, der seit Jahren als Experte arbeitet. Dort Alexander Zverev, derzeit die klare Nummer eins des Landes.
Becker kritisierte Zverev schon vor vier Jahren
Dass der Experte den Profi öffentlich kritisiert und der diese Kritik wiederum kontert, ist Teil des Geschäfts.
Das hat es im Fall von Becker und Zverev schon häufiger gegeben. Bereits vor fast vier Jahren hatte Becker dem gebürtigen Hamburger nach dessen Achtelfinal-Aus bei den Australian Open Passivität und mangelnden Einsatz vorgeworfen.
Und doch scheint der Zwist dieser beiden Stars mittlerweile das normale Maß überschritten zu haben. Man hat das Gefühl, als ob die gegenseitigen Kommentare die nüchtern-analytische Ebene verlassen haben und mehr und mehr ins Persönliche abdriften.
Anlass der aktuellen Kontroverse ist Beckers Einschätzung nach Zverevs Vorrunden-Aus bei den ATP Finals in Turin, wonach er dessen Niederlage gegen den Kanadier Félix Auger-Aliassime vor allem auf die mangelnde mentale Stärke seines Landsmannes zurückführte.
„Die Niederlage hat nichts mit Tennis zu tun. Er kam mit dem Druck, mit der Erwartungshaltung nicht klar“, sagte der 57-Jährige bei Sky. Zverevs Replik folgte nur wenig später und offenbarte eine Gereiztheit, die in diesem Ausmaß überraschte. „Ich habe ehrlich gesagt keine Lust mehr auf seine Kommentare“, kanzelte er seinen Kritiker auf der anschließenden Pressekonferenz scharf ab.
Becker über Zverev: „Ich weiß nicht, ob das taktisch klug war“
Becker wiederum erklärte am Sonntag im gemeinsamen Podcast mit Andrea Petkovic, wie er zur Einschätzung kam, dass Zverev mit dem Druck nicht klargekommen sei: „Er hat nach der Niederlage gegen Sinner gesagt, dass er gerne noch mal gegen ihn spielen würde im Finale. Ich weiß nicht, ob das taktisch klug war.“ Denn das habe Zverev zusätzlich unter Druck gesetzt und Auger-Aliassime im letzten Gruppenspiel noch einmal besonders motiviert.
Zverev wiederum hatte Becker schon vor ein paar Wochen unterstellt, er würde ihn dafür benutzen, um in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.
Auch Becker musste danach zugeben, dass sein Verhältnis zu Zverev unter den zunehmenden gegenseitigen Einlassungen gelitten habe. „Wir texten uns immer mal wieder. Momentan ist es eher etwas kühler in der Beziehung. Es ist ja kein Geheimnis, dass er auf meinen Rat nicht hört“, betonte er bei Sky.
Was auch damit zu tun haben mag, dass er zuletzt wieder häufiger ein Thema ansprach, das bei Zverev schon seit seinen Anfängen als Profi ein Tabu zu sein scheint: Kritik daran, dass er hauptsächlich von seinem Vater trainiert und seinem Bruder beraten wird. In dieses familiäre Umfeld „traut sich kein Trainer“, sagte Becker bei Sky am Rande der ATP Finals.
Was er mit dieser durchaus provokanten These bezweckt, weiß wohl nur er. Einerseits ist die Kritik am Trainingsumfeld von Zverev nicht neu, und sie kommt auch nicht nur von Becker. Andererseits unterstellen ihm manche Beobachter der Branche, dass er mit diesen Aussagen sich selbst als Trainer des gebürtigen Hamburgers ins Gespräch bringen wolle.
Becker betreute Zverev schon im Davis-Cup
Erfahrungen mit ihm als Schützling hat Becker bereits. Als Chef der deutschen Tennis-Herren betreute er Zverev jahrelang bei Davis-Cup-Spielen.
Dass Becker auch die Fähigkeit hat, den 28-Jährigen zu seinem lang ersehnten ersten Grand-Slam-Titel zu führen, ist ihm mit Blick auf seine langjährige, erfolgreiche Zusammenarbeit mit Novak Djokovic zumindest zuzutrauen.
Auch Zverev schien zwischenzeitlich einer Zusammenarbeit nicht abgeneigt gewesen zu sein. Noch im Frühjahr dieses Jahres sah man ihn in Monte Carlo beim gemeinsamen Bälleschlagen mit Becker.
Er habe eine „super Verbindung“ zu ihm, sagte Zverev damals bei Sky und schob kess hinterher: „Wenn was passiert, lassen wir es euch wissen. Solange könnt ihr spekulieren, eine Geschichte draus machen.“
Damals ahnte er noch nicht, welche Kapriolen ihre gemeinsame Geschichte in den folgenden Monaten noch schlagen würde. Eine Zusammenarbeit der beiden jedenfalls ist aus heutiger Sicht unwahrscheinlicher denn je.