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Sicherheits-Debatte nach Todesfall: Das sagt eine deutsche Ski-Ikone

Skisport zu riskant? Das sagt Wasmeier

Nach dem tödlichen Trainingsunfall von Matteo Franzoso äußert sich Legende Markus Wasmeier im SPORT1-Interview dazu, wie die Sicherheit der Athleten verbessert werden kann. Er sieht zumindest einen möglichen Ansatz.
Markus Wasmeier wurde 1994 Doppelolympiasieger in Lillehammer
Markus Wasmeier wurde 1994 Doppelolympiasieger in Lillehammer
© IMAGO/Sven Simon
Nach dem tödlichen Trainingsunfall von Matteo Franzoso äußert sich Legende Markus Wasmeier im SPORT1-Interview dazu, wie die Sicherheit der Athleten verbessert werden kann. Er sieht zumindest einen möglichen Ansatz.

Der tödliche Trainingsunfall des italienischen Abfahrers Matteo Franzoso schockt die alpine Ski-Szene. Franzoso ist bereits der dritte italienische Athlet, der innerhalb eines Jahres bei einem Trainingssturz ums Leben gekommen ist. Die Kritik an den Sicherheitsmaßnahmen wächst weiter.

Die deutsche Ski-Legende Markus Wasmeier wagte sich selbst ein Jahrzehnt lang auf die gefährlichsten Abfahrtsstrecken der Welt. Im Interview mit SPORT1 hat er eine klare Meinung zum Umgang mit den Sicherheitsrisiken im Abfahrtsweltcup.

Das Ski-Problem: „Man stellt Netze nur an gefährlichen Stellen“

SPORT1: Herr Wasmeier, der Tod von Matteo Franzoso reiht sich in eine lange Liste von tödlichen Trainingsstürzen außerhalb des Weltcups ein. Warum sind auch die größten Skiverbände nicht in der Lage, für mehr Sicherheit auf Trainingsstrecken zu sorgen?

Markus Wasmeier: Im Training sind bei Weitem nicht solche Absicherungen wie im Wettkampf möglich. Man stellt die Netze nur an den gefährlichen Stellen auf. Es lässt sich nicht die ganze Strecke absperren. Das ist schier unmöglich, vom Aufwand her. Jeder Athlet weiß, dass er in diesem Sport keinen Fehler machen darf – auch im Training nicht.

SPORT1: Wären strengere Sicherheitsmaßnahmen an der Strecke denn so teuer? Welche Kosten entstünden durch bessere Netze, mehr Sturzzonen oder verbesserte Infrastruktur in abgelegenen Trainingsgebieten?

Wasmeier: Die Verbände können das nicht leisten. Das wäre nicht finanzierbar. Das wären 15 bis 20 Kilometer, an denen Netze aufgebaut werden müssten. Dabei werden auch richtige Masten benötigt, an denen dann die Netze aufgehängt werden. Auf den Weltcupstrecken startet die Vorarbeit schon im Sommer. Die Strecken werden ja dann im Winter auch in den Nachwuchsmeisterschaften direkt mitverwendet.

Wasmeier: So könnte man für mehr Sicherheit sorgen

SPORT1: Wäre es deshalb vielleicht sogar nötig, Abfahrtstrainings nur noch gebündelt als offizielle Trainingssessions unter der Aufsicht des Internationalen Skiverbands stattfinden zu lassen?

Wasmeier: Der Internationale Skiverband hat damit gar nichts zu tun. Die organisieren ihre Wettkämpfe - und mehr nicht. Die Verbände schließen sich oft zusammen und organisieren dann die Trainings gemeinsam in bestimmten Skigebieten, um ihr Personal zu bündeln.

SPORT1: Sehen Sie denn dann überhaupt Hebel, wie die Sicherheit der Athleten bei den Trainings erhöht werden könnte?

Wasmeier: Ich könnte mir vorstellen, dass man etwas erreichen könnte, wenn die Nationen gemeinsam von den Skigebieten bestimmte Sicherheitsstandards fordern. Es gibt ja einige Skigebiete in Südamerika, die sich die Nutzung auch einiges kosten lassen. Aber ob sich das die Skigebiete leisten können, ist eine andere Frage.

„Da ist sehr viel Eigenverantwortung gefragt“

SPORT1: Aktive Profis wie Adrien Théaux betonen, dass sich die Sicherheitsvorkehrungen in den vergangenen Jahrzehnten nicht wesentlich verbessert hätten. Als positives Gegenbeispiel wird oft der Motorsport genannt, bei welchem tödliche Unfälle zu einem Umdenken geführt haben. Ist da etwas dran?

Wasmeier: Immer, wenn ein Unglück passiert, wird darüber nachgedacht, was man noch sicherer machen kann. Das ist im Motorsport nicht anders als im alpinen Skisport. Es gibt so viele Faktoren und eine gewisse Eigendynamik bei der Abfahrt, durch welche ein schwerer Sturz bei einem Sprung, in einer Kurve oder sogar in einem geraden Streckenabschnitt entstehen kann.

SPORT1: Ist der Druck im Skiweltcup – vor allem auf junge Athleten – einfach zu groß?

Wasmeier: Bei den jungen Athleten ist es natürlich so, dass sie von der Ausbildung ein bisschen nachhinken, sich aber etablieren wollen. Da gibt es aber in keiner Nation Trainer, die sagen, dass du volles Risiko nehmen musst. Die jungen Athleten werden da langsam herangeführt. Dann liegt es allerdings natürlich am Athleten, ob er das dann einhält oder trotzdem Vollgas gibt. Da ist sehr viel Eigenverantwortung gefragt.

Helme wie im Motorsport? Wasmeier ist skeptisch

SPORT1: Wieso hat der Helm die tödlichen Verletzungen am Kopf von Franzoso nicht verhindert? Wäre es eine Überlegung wert, widerstandsfähigere Helme wie im Motorsport zu verwenden?

Wasmeier: Man kann diese Helme nicht mit einem Motorradhelm vergleichen. Der Motorradfahrer hat ja keine so tiefe Abfahrtsposition, in welcher er den Kopf in den Nacken bringen muss. Es gibt alle ein bis zwei Jahre Weiterentwicklungen von den Helmproduzenten. Damals, als ich aktiv war, hatte mein Helm vielleicht eine einen Zentimeter dicke Polsterung und einen Überzug aus Carbon. Heute beträgt die Polsterung rund vier bis fünf Zentimeter. Am Ende ist aber immer der Körper die Knautschzone.

SPORT1: Sehen Sie neue technologische oder wissenschaftliche Entwicklungen, die das Risiko solcher Unfälle in Zukunft signifikant reduzieren könnten?

Wasmeier: Das kann ich mir leider nicht vorstellen. Die Disziplin bringt diese Gefahr einfach mit sich. Deshalb gibt es ja auch vergleichsweise wenig Athleten, die diesen Sport ausüben.