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Von der Zwangspause zurück aufs Podest: Biathlon-Star startet Comeback!

Zurück auf dem richtigen Weg

Im vergangenen Sommer waren es mentale Probleme, im Winter streikte dann ihr Körper: Vanessa Voigt erlebte zuletzt zwei größere Rückschläge und beendete ihre Saison vorzeitig. Nun kämpft sie sich zurück – und ist auf einem guten Weg, wie sie im SPORT1-Interview verrät.
Vanessa Voigt
Vanessa Voigt
© IMAGO/Sven Simon
Im vergangenen Sommer waren es mentale Probleme, im Winter streikte dann ihr Körper: Vanessa Voigt erlebte zuletzt zwei größere Rückschläge und beendete ihre Saison vorzeitig. Nun kämpft sie sich zurück – und ist auf einem guten Weg, wie sie im SPORT1-Interview verrät.

Vanessa Voigt bewegte sich in den letzten eineinhalb Jahren in Extremen. Erst landete die 27-Jährige als beste deutsche Biathletin der Saison 2023/24 auf Platz acht im Gesamtweltcup, bevor sie im Sommer 2024 wegen mentaler Probleme mit dem Training pausierte. Zum Weltcup-Auftakt im Winter 2024/25 stand sie dann wieder am Start und überzeugte auch mit ihren Leistungen. Doch im Januar folgte der nächste Rückschlag.

Nach einem enttäuschenden Platz 68 im Sprint von Oberhof und Platz 70 im Einzel von Ruhpolding setzte Voigt einen Schlussstrich unter die Saison. Sie war erschöpft, ihr Körper konnte schlichtweg nicht mehr. Grund dafür waren die Folgen einer schweren Atemwegsinfektion über den Jahreswechsel. Selbst kurze Spaziergänge an der frischen Luft brachten sie zwischendurch aus der Puste. Inzwischen arbeitet die Thüringerin aber an ihrem Comeback. Und das läuft gut, wie sie im SPORT1-Interview verrät.

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SPORT1: Vanessa Voigt, Sie haben die vergangene Biathlon-Saison Ende Januar aufgrund anhaltender körperlicher Probleme vorzeitig beendet. Mittlerweile trainieren Sie wieder – ein gutes Zeichen. Wie geht es Ihnen derzeit?

Vanessa Voigt: Sehr gut, würde ich sagen. Sowohl menschlich als auch sportlich. Ich kann mich seit über einem Monat wieder voll belasten und habe einen ersten Testwettkampf bestritten. Anfangs war ich schon etwas skeptisch, weil ich dachte, dass alles noch ein wenig länger dauert. Aber inzwischen ist die Trainingsverträglichkeit wieder sehr gut.

“Wintersportler werden im Sommer gemacht”

SPORT1: Wie schafft man es als Wintersportlerin, sich in den langen Sommermonaten ohne baldige Weltcup-Starts für das Training zu motivieren?

Voigt: Ich muss zugeben, dass es mir teilweise auch etwas schwerfällt, mich zu motivieren. Man hat ja nicht jeden Tag das Gefühl, Bäume ausreißen zu können. Dennoch muss man sich immer wieder bewusst machen, dass man sein Hobby zum Beruf gemacht und das große Privileg hat, rausgehen zu können. So fällt es einem leichter, immer ein Prozent mehr aus sich herauszuholen. Und klar: Wintersportler werden im Sommer gemacht. Disziplin ist im Hochleistungssport unheimlich wichtig.

SPORT1: Ihre Karriere hat bereits viele Facetten durchlaufen. Es gab viele Höhen und Tiefen. Wie sind Sie in den vergangenen Monaten mit Ihrer Pause umgegangen?

Voigt: Es war nicht einfach. Letzten Sommer streikte der Kopf, im vergangenen Winter hat dann der Körper nicht mehr mitgespielt. Geduld ist auch so eine Sache – auf jeden Fall nicht mein zweiter Vorname. Gerade, wenn es um die körperliche Gesundheit geht. Damit hatte ich in meiner Karriere noch nicht viele Berührungspunkte. Ich musste erst einmal mit der Situation zurechtkommen, mich in Geduld üben und Vertrauen zu den Ärzten aufbauen. Aber das Umfeld ist in solchen Phasen extrem wichtig. Das hat mir viel Energie gegeben. Vor allem mein Freund war rund um die Uhr bei mir und hat mir in den Wochen, die sehr schleppend vergingen, Kraft gegeben.

SPORT1: Viele Athletinnen und Athleten erzählen, dass eine Zwangspause etwas in ihrem Kopf, in ihrer Identität, verändert.

