Gold, Gold und Silber. Janina Hettich-Walz, die im vergangenen Winter wegen der Geburt ihrer Tochter Karlotta im Februar pausierte, sorgte bei der ersten richtigen Standortbestimmung nach langen Vorbereitungswochen für Furore und nahm gleich drei Medaillen mit nach Hause. Bei den Deutschen Biathlon-Meisterschaften am Großen Arber im Bayerischen Wald gewann die 29-Jährige den verkürzten Einzel sowie den Sprint, in der Verfolgung wurde sie Zweite.
Biathlon: Die bemerkenswerte Rückkehr eines deutschen Stars!
Eine bemerkenswerte Rückkehr
Vor ihrer Babypause etablierte sich Hettich-Walz endgültig in der Weltspitze und feierte mit Platz zwei im Einzel der Weltmeisterschaften 2024 in Nove Mesto ihren bisher größten sportlichen Erfolg. Im Interview mit SPORT1 unterstreicht sie ihre großen Ambitionen für die kommende Saison und spricht über das Sportlerinnenleben als Mutter.
SPORT1: Sie haben bei den Deutschen Meisterschaften Ihr Comeback nach einer Babypause gefeiert – und das hätte kaum besser laufen können: Zwei Siege, ein zweiter Platz. Waren Sie von sich selbst überrascht?
Janina Hettich-Walz: Ein bisschen auf jeden Fall. Ich habe im Training gemerkt, dass ich ganz gut in Form bin, und dachte mir schon, dass ich vielleicht um die Podestplätze mitlaufen kann. Dass ich die ersten beiden Rennen aber gleich gewinne und dazu noch die Laufbestzeiten hinlegen würde, damit hätte ich nicht gerechnet.
Biathlon: „Der organisatorische Aufwand ist groß“
SPORT1: Es waren Ihre ersten Wettkämpfe in diesem Jahr, Sie haben auf Anhieb alle etablierten Namen hinter sich gelassen. Unter anderem Franziska Preuß, Vanessa Voigt und Selina Grotian.
Hettich-Walz: Das muss man einordnen. Für mich waren die Deutschen Meisterschaften Teil der Weltcup-Qualifikation. Für Franzi, Selina und Vanessa nicht. Deshalb musste ich anders, etwas offensiver an die Sache herangehen. Ich wollte sehen, ob ich wieder vorne mitlaufen kann – das scheint zumindest fürs Erste zu klappen. Wir haben starke Mädels in den eigenen Reihen, die in der Vergangenheit gezeigt haben, dass sie international super dabei sind. Hinter denen darf man sich nicht verstecken. Und gerade nach einer längeren Pause ist es schön, wenn man sich an den anderen orientieren kann. Das gibt eine kleine Zusatzmotivation (lacht).
SPORT1: Wie viel Zeit haben Sie sich nach Ihrer Schwangerschaft gegeben, bis Sie wieder ins Biathlon-Training eingestiegen sind?
Hettich-Walz: Ich habe zwei oder drei Wochen nach der Entbindung im Februar damit begonnen, wieder leichten Sport zu machen. Richtig wieder eingestiegen bin ich dann etwa Ende April und Anfang Mai. In meinen Planungen musste ich einiges im Vergleich zu früheren Jahren umstellen, weil ich jetzt Mama bin. Aber im Großen und Ganzen konnte ich vieles so umsetzen, wie ich es mir vorgestellt habe.
SPORT1: Sie stecken nun mitten in den Vorbereitungen für den kommenden Winter. Was ist die größte Herausforderung im Alltag, um den