Für Sportlerinnen und Sportler ist eine Sache besonders wichtig: Ziele vor Augen haben. Wissen, wonach man strebt, worauf man das eigene Training ausrichtet. Eine, die sich dessen vollends bewusst ist, ist Franziska Preuß.
Biathlon: Druck zu hoch? Wie Preuß den Olympia-Winter angeht
Die große Frage rund um Preuß
Der Biathletin gelang in der vergangenen Saison genau das. Gold bei der Weltmeisterschaft in Lenzerheide – und für sie persönlich noch viel wichtiger: Der Gewinn des Gesamtweltcups.
Es waren unvergessliche Bilder beim letzten Saisonrennen am Holmenkollen in Oslo. Mit Dauerkonkurrentin Lou Jeanmonnot lieferte sich Preuß eine packende Schlussrunde.
Der Sieg im Rennen war gleichbedeutend mit dem Sieg im Gesamtweltcup. Kurz vor dem Ziel stürzte die Französin in einer Kurve, Preuß lief als Erste über die Ziellinie. Es war die Erfüllung eines Kindheitstraums.
Preuß freut sich auf Olympia in Antholz
In der jetzt anstehenden Saison könnte sich die 31-Jährige den letzten großen – und bislang noch unerfüllten – Traum erfüllen: Eine Einzelmedaille bei Olympia, wenn möglich sogar Gold.
2022 gewann Preuß mit der Staffel in Peking Bronze, im kommenden Februar bietet sich im italienischen Antholz eine neue und die wahrscheinlich letzte Chance. Eine Chance, auf die sich Preuß durchaus freut.
„Von uns Athleten kenne ich wenige, die Antholz nicht gerne haben. Es ist ein cooler Ort, da ist immer schönes Wetter. Es ist das Südtiroler Ambiente, es gibt immer gutes Essen in den Hotels. Jeder fährt da gerne hin“, erklärte die Sportlerin beim Biathlon-Sommer-Fanfest im Bayern-Park im bayerischen Reisbach.
„Ich bin immer sehr gerne in Antholz gelaufen. Ich finde das neue Stadion mit dem neuen Zieleinlauf sehr cool. Ich bin dort auch gerne im Sommer zum Trainieren. Ich verbinde mit Antholz immer etwas Positives und das hat man nicht mit allen Orten“, ergänzte sie.
Preuß als deutsche Hoffnungsträgerin
Eine Einstellung, die sich für Preuß durchaus noch als nützlich erweisen könnte. Denn die olympische Saison dürfte für die zweimalige Weltmeisterin unzählige Drucksituationen bereithalten.
In der liebsten Wintersportart der Deutschen ist die 31-Jährige die mit Abstand größte Hoffnungsträgerin. Rund drei Monate vor Beginn der Saison kann sie damit aber bestens umgehen. „Bisher verspüre ich gar keinen Druck. Alles, was jetzt noch kommt, ist Zugabe. Für mich war immer das Größte, den Gesamtweltcup zu gewinnen – und das habe ich geschafft.“
Ambitioniert ist Preuß im Hinblick auf die Olympischen Spiele aber durchaus. „Ich habe für mich persönlich noch die Rechnung mit Olympia offen. Und ich würde mir selbst gerne beweisen, dass ich es dort auch kann.“
Hoher Druck? Greis macht sich Gedanken
Die Erwartungen der Außenwelt blockt Preuß dabei größtenteils ab. „Ich glaube, durch die ganzen Tiefen, die ich durchlebt habe, habe ich gemerkt, was wirklich wichtig ist im Leben. Für mich war es den Winter über ein Privileg, in Gelb zu laufen – und kein Druck. In 99 Prozent der Rennen habe ich das so geschafft. Ich hoffe natürlich, dass es so bleibt.“
Dass Preuß dies gelingen kann, darauf hofft auch Herren-Bundestrainer Tobias Reiter, der in der Vergangenheit auch Preuß unter seinen Fittichen hatte. „Ich habe den Eindruck, sie nimmt das sehr gut an und kann damit umgehen. Wenn sie es von ihrer mentalen Einstellung her wieder so hinbekommt wie im vergangenen Jahr, dann spricht nichts dagegen. Dann wird sie, wie im vergangenen Jahr, ihre Erfolge einfahren“, erklärte er im SPORT1-Interview.
Ex-Biathlet Michael Greis weiß zwar ebenfalls um die Stärken der Vorzeige-Biathletin in der „Blüte ihrer Karriere“, dennoch macht sich der dreimalige Olympiasieger Gedanken. So strahle Preuß zwar Ruhe aus, könne in der neuen Saison aber nicht mehr von den Erfolgen aus dem vergangenen Jahr zehren.
Leitfigur im deutschen Biathlon
„Das aktuelle Problem ist, dass Franziska die Leitfigur ist. Die, die im Fokus steht, den Rucksack zu tragen hat. Sie hofft, dass sie das mit genügend Lockerheit und Entspanntheit hinkriegt, weil aktuell natürlich jeder von ihr was möchte und genau die Fragen zu Olympia stellt“, sagte Greis im Gespräch mit SPORT1.
Er weiß: „Es ist schon belastend, wenn der Erwartungsdruck so hoch ist. Ich hoffe, dass sie ihn zum richtigen Zeitpunkt ablegen kann und es dann einfach laufen lässt.“
Dass die Gesamtweltcupsiegerin trotz Druck und Geräuschen von Außen gewappnet in Richtung neue Saison geht, machte sie vor den Biathlon-Anhängern beim Sommer-Fanfest deutlich.
Preuß folgt einem strengen Plan
Auf die Frage, was sie aus dem vergangenen Winter mitnehmen könne, erklärte sie: „Das Wichtigste ist, dass man manchmal keine Kompromisse macht. Es fängt in der Trainingsplanung an, in der Abwehr von Infekten. Man trifft sich ab Oktober mit keinen anderen Menschen mehr.“
Preuß betonte: „Da gehört wahnsinnig viel dazu und man muss seiner roten Linie folgen, auch wenn es zäh ist und man sich gerne mal mit Freunden treffen würde. Aber es ist zu riskant. Auch im Training darf man nicht zu viele Kompromisse machen. Ich weiß, was mir guttut, was ich machen muss. Man muss sich da immer treu bleiben und der roten Linie folgen.“
Im besten Fall endet diese Linie im Februar 2026 in Antholz auf dem Podest.