Voigt: Definitiv, das höre ich auch immer wieder. Aus einer solchen schwierigen Zeit kann man persönlich sehr viel mitnehmen. Sich ein paar Wochen abseits der gewohnten Umgebung zu bewegen, ist eine Erfahrung für die Zukunft. Es hat mir menschlich einiges gezeigt und ich habe neue Dinge gelernt, die mich als Person auszeichnen. Am Ende sind es nicht nur die Rennen um Medaillen, sondern auch die kleinen Dinge im Alltag, die man neu lernt und die einen stolz machen.

“Das Größte, was ich bisher geschafft habe”

SPORT1: Was sind diese kleinen Dinge bei Ihnen zum Beispiel?

Voigt: Ich bin mittlerweile sehr gut im Kakao machen und kann super Eier kochen. Pancakes gelingen mir inzwischen auch super (lacht). Das sind diese kleinen Sachen, über die man sich kurioserweise freut, wenn man merkt, dass man dafür doch ein Talent besitzt.

SPORT1: Welche Hürde war bis dato die größte, die Sie als Athletin überwinden mussten?

Voigt: Im vergangenen Sommer den Stopp-Knopf zu drücken und mir selbst zu sagen: ‚Bis hierhin und nicht weiter.‘ Das Training auf höchstem Niveau, das ich von mir verlange, konnte ich einfach nicht mehr abrufen. Und zu sagen: ‚Ich lege jetzt für eine unbestimmte Zeit eine Pause ein und kümmere mich zuerst um mich selbst‘, ist aus meiner Sicht das Größte, was ich bisher geschafft habe.

SPORT1: Haben Sie dafür mit einem Mentalcoach zusammengearbeitet oder das alleine hinbekommen?

Voigt: Tatsächlich alleine. Ich habe mich mit einem Mentalcoach ausgetauscht und ihm auch meine Entscheidung dargelegt. Er hat mich dann nur dazu beglückwünscht, dass ich diese Entscheidung so für mich getroffen habe.

SPORT1: Was ist die wichtigste Technik, um den Fokus aufs Positive zu wahren?

Voigt: Das ist eine sehr gute Frage und wahrscheinlich ziemlich individuell. Mir hilft es mittlerweile extrem – und das habe ich im letzten Jahr ein Stück weit gelernt –, offen mit verschiedenen Themen umzugehen. Kommunikation ist das höchste Gut. Sie hilft uns, unsere Identität zu entwickeln und unsere Gedanken und Gefühle angemessen auszudrücken.

Voigt nimmt am City-Biathlon in Dresden teil

SPORT1: Was ist der größte Unterschied zwischen Vanessa Voigt 2024 und 2025?

Voigt: Vor meiner „mentalen Pause“ habe ich mein Selbstwertgefühl stark mit dem Sport verbunden. Ich war immer nur darauf fokussiert, die Sportlerin Vanessa voranzubringen. Alles andere lief eher zweitrangig nebenher. Was ich jetzt geschafft habe, ist, dass erst einmal der Mensch im Vordergrund steht und die Sportlerin erst danach kommt. Wenn diese beiden Aspekte gut miteinander harmonieren, läuft es oft besser, als man selbst glaubt, wie man auch bei mir zu Beginn des vergangenen Winters sah.

SPORT1: Lesen inspiriert Sie.

Voigt: Grundsätzlich blättere ich gerne in Büchern herum, aber leider fehlt mir oft die Zeit dafür, es noch intensiver zu machen. Ich lese eher spezielle Dinge und keine Romane oder Ähnliches. Mich interessieren beispielsweise Biografien anderer Sportler, um zu sehen, wie sie persönliche Krisen überwunden haben. Oder Psychologie-Bücher, aus denen man für sich etwas mitnehmen kann.

SPORT1: Sie nehmen Ende August am City-Biathlon in Dresden teil und feiern dort zumindest in kleinem Rahmen Ihr Comeback. Welchen Stellenwert hat eine solche Veranstaltung für Sie?

Voigt: Dass ich schon wieder in der Lage bin, mir eine Startnummer überzuziehen und loszupirschen, ist ein gutes Signal. Vor zwei Wochen hatte ich schon einen ersten Testwettkampf absolviert. Ich war ziemlich aufgeregt. Vor dem Start bekam ich meinen Puls gar nicht mehr runter. Es war das erste Mal seit dem Weltcup in Ruhpolding im Januar, dass ich eine Startnummer trug. Auf Dresden schaue ich aktuell aber noch mit einer gewissen Gelassenheit. Es ist für mich auch kein richtiges Comeback. Trotzdem möchte ich sehen, wo ich stehe. Ich habe an vielen Dingen gearbeitet und hoffe, dass ich gute Fortschritte gemacht habe. Dieser Wettkampf ist außerdem wichtig, um wieder in einen Rennrhythmus zu finden, ein Gespür dafür zu entwickeln, weshalb man das Ganze eigentlich macht, und um wieder Wettkampferfahrung zu sammeln. Und dann sind da noch die deutschen Fans, das wird eine coole Veranstaltung.

