Nicht einmal ein Jahr ist es her, da standen die Dallas Mavericks in den Finals der NBA. Die Serie gegen die Boston Celtics ging zwar deutlich mit 1:4 verloren, die Mavs schienen aber gerade wegen ihres Superstars Luka Doncic nur wenige Puzzleteile vom zweiten Titel der Franchise-Geschichte entfernt.
Eine lange unvorstellbare Entwicklung
Doch nicht einmal ein Jahr später ist bei den Mavericks völliges Chaos ausgebrochen. Mavs-GM Nico Harrison schockte die Basketball-Welt - und speziell die Fans der Mavericks - und tradete Superstar Doncic Anfang Februar zu den Los Angeles Lakers. Nach zahlreichen Verletzungen scheiterte Dallas bereits in den Play-Ins.
Zudem irritiert Harrison immer wieder mit fragwürdigen Aussagen. Zuletzt zeigte er sich beispielsweise vom Wert, den Doncic für die Fans und die gesamte Stadt hatte, überrascht: „Ich wusste, dass Luka der Fangemeinde wichtig war. Ich wusste nicht genau, in welchem Maße.“ Die Fans waren nach dem Trade zu Tausenden auf die Straße gegangen und fordern seitdem das Aus des GMs.
Begann Mavericks-Chaos schon vor über einem Jahr?
Und diese Schreie könnten in naher Zukunft sogar noch lauter werden. Denn laut eines neuen Hintergrundberichts von ESPN hat Harrison mit verschiedenen Aktionen in der vergangenen Zeit sogar Klublegende Dirk Nowitzki vergrault. Also den Mann, der in Dallas seit der Meisterschaft 2011 als Heiliger gilt und dessen Statue vor der Arena steht.
Dass Nowitzki den Doncic-Trade kritisch sah, war schon lange klar. Mit seinem Besuch beim Debüt des Slowenen für die Los Angeles Lakers in LA setzte er ein Zeichen.
„Ich werde für mein ganzes Leben immer ein Mav sein, aber ich musste kommen, um Luka im ersten Spiel seines neuen Kapitels zu unterstützen!“, schrieb Nowitzki anschließend.
Doch zuvor war bereits weitaus mehr passiert. Zu bröckeln begonnen haben soll das Verhältnis zwischen Harrison und Nowitzki, die zuvor zumindest ein vertrauensvolles Verhältnis pflegten, und damit auch zwischen Nowitzki und der Franchise schon im Sommer 2023 - kurz nachdem Nowitzki in die Basketball Hall of Fame aufgenommen wurde.
Für die Zeremonie war Harrison mit seiner Frau nach Springfield angereist und gehörte einer Mavericks-Entourage an, die Nowitzki im August 2023 feierte. Ebenfalls dabei war damals auch Casey Smith, der zu diesem Zeitpunkt noch Leiter der medizinischen Abteilung der Mavericks war und während Nowitzkis Karriere ein enger Vertrauter gewesen war. Beide verbindet seitdem eine enge Freundschaft.
Distanzierte sich Nowitzki wegen dieser Entlassung von den Mavs?
Nur wenige Tage nach der gemeinsamen Feier kam es dann zu einem ersten Entschluss, der Nowitzki irritierte. Harrison entschied sich dazu, Nowitzkis engen Vertrauten bei den Mavericks zu entlassen - und das in einer Zeit, als Smith gerade in Ohio an der Seite seiner kranken Mutter weilte, die wenig später verstarb.
Weil Smith deshalb nicht nach Dallas kommen konnte, teilte der GM seinem Mitarbeiter die Freistellung offenbar während eines Videotelefonats mit. Seine Dienste seien nach fast zwei Jahrzehnten bei den Mavericks nicht mehr vonnöten.
Besonders pikant lesen sich die Gründe, die der rund um die Mavs stets gut informierte Tim MacMahon von ESPN in seinem Bericht für diese Entlassung aufzeigt. Smith sei „zu negativ gewesen“. Es habe Harrison nicht gepasst, dass er kein Ja-Sager sei.
„Er hatte zu 100 Prozent Angst vor ihm“, erklärte eine anonyme Stimme aus der Mavericks-Organisation bei ESPN. Der GM habe gefürchtet, dass Smiths Stimme in der Franchise zu viel Gewicht habe: „Deswegen zeigte er, dass er das Sagen hat und niemand ihn infrage stellen kann.“
Nowitzki schon länger nicht mehr im inneren Mavs-Zirkel
Verschiedene Quellen bestätigten ESPN, dass die Entlassung von Smith und insbesondere die Art und Weise Nowitzki verärgert hätte. Die Mavs-Legende soll sich schon länger dazu entschieden haben, nicht mehr im inneren Zirkel der Organisation tätig zu sein, sondern „nur noch Mavs-Fan“ zu sein.
Als Mark Cuban noch Besitzer der Mavericks war und zudem auch aktive Entscheidungen rund um die Mannschaft traf, hatte Nowitzki ihm assistiert und dabei regelmäßig auch die Trainingseinheiten besucht und dem Team mit seinen Ratschlägen zur Seite gestanden.
Mit Scott Tomlin verabschiedet sich in der Folge ein weiterer Nowitzki-Vertrauter, der Smith sehr nahestand, nach fast zwei Jahrzehnten von der Franchise und wurde unter anderem Direktor bei der „Dirk-Nowitzki-Stiftung“.
Sowohl Smith, Tomlin und natürlich auch Nowitzki waren enge Vertraute von Luka Doncic. Es überrascht deshalb nicht, dass Nowitzki und Tomlin seit Februar nur zwei NBA-Spiele besucht haben: Doncics Debüt bei den Lakers am 10. Februar und dessen Rückkehr nach Dallas am 9. April.
Nowitzki: Mavs entwickeln sich in „andere Richtung“
Durch die nun aufgedeckten Strömungen innerhalb der Mavericks-Organisation und die Distanzierung zwischen Nowitzki und seiner Herzensfranchise erscheinen die Aussagen der Mavs-Legende und auch die von Nico Harrison in einem anderen Licht.
Harrison hatte bei einer Presserunde in der vergangenen Woche gesagt: „In meiner Verantwortung liegt das Wohl der Dallas Mavericks. Alle Handlungen, die ich ausgeführt habe, waren im besten Interesse der Dallas Mavericks. Das ist das Wichtigste. Manche dieser Entscheidungen waren sicher nicht die populärsten und haben vielleicht auch Dirk oder die Fans verärgert, aber für mich ist nur das Wohl der Dallas Mavericks wichtig.“
Die klare Kante gegenüber der Franchise-Legende hatte viele überrascht. Nowitzki selbst hatte zuvor übrigens im Campus41-Podcast seiner Stiftung ebenfalls vielsagend gesagt: „Im vergangenen Jahr konnte man schon klar sehen, dass sich das Team in eine andere Richtung entwickelt. Jetzt sehen wir endgültig die Ergebnisse davon.“
Eine Entwicklung, die unvorstellbar schien
Dass Nowitzki sich zumindest in gewisser Weise von seiner Franchise abwendet, ist eine Entwicklung, die unvorstellbar schien. Schließlich hatte der deutsche Superstar den Mavs während seiner aktiven in guten wie in schlechten Zeiten die Treue gehalten.
Der ehemalige Mavs-Besitzer Cuban erinnerte vor kurzem in einem Post auf X an die Bedeutung Nowitzkis: „Dirk ist die Dallas Mavericks. Damals, heute und für immer. Niemand sollte das jemals vergessen. Diese Statue wird für immer hier sein.“
Immerhin scheint Harrison das so langsam zu verstehen - am Montag bezeichnete er Nowitzki als „die wichtigste Person für die Franchise“.
Das wirft allerdings umso mehr die Frage auf, wie er es wagen konnte, die von den Fans geliebte Legende derart zu enttäuschen.