Die Position des Long Snappers ist wohl eine der skurrilsten im American Football - und eine, die nur selten im Rampenlicht steht. Spieler wie Rick Lovato, der den Job seit Dezember 2016 bei den Philadelphia Eagles innehat, kommen im Lauf eines Spiels nur wenig zum Zug - und können auch dann kaum glänzen.
Ein sehr spezieller Super-Bowl-Held
Trotzdem, das wird schnell klar, wenn man sich mit dem 32-Jährigen vor Super Bowl LIX gegen die Kansas City Chiefs unterhält, liebt Lovato seinen Job. Kein Wunder, schließlich ging es für ihn nicht immer steil bergauf: Seinen Platz in der NFL musste sich Lovato hart erarbeiten, jobbte zwischenzeitlich in Ermangelung eines Teams sogar im Sandwichladen seiner Eltern.
Und auch privat erlebten er und seine Frau Jordan einen tragischen Schicksalsschlag, als sie im September 2023 ihr ungeborenes Kind verloren. Es ist Lovato deshalb eine Herzensangelegenheit, um mehr Aufmerksamkeit für Themen wie Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten zu werben.
Dass Rick und Jordan im Oktober 2024 Eltern des kleinen Freddie wurden, macht Lovatos dritten Super Bowl nach 2018 (Sieg gegen die New England Patriots) und 2023 (Niederlage gegen die Chiefs) für ihn zu einem ganz besonderen.
Lovato: „Hätte demjenigen nie geglaubt“
Im SPORT1-Interview spricht der Eagles-Profi über seine ungewöhnliche Karriere, erklärt seine Bedeutung fürs Team, kritisiert die mangelnde Wertschätzung für seine Position und blickt zurück auf die schwierige Zeit, die hinter seiner Frau und ihm liegt.
SPORT1: Mr. Lovato, wenn Ihnen jemand als Kind gesagt hätte, dass sie einmal in einem Super Bowl spielen würden, was hätten Sie gedacht?
Rick Lovato: Ich glaube nicht, dass ich demjenigen jemals geglaubt hätte. Das ist ja jetzt mein dritter Super Bowl und ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich das zum dritten Mal erleben darf. Es ist absolut fantastisch! Jedes Jahr, in dem ich beim Super Bowl sein durfte, war unglaublich - aber diesmal ist es noch besonderer, weil ich vor einigen Monaten zum ersten Mal Vater geworden bin.
SPORT1: Sie haben es schon gesagt, es ist bereits ihr dritter Super Bowl. Wird es irgendwann langweilig?
Lovato: Nein, das wird ganz bestimmt nie langweilig! Es geht im Football immer darum, Titel zu gewinnen. Zum dritten Mal auf dieser Bühne dabei zu sein, ist unglaublich. Die Möglichkeit zu haben, da rauszugehen und den Super Bowl zu gewinnen, ist etwas ganz Besonderes!
SPORT1: Was ist diesmal anders als die ersten beiden Male?
Lovato: Das ist eine großartige Frage. Es ist jedes Mal eine andere Location, die Erfahrung ist immer eine komplett neue. Aber gleichzeitig haben wir in der Woche vor dem Spiel immer dieselben Abläufe und behandeln das immer wie ein normales Spiel. Trotzdem ist es etwas Besonderes. Ich habe das Gefühl, dass ich ein bisschen ruhiger bin als bei den ersten beiden - es ist beim dritten Mal auf jeden Fall einfacher, als es beim ersten war.
Lovato: Vom Sandwichladen in den Super Bowl
SPORT1: Sie mussten anfangs um ihren Platz in der NFL kämpfen, haben zeitweise im Sandwichladen Ihrer Eltern gearbeitet. Wie hat das Ihren Blick auf den Sport verändert?
Lovato: Das war ein großer Teil meines Lebens, ein Free Agent zu sein und im Laden meines Vaters zu arbeiten. Ich habe es in ein Team geschafft, dann wurde ich wieder entlassen - und bin wieder zurück in den Sandwichladen gegangen. Damals wusste ich nicht, wie meine Zukunft in der NFL aussehen könnte, aber ich habe immer wieder Chancen bekommen und musste mich als junger Mann einfach nur gegen diese Widerstände durchsetzen. Dann habe ich endlich den Job bei den Eagles bekommen und in meiner ersten Saison auch noch direkt den Super Bowl gewonnen.
SPORT1: Ein sehr spezieller Karriereweg.
Lovato: Es ist für mich etwas ganz Besonderes, zu sehen, wo ich herkomme - von der High School übers College bis hierhin. Und das Ausmaß des Supports, das ich von den Menschen auf meinem Weg bekommen habe, ist einfach unglaublich. Ich wünschte bei vielen, dass sie mit mir zusammen hier sein könnten, aber ich weiß, dass sie mich von zu Hause anfeuern werden.
SPORT1: Sie haben vorhin die Geburt Ihres Sohnes angesprochen. Aufgrund Ihrer persönlichen Erfahrungen engagieren Sie sich sehr bei Themen wie Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten, über die in der Öffentlichkeit nur selten gesprochen wird.
Lovato: Es ist natürlich kein erfreuliches Thema, um es öffentlich mit Leuten zu thematisieren, aber es muss darüber gesprochen werden! Es ist etwas, worüber niemand wirklich gerne redet, weil es etwas sehr Persönliches ist - aber wenn niemand darüber redet, wird es nie die Aufmerksamkeit erhalten, die es dringend braucht.
SPORT1: Wieso wäre diese Aufmerksamkeit so wichtig?
Lovato: Es ist sehr hart, all diese Dinge durchzumachen. Wir haben bei unserem ersten Versuch ein Kind verloren, sind dann durch eine künstliche Befruchtung gegangen und haben jetzt sehr, sehr großes Glück, dass wir unseren kleinen Jungen haben. Viele Leute, mit denen wir gesprochen haben, haben dasselbe durchgemacht. Wir haben uns so allein gefühlt, als wir es damals erleben mussten. Deshalb ist es schön zu wissen, dass es da draußen eine Community gibt, mit der man diese Erfahrungen teilen kann - es muss nur mehr darüber geredet werden, weil es ein wichtiges Thema ist.
Lovatos einzigartige Position
SPORT1: Zurück zum Football: Long Snapper ist eine außergewöhnliche Position. Erklären Sie doch mal, worauf es bei Ihnen auf dem Feld besonders ankommt.
Lovato: Es ist eine spezielle Position, weil sie so einzigartig ist. Im Prinzip mache ich etwas Ähnliches wie ein Center. Beim ersten, zweiten und dritten Down steht der Center auf dem Platz - und ich bin der Center beim vierten Down. Ich werfe den Ball also auch zwischen meinen Beinen nach hinten, allerdings etwas weiter, als es der Center zum Quarterback hat: 15 Yards bei einem Punt und acht Yards bei einem Field Goal. Aber ich bekomme nur wenige Gelegenheiten im Lauf eines Spiels, also muss ich perfekt sein. Jeder einzelne Snap muss auf den Punkt genau kommen! Es ist eine einzigartige Position, aber auch ein Job, der sehr viel Spaß macht.
SPORT1: Long Snapper stehen selten im Rampenlicht, ihre Bedeutung ist vielen nicht klar. Was meinen Sie als Betroffener, warum das so ist?
Lovato: Von uns wird erwartet, dass wir jedes Mal perfekt sind. Es wird von den Leuten immer vorausgesetzt, dass bei einem Field Goal oder einem Punt alles einfach reibungslos abläuft, der Kick erfolgreich ist - und das war’s. Für mich geht es um meinen Ablauf, wie Braden (Eagles-Holder Braden Mann; Anm. d. Red.) den Ball hält - und dann um Jakes (Eagles-Kicker Jake Elliott; Anm. d. Red.) Kick. Das alles ist eine Wissenschaft für sich - und das sieht eben niemand außerhalb von unserer Welt. Es ist etwas, worauf man wirklich explizit achten muss, und etwas, das man sich genau anschauen muss, um zu erkennen, wie viel Arbeit dahintersteckt.
Lovato über sein Team: „Wie eine Familie“
SPORT1: Sie standen vor Ihrer Zeit in Philadelphia auch schon bei anderen Franchises mit viel Tradition wie den Chicago Bears oder den Green Bay Packers unter Vertrag. Was macht die Eagles im Vergleich so besonders?
Lovato: Das fängt mit dem Eigentümer an und geht über den General Manager bis hin zum Head Coach. Jedes einzelne Jahr, seitdem ich ein Eagle bin, war einfach unglaublich - und das sind jetzt insgesamt schon neun Saisons. Sie haben mich immer wie Familie behandelt, ich fühle mich in Philadelphia zu Hause. Und dann natürlich die Fans: Sie sind so außergewöhnlich und die Atmosphäre bei jedem Heimspiel ist etwas, das man gar nicht richtig greifen kann, bis man einmal dort war.
SPORT1: Wieso geht es für die Eagles diesmal anders aus als bei der Super-Bowl-Niederlage gegen Kansas City vor zwei Jahren?
Lovato: Ich bin komplett überzeugt, dass wir ein exzellentes Team haben. Die Chiefs natürlich auch - aber ich weiß, dass wir abliefern werden. Darauf wird es ankommen: das umzusetzen, was wir können, und unseren Job zu machen.