“Manchmal wünsche ich mir Denise zurück”

SPORT1: Sprechen wir über den kommenden Winter. Mit welchem Vorsatz wollen Sie in die Saison 2025/26 gehen?

Voigt: Ich bin erst einmal sehr froh, einen Platz in der Weltcup-Mannschaft zu haben und mich nicht um Qualifikationen kümmern zu müssen. Ansonsten gilt das gleiche Motto wie in der vergangenen Saison. Bedeutet: Einfach mit einem Lächeln am Start stehen. Es ist eine Olympia-Saison, also eine spezielle Saison. Aber ich versuche, so gut es geht, mit der nötigen Gelassenheit an die Sache heranzugehen. Dann kommt vieles von alleine.

SPORT1: Das große Highlight sind die Olympischen Spiele mit den Biathlon-Wettbewerben in Antholz. Auch wenn diese noch weit weg sind, denken Sie trotzdem schon manchmal daran?

Voigt: Auf jeden Fall. Ich muss sogar sagen, die Winterspiele sind für mich gar nicht mehr so weit entfernt. Es geht alles so schnell, das ist krass. In drei Wochen stehen schon wieder die Deutschen Meisterschaften vor der Tür. Und nach der Deutschen Meisterschaft sagt man immer: ‚Jetzt dauert es auch nicht mehr lange, dann geht der Winter wieder los.‘ Der Sport ist so schnelllebig, die Zeit vergeht wirklich wie im Flug.

SPORT1: Nach dem Karriereende von Denise Herrmann-Wick wurden dem deutschen Damen-Team schwierige Jahre vorausgesagt. Jetzt stellen Sie mit Franziska Preuß die Gesamtweltcupsiegerin und haben mit Selina Grotian und Ihnen mindestens zwei weitere Top-Ten-Läuferinnen in den eigenen Reihen. Wie sehen Sie die Entwicklung? Sind Sie die zweite Kraft hinter Frankreich?

Voigt: Schwierig. Frankreich hat natürlich ein sehr starkes Team. Sie schwimmen immer vorne mit. Dann holen sie Leute aus der zweiten Riege hoch, die sofort Weltcup-Rennen gewinnen. Das ist schon sehr faszinierend. Dennoch schaffen es immer wieder Leute aus unserem Team, ganz vorne mitzulaufen. Ich muss ehrlich sagen, manchmal wünsche ich mir Denise auch zurück. Man konnte enorm viel von ihr lernen. Sei es im Training oder außerhalb davon. Mir hat das extrem weitergeholfen. Aber es ging auch nach ihr weiter, und das ist schön zu sehen.

Dahlmeier? “Eine großartige Sportlerin und ein großartiger Mensch”

SPORT1: Laura Dahlmeier ist vor wenigen Wochen auf tragische Weise verstorben. Sie kannten sie von früher. Wann haben Sie gemerkt, dass sie eine ganz besondere Biathletin ist? Und gibt es einen besonderen Moment mit ihr, an den Sie sich gerne erinnern?

Voigt: Richtig viele Berührungspunkte hatte ich mit Laura nicht. Als meine Weltcup-Karriere richtig losging, hatte sie ihre gerade beendet. Natürlich war sie in den vergangenen Jahren als Expertin oft dabei. Da habe ich sie sehr schätzen gelernt. Sie war eine großartige Sportlerin und ein großartiger Mensch. Ich finde es immer wieder verrückt, wenn ich daran denke, wie schnell ihr Leben war. Mit 25 Jahren den Mut zu haben, im Biathlon einen Schlussstrich zu ziehen, weil man alles erreicht hat, ist außergewöhnlich.

SPORT1: Zum Abschluss noch eine offene Frage: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, welche wären das?

Voigt: Erstmal ganz einfach gut in den Biathlon-Zirkus zurückkehren. Mit Spaß an die Aufgaben herangehen. Den Spaß dann nie verlieren. Und wenn ich noch einen zusätzlichen Wunsch frei hätte, würde ich mir eine erfolgreiche Saison wünschen (lacht). Eine Saison, nach der ich mit Stolz behaupten kann, alles gegeben zu haben – vor allem für die Leute, die mich während der schweren Zeit unterstützt haben.