Drei Olympiasiege, zehn WM- und sechs EM-Titel: Im Eiskunstlauf gibt es bis heute niemanden, der an sie heranreicht.
Besessen von Geld, Macht und Sex? Eine Eis-Ikone, die verehrt und verachtet wurde
Eine verehrte und verachtete Ikone
Sonja Henie war in ihrem Sport das Maß aller Dinge, ein schillernder Mythos des Wintersports - der noch größer wurde, als sie danach auch in Hollywood Karriere machte.
Die „Pawlowa des Eises“, wie Henie in Anspielung auf die Ballett-Ikone Anna Pawlowa genannt wurde, war allerdings auch eine umstrittene Figur - nicht nur deshalb, weil sie sich auch vom Regime in Nazi-Deutschland hofieren ließ.
Heute vor 56 Jahren starb die Legende nach einer schweren Erkrankung.
Von „Fräulein Hoppla“ zur Legende
Die Norwegerin Henie, geboren am 8. April 1912, bekam das sportliche Talent in die Wiege gelegt: Ihr Vater Wilhelm, im Hauptberuf Pelzhändler, war Bahnrad-Weltmeister und auch ein Eisschnellläufer auf Top-Niveau. Tochter Sonja trat früh in seine Fußstapfen.
Bereits als Elfjährige gab Henie 1924 in Chamonix ihr Olympia-Debüt. Der Wettkampf - wen wundert‘s - kam noch zu früh. Während der Kür verlor sie mehrmals den Faden und musste ihren Trainer fragen, was sie als Nächstes zu tun hätte. Überliefert ist zudem, dass sie bei einem Sturz „Hoppla“ rief, was ihr den despektierlichen Spitznamen „Fräulein Hoppla“ einbrachte.
In Berlin wurde sie „Häseken“ genannt, nachdem Henie im Alter von 14 Jahren bei einem Auftritt im Sportpalast als Glücksbringer eine Hasenpfote um den Hals trug und ihr das Berliner Original Reinhold Habisch - genannt „Krücke“ - zurief: „Kiek mal, det Häseken“.
Drei Olympiasiege in Folge
„Häseken“ machte dann aber Ernst: Nachdem sie sich 1926 noch mit WM-Silber zufriedengeben musste, stand sie bei den zehn folgenden Weltmeisterschaften immer auf dem obersten Podest.
Bei Olympia wurde sie 1928 in St. Moritz mit 15 Jahren und 315 Tagen die bis dahin jüngste Winter-Olympiasiegerin in einer Einzeldisziplin - ein Rekord, der erst 1998 von der US-amerikanischen Eiskunstläuferin Tara Lipinski gebrochen wurde.
Weitere Triumphe folgten 1932 in Lake Placid und 1936 bei den von den Nazis inszenierten Spielen in Garmisch-Partenkirchen, wodurch sie bis heute die einzige Eiskunstläuferin ist, die in der Damenkonkurrenz drei Olympiasiege feiern konnte. Überhaupt hat außer Henie nur Katarina Witt mehr als einmal Olympia-Gold in Folge geholt.
Adolf Hitler ließ es sich nicht nehmen, der blonden Norwegerin - die wunderbar in sein arisches Rassen-Ideal passte - die Goldmedaille um den Hals zu hängen. Henie ließ auch darüber hinaus viel Nähe zum Nazi-Regime zu, was ihr viele Norweger bis weit nach Kriegsende übel nahmen: Hitler lud Henie sogar mit ihren Eltern auf den Berghof in Obersalzberg zum Essen ein und überreichte ihr ein Foto mit Autogramm und Widmung.
Henie war ihrer Zeit voraus
Doch der dritte Olympiasieg war für Henie nicht etwa der Höhepunkt, sondern der Startschuss ihrer eigentlichen Karriere. Nur wenige Monate nach dem Triumph in Garmisch unterschrieb sie einen hochdotierten Vertrag bei der US-Filmproduktionsgesellschaft 20th Century Fox, wobei sie sich als äußerst geschäftstüchtig erwies.
Henie bestand darauf, bereits in ihrem ersten Film mit ihrem Namen über dem Titel genannt zu werden und bekam eine Gage von 125.000 Dollar. Der Langzeitvertrag machte sie mit einem Schlag zu einer der höchstbezahlten Schauspielerinnen der Welt.
Nach dem Erfolg ihres ersten Films „One in a Million“, bei dem sie sich anlässlich der Premiere in Deutschland mit Joseph Goebbels traf, wurde Henies Status bestätigt und sie wurde immer anspruchsvoller in ihren Geschäftsbeziehungen mit Produzent Darryl F. Zanuck. Sie bestand darauf, totale Kontrolle über die Eislaufnummern zu haben, die sie im Film zeigte.
Ihr Erfolg war durchschlagend: Von 1937 bis 1948 entstanden in Hollywood zwölf erfolgreiche Eisrevue-Filme, von der Diva selbst choreografiert und mit ihr in der Hauptrolle.
Überhaupt war Henie immer ihrer Zeit voraus: Bereits als Teenager revolutionierte sie mit ihrem Stil das Eiskunstlaufen und schlug - was bei ihrem Amateurstatus eigentlich strikt verboten war - schon damals aus ihrem Können finanzielles Kapital. Als Revue- und Hollywoodstar verdiente sie später Millionen.
Henie schrieb viele Schlagzeilen mit ihrem Liebesleben, sie hatte Affären mit ihren Eis-Partnern Jack Dunn und Stewart Reburn, Boxlegende Joe Louis und den Schauspielern Tyrone Power und Van Johnson.
Das emanzipierte Selbstbewusstsein, mit dem Henie durchs Leben ging, handelte ihr in der altmodischen Männerwelt naturgemäß einen zwiespältigen Ruf ein.
Besessen von Geld und Sex?
Nach ihrem Tod am 12. Oktober 1969 sorgte ihre Biografie Queen of Ice, Queen of Shadows für Aufsehen, die ihr Bruder Leif zusammen mit dem Hollywood-Insider Raymond Strait verfasste. Henie wurde darin porträtiert als besessen von Geld und Sex, als eine Frau, die über Leichen gegangen sei, um ihre Ziele zu erreichen.
Ein differenziertes Bild zeichnete vor einigen Jahren Ansgar Molzberger bei einem Porträt Henies im Deutschlandfunk: „Beim Mann hätte man vielleicht gesagt, er hat seine Karriere vorangetrieben, und im Frauenbild der damaligen Zeit wird dann gesagt, das ist aber mit Ellbogen und rücksichtslos. Also es heißt immer, sie hätte zur damaligen Zeit bereits ein Vermögen von circa 50 Millionen Dollar angehäuft. Und das erreiche ich wahrscheinlich nicht, indem ich immer zu allen lieb und brav und rücksichtsvoll bin, also da muss ich schon, wie man heute so schön sagt, mein Ding durchziehen.“
Am 12. Oktober 1969 endete das Leben Sonja Henies im Alter von nur 57 Jahren: Sie war an Leukämie erkrankt und ihr Zustand verschlechterte sich auf einer Reise nach Paris. Sie starb in einem Flieger, der sie in ein Krankenhaus in die norwegische Heimat bringen sollte.
Sonja Henie und ihr Ehemann, der Kunsthändler Niels Onstad, sind in Oslo auf einem Hügel in der Nähe des Henie Onstad Kunstsenter begraben, einem kurz vor Henies Tod gegründeten Kunstmuseum, das heute internationalen Rang hat.