Wenn Transferzeit ist, rückt das sportliche Geschehen in den Hintergrund. Das ist im europäischen Fußball so, gilt aber mindestens genauso sehr für die Basketball-Profiliga NBA.
Das ist dran an Schröders Wut-Kritik
Vor allem in dieser Tradeperiode, die bis Donnerstagabend für kuriose Szenarien sorgte, schlägt das Geschehen in Nordamerika so hohe Wellen, dass auch in Deutschland heftig darüber diskutiert wird.

Nicht nur der Mega-Trade von Superstar Luka Doncic von den Dallas Mavericks zu den Los Angeles Lakers sorgte für Wirbel, aus deutscher Sicht war die kuriose Odyssee von Weltmeisterkapitän Dennis Schröder - innerhalb von 24 Stunden war der Point Guard bei vier verschiedenen Teams - ein großes Thema, gerade nach seiner harten Kritik am Transfersystem der NBA. SPORT1 beantwortet die wichtigsten Fragen:
Was sind die Reaktionen auf die derzeitigen Trades in der NBA?
Als der nicht für möglich gehaltene Deal zwischen den Mavericks und den Lakers rund um Doncic und Anthony Davis in trockenen Tüchern war, holte Dennis Schröder zu einer aufsehenerregenden Tirade aus.
„Wenn so jemand getradet werden kann, ist niemand mehr sicher. Wahrscheinlich ist nicht einmal Steph Curry sicher, wenn ich das so sehe. Es ist ein beschissenes Geschäft“, schimpfte Schröder bei NBC Sports Bay Area und legte nach: „Es ist wie moderne Sklaverei.“
Auch Superstar Kevin Durant bezeichnete den Doncic-Davis-Trade als verrückten Wahnsinn und klagte an: „Die Spieler müssen immer loyal sein und sich dem Projekt voll unterordnen, aber die Teams werden nicht daran in der Öffentlichkeit gemessen.“
Auch Doncic selbst konnte es nicht glauben und dachte zunächst an einen Aprilscherz. Fälschlicherweise, wie sich herausstellte.

Was ist dran an dieser Kritik?
Dass Spieler in der NBA wie Waren gehandelt werden, klingt hart, ist aber die Realität. Zur Wahrheit gehört jedoch auch: Jeder Spieler weiß genau, worauf er sich einlässt, wenn er einen Vertrag bei einer Franchise in der nordamerikanischen Profiliga unterschreibt.
Selbst Rookies, die in ihre erste NBA-Saison gehen, bekommen schon ein Jahresgehalt von über einer Million Dollar. Das Durchschnittsgehalt in der Liga liegt laut Statistik-Portal Basketball Reference bei knapp zwölf Millionen Dollar.
Im Gegenzug liefern sich die Profis aber auch dem Willen der Teams aus, und der kann sich praktisch über Nacht ändern. Das musste zuletzt vor allem Dennis Schröder am eigenen Leib erfahren.
Anfang Dezember lief er noch für die Brooklyn Nets aus New York auf, ehe er quer über die Staaten auf die andere Seite der USA zu den Golden State Warriors nach Kalifornien getradet wurde.
Jetzt, nach nicht einmal zwei Monaten, muss er schon wieder die Koffer packen - und wusste lange noch nicht einmal, wo genau er am Ende landen wird. In verschiedenen Trades landete Schröder von den Warriors erst bei den Miami Heat, dann den Utah Jazz und schließlich bei den Detroit Pistons.
Gefragt, ob er Lust auf diese Odyssee hat, wurde der 31-Jährige nicht. Vertrag ist Vertrag - und diesen können Teams im Normalfall miteinander tauschen, ohne dass der Spieler gefragt werden muss.
Gibt es Spieler, die ihr Veto gegen einen Trade einlegen können?
Ja, die gibt es. Sie gehören aber zu einer quantitativ kaum wahrnehmbaren Minderheit. In der laufenden Saison haben nur Lakers-Superstar LeBron James und Bradley Beal eine sogenannte No-Trade-Klausel in ihrem Vertrag.
Mindestvoraussetzung dafür ist, dass man mindestens acht Jahre in der NBA und vier Jahre bei ein und demselben Team gespielt hat. In der Theorie kann dann jeder Spieler bei Unterschrift eine solche Klausel fordern - was aber mit Abstrichen beispielsweise beim Gehalt verbunden sein könnte. Denn wie eine Ausstiegsklausel im Fußball ist auch eine No-Trade-Klausel in der NBA für Teams nicht unbedingt erstrebenswert - weil sie Trades eben im Zweifel platzen lassen kann.
Beal, derzeit bei den Phoenix Suns aktiv, hat seine No-Trade-Klausel noch bei den Washington Wizards unterzeichnet, konnte sie aber kurioserweise mit in seinen Suns-Vertrag übernehmen.
Um dem Team zu signalisieren, dass man nur ungern wechseln will, muss man aber nicht unbedingt eine entsprechende Klausel im Vertrag haben. Es reicht gegebenenfalls, wenn man bereits über ein gewisses Standing innerhalb der NBA verfügt.
So wie beispielsweise Kevin Durant, der sich im Zuge des Trades um Schröder weigerte, die Phoenix Suns in Richtung Warriors zu verlassen - und dabei offenbar einen Mega-Trade mit mehreren Superstars verhinderte.
Sind die Spieler im Vergleich zu den Teams wirklich machtlos?
Diese Kritik, die ausgerechnet auch Durant geäußert hatte, trifft nicht generell zu. Es gibt auch immer wieder Fälle, bei denen Spieler einen Trade fordern und im Extremfall so lange streiken, bis sie ihren Wunsch erfüllt bekommen.
Jüngstes Beispiel: Jimmy Butler, der sich bei den Miami Heat so lange querstellte, bis das Team nachgeben und ihn ziehen lassen musste. Sein angeblicher Wunsch, zu den Suns zu wechseln, scheiterte zwar an Durant und Beal. Dafür aber schlugen die Warriors zu – zum Leidwesen von Dennis Schröder.
Auch in den Fällen von James Harden bei den Philadelphia 76ers und Anthony Davis bei den New Orleans Pelicans mussten die Teams im Endeffekt nachgeben und die wechselwilligen Stars gehen lassen.
Bei Davis war es 2019 sogar so, dass er nicht nur einen Trade forderte, sondern auch unbedingt zu den Lakers und LeBron James wollte. Dass Spieler nur zu bestimmten Teams getradet werden wollen, ist mittlerweile aber keine Seltenheit mehr - und verschlechtert natürlich die Verhandlungsposition ihrer Noch-Teams.
Denn bei der unterschwelligen Drohung, bei einer neuen Franchise im Zweifel keinen neuen Vertrag zu unterschreiben oder nur Dienst nach Vorschrift zu liefern (wenn überhaupt) wird kaum ein Team hohen Gegenwert für einen solchen Star anbieten.
Was haben die Trades mit dem Draft zu tun?
Da es in der NBA – wie auch bei den anderen populären US-Ligen – keine Ablösesummen gibt, werden Transfers grundsätzlich als Tauschgeschäft abgewickelt.
In vielen Fällen werden aber nicht nur Spieler getauscht, sondern auch sogenannte Draft-Picks, also die Optionen, in der jährlichen Talente-Lotterie einen der besten Nachwuchsspieler zu wählen.
Das ist besonders für die Teams interessant, die langfristig eine erfolgreiche Mannschaft entwickeln wollen.
Weil die US-Ligen ein in sich geschlossenes System ohne Abstiege und ohne Nachwuchsarbeit sind, ist der Draft neben der Free Agency die einzige Möglichkeit, eine neue, bessere Mannschaft aufzubauen. Trades für Picks in der Zukunft sind somit ein Kernelement der NBA.
Ist der Unterschied zum europäischen Fußball wirklich so groß?
„Gott sei Dank kann man als Fußballer nicht auf diese Art und Weise transferiert werden“, twitterte Mats Hummels nach dem Aufreger-Trade um Donic und Davis.
Damit hat der Weltmeister von 2014 nicht unrecht. Schließlich haben Fußball-Profis, egal ob Superstars oder Mitläufer, grundsätzlich ein Mitspracherecht bei Transfers.
Ob sie bei Wechseln aber immer das bekommen, was sie wollen, steht auf einem anderen Blatt. Nimmt man den Deadline Day am 3. Februar als Beispiel, ist festzustellen, dass auch im europäischen Fußball kurz vor Toreschluss noch Dutzende Spieler kreuz und quer über den Kontinent verschifft werden.
Was allerdings schon ein großer Unterschied ist, ist die Rolle der Medien. Gelten im europäischen Fußball Transfers erst dann als offiziell, wenn sie von den Vereinen bekanntgegeben werden, ist die Bedeutung der Medien beziehungsweise von einzelnen Reportern immer wichtiger.
Sowohl das Doncic-Beben als auch der Trade um Schröder und Butler wurde zuerst von ESPN-Experte Shams Charania veröffentlicht. Das führte zu den absurden Szenen, dass Fans in den Hallen über ihre Handys eher von Trades erfahren als die Spieler selbst.
Das ist in europäischen Fußballstadien - zumindest noch – unvorstellbar.