Mancher Experte war vor dem Super Bowl LIX schon im Begriff, Patrick Mahomes und die Kansas City Chiefs im Dynasty-Ranking der NFL über die legendären San Francisco 49ers von Joe Montana und womöglich sogar über Tom Bradys New England Patriots zu erheben.
Makel wird Mahomes nicht mehr los
Vier Super-Bowl-Titel in sechs Jahren und ein historischer Threepeat wären sicherlich auch gute Argumente gewesen, ihn in der Bewertung der größten Quarterbacks der NFL-Geschichte zumindest mal vor Montana zu setzen. Es kam bekanntlich anders.
Die krachende 22:40-Niederlage gegen die Philadelphia Eagles ist für Mahomes und sein Vermächtnis aber auch eine Chance. Was gerade Brady so besonders macht, ist die Art und Weise, wie er seine sieben Titel geholt hat: unter verschiedenen Umständen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten seiner Karriere, am Ende sogar noch mit verschiedenen Teams.
Zukunft von Kelce und anderen Routiniers unklar
Bei den Chiefs wird sich nach der Schmach von New Orleans zwangsläufig etwas verändern: Die Zukunft des 35-jährigen Travis Kelce ist genauso unklar wie die von diversen kurzfristig verpflichteten Routiniers (u. a. JuJu Smith-Schuster, Kareem Hunt), deren Erfahrung in Verbindung mit ihrem Hunger auf den ersten Super-Bowl-Sieg eigentlich zu einem Trumpf im Duell mit den Eagles werden sollten.
Dass obendrein in der Offensive Line etwas passieren muss, um Mahomes besser zu schützen, dürfte nicht nur dem Star-Quarterback selbst am Sonntagabend schmerzhaft bewusst geworden sein.
Für die NFL ist das ein gutes Zeichen: Kurzfristig wäre der historische Threepeat sicherlich eine bestens vermarktbare Story gewesen. Mittel- und langfristig hätte eine fortwährende Dominanz der Chiefs dem Interesse aber wohl eher geschadet - das wissen wir Deutschen aus der Fußball-Bundesliga nur allzu gut.
Vor Ort war in den vergangenen Jahren rund um den Super Bowl außerdem zu spüren, dass die Fans der Eagles und der 49ers sowohl zahlen- als auch stimmungsmäßig die Oberhand gegenüber den zuletzt erfolgsverwöhnten Chiefs-Anhängern hatten. Viele Fans außerhalb von Kansas City wünschen sich mal wieder einen Super Bowl ganz ohne die Chiefs.
Dieses Debakel wird Mahomes begleiten
Dass Head Coach Andy Reid und die anderen Verantwortlichen alles daransetzen werden, das zu verhindern, steht außer Frage.
Unabhängig vom Erfolg dieses Vorhabens ist allerdings auch klar, dass dieses Debakel Mahomes noch lange begleiten wird. Eine derartige Klatsche haben Montana und Brady in ihren größten Spielen nie kassiert.
Montana hat sogar alle vier Super Bowls gewonnen, die er gespielt hat - ein Argument, warum ihn viele NFL-Fans im GOAT-Ranking auch noch vor Brady sahen, als ihn dieser bei der reinen Anzahl der Meisterschaften schon überholt hatte.
Eine Parallele zu Brady gibt’s für Mahomes allerdings: Dieser hatte 2008 mit den Patriots die historische Chance auf eine perfekte Saison, kassierte als klarer Favorit im Super Bowl XLII aber eine überraschende Niederlage gegen die New York Giants.
Eine Pleite, die bis heute an Brady nagt, wie er am Sonntagabend als TV-Experte eindrucksvoll schilderte.
Unterirdisches Spiel zum ungünstigsten Zeitpunkt
Auch für Brady wäre es damals sein vierter Titel gewesen, in nur sieben Jahren. Es dauerte vier Jahre, bis er wieder im Super Bowl stand, und sogar sieben, bis er wieder einen gewann - aber er holte eben noch vier weitere Meisterschaften.
Den Makel, ausgerechnet im Super Bowl eines der schlechtesten Spiele seiner Karriere gemacht zu haben, wird Mahomes nicht mehr loswerden. Er wird in Debatten unter Fans und Experten immer wieder auf den Tisch kommen.
Deshalb geht es jetzt wirklich um Mahomes‘ Vermächtnis, denn dieser Makel ist für ihn auch die Chance zu zeigen, dass er ein ganz Großer ist. Die Niederlage im Anschluss an das Spiel komplett auf seine Kappe zu nehmen, war diesbezüglich ein bemerkenswerter erster Schritt.
Der nächste wäre es, egal unter welchen Umständen, mit welchen Teamkollegen und gegen welche Widrigkeiten in den Super Bowl zurückzukehren - und noch so viele Titel zu sammeln, dass der 9. Februar 2025 bei der Bewertung seines Vermächtnisses irgendwann nur noch eine Randnotiz ist.
So wie Bradys Pleite gegen die Giants beim Blick auf seine Karriere inzwischen nicht viel mehr ist als eine Anekdote, die er als TV-Experte zum Besten gibt.