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Depressionen, Krebs, Betrug: Der harte Kampf einer Überfliegerin

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Der harte Kampf einer Überfliegerin

Vor 49 Jahren gewinnt Dorothy Hamill nach Olympiagold auch die WM. Glänzend verläuft ihr Leben allerdings mitnichten.
Dorothy Hamill war einst als Eiskunstläuferin erfolgreich
Dorothy Hamill war einst als Eiskunstläuferin erfolgreich
© IMAGO/ZUMA Press Wire
Vor 49 Jahren gewinnt Dorothy Hamill nach Olympiagold auch die WM. Glänzend verläuft ihr Leben allerdings mitnichten.

Wenn es ein Synonym für ein perfektes Sportlerjahr bräuchte, dann könnte das Jahr 1976 von Dorothy Hamill dafür herangezogen werden. In jenem Jahr brachte die Eiskunstläuferin nämlich das zustande, was für Athleten wohl der Inbegriff einer traumhaften Saison ist.

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Die US-Amerikanerin gewann ihrerzeit erst Olympisches Gold bei den Spielen in Innsbruck, am 6. März schließlich auch noch Gold bei den Weltmeisterschaften in Göteborg. Olympiasiegerin und Weltmeisterin in nur wenigen Wochen - die Erfüllung eines Lebenstraums.

Das Erreichen der höchsten Ziele im Eiskunstlaufsport brachte Hamill damals große Popularität – auch wegen eines besonderen Markenzeichens. Denn die Amerikanerin begab sich nicht etwa mit wallendem Haar oder einer kunstvoll drapierten Hochsteckfrisur auf das Eis, sondern mit einem flotten Kurzhaarschnitt.

Ihre Frisur wurde zum Trend, nach ihrer Karriere wurde sie Werbegesicht für Shampoo-Produkte. Sogar eine Puppe wurde nach ihrem Vorbild angefertigt.

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Versuchte eine Konkurrentin, sie zu überfahren?

Hamill ist bis heute die letzte Eiskunstläuferin, die mit einer Kür ohne Dreifachsprung den Olympiasieg erringen konnte. Sportlich hat sie dennoch bleibenden Eindruck hinterlassen – und das nicht nur, weil sie zu ihrer aktiven Zeit eine Pirouette erfand, die heute nach ihr benannt ist. Stichwort: „Hamill Camel“.

Doch so sehr ihr Leben den Eindruck von Glanz und Gloria vermittelte, so wenig stimmte schon damals dieses Bild. Kurz nach ihrem Olympiasieg erklärte Hamill, eine Konkurrentin und deren Trainer hätten versucht, sie im olympischen Dorf zu überfahren, als sie mit ihrem Trainer die Straße entlang lief.

„Ich werde nicht sagen, wer es war. Es war beängstigend und sie haben gelacht“, erzählte die Sportlerin, die den Spitznamen „America’s Sweetheart“ erhielt, später.

Ganze Familie Hamill litt an Depressionen

Dazu kommt: Den größten Erfolg ihrer Karriere, den Olympiasieg in Innsbruck, konnte Hamill nicht mit ihrer Mutter teilen. Diese hatte sich – ohne jemals eine Erklärung dafür abzuliefern – lieber im Hotel aufgehalten, anstatt ihre Tochter in der Halle zu feiern.

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„Ich schätze, es war das eine Mal, als ich wirklich gehofft habe, dass sie sagen würde: ‚Ich bin stolz auf dich‘. Oder: ‚Wir waren gut zusammen‘. Es war traurig und enttäuschend.“

Die Mutter die US-Amerikanerin hatte alles für die Karriere ihrer Tochter getan, stand unzählige Male morgens um 4 Uhr auf, um ihr Kind zum Training in weit entfernte Eishallen zu fahren.

Schwierig war das Verhältnis zwischen beiden dennoch, litt die Mutter doch an heftigen Depressionen. Auch der Vater von Hamill war depressiv, darüber gesprochen wurde im Haushalt aber nicht. Erst viele Jahre später erkannte die Sportlerin, dass auch sie selbst betroffen ist.

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Erster Ehemann starb nach Scheidung bei Unglück

Von beruflichen Erfolgen hielt sie das jedoch nicht ab. Nach ihrer Wettkampfkarriere agierte sie von 1977 bis 1984 als Zugpferd der Eisrevue Ice Capades, zudem produzierte und spielte sie in Eigenproduktionen wie „Cinderella“ und „Der Nussknacker“. Hamill gewann sogar einen Emmy Award für ihre Rolle in „Romeo & Juliet on Ice“.

Privat fand die heute 68-Jährige ihr erstes großes Glück mit Dean Paul Martin, dem Sohn des legendären Schauspielers und Sängers Dean Martin – doch das Glück war nicht von Dauer.

Mit dem Ruhm seines Vaters und seiner Ehefrau kam dieser nicht zurecht, es folgte die Scheidung. Ein einschneidender Moment, vor allem, weil sich dieser im Sommer zutrug. Der Zeit, in der es Hamill deutlich schlechter ging, konnte sie ihrer Leidenschaft Eiskunstlauf doch nicht wie gewünscht nachgehen.

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„Da habe ich es (die Depressionen, Anm. d. Red.) wirklich gemerkt. Ich war am Boden zerstört, deprimiert und schluchzte wochenlang, weil ich sowohl meinen besten Freund als auch meinen Mann verloren hatte. Es war tragisch. Er war ein unglaublich lustiger, unkomplizierter und talentierter Mann.“

Nur kurze Zeit später starb Martin, der als Pilot arbeitete, bei einem Flugzeugabsturz. Für Hamill nur schwer zu verkraften.

Bankrott und zweite Scheidung

Mit ihrem zweiten Ehemann Kenneth Forsythe, mit dem sie Tochter Alexandra hat, kaufte die Sportlerin schließlich die Eisrevue, in der sie als Star agierte. Doch beide mussten die Show verkaufen, nachdem sie im Jahr 1994 Konkurs angemeldet hatten.

Und es kam noch schlimmer: Nachdem in der Boulevardpresse Bilder ihres Mannes mit einer jüngeren Frau aufgetaucht waren, folgte die zweite Scheidung.

Nicht der letzte Rückschlag in ihrem Leben. Im Januar 2008 gab Hamill bekannt, an Brustkrebs erkrankt zu sein. Seitdem engagiert sie sich unter anderem im Kampf gegen den Krebs.

Eiskunstlaufen als heilende Erfahrung

49 Jahre liegt ihr großer WM-Triumph in Göteborg inzwischen zurück. Trotz vieler Termine, eines geschäftigen Lebens und einer dritten Ehe spielt das Thema Depressionen auch weiterhin eine große Rolle. Und das nicht nur, weil auch Tochter Alexandra erkrankt ist.

An manchen Tagen kann die 68-Jährige nicht einmal die Spülmaschine einräumen. Eine „wirklich lähmende“ Krankheit. Medikamente und Therapien helfen. Vor allem aber hilft der Olympiasiegerin eines: der Sport, den sie ihr ganzes Leben lang kennt und liebt.

„Diese magische, kühle Luft und der Wind in meinem Gesicht und die Musik. Das holt mich irgendwie immer aus meinem Trübsinn heraus.“

Vielleicht hilft ja auch die ein oder andere Erinnerung an ihr perfektes Sportlerjahr 1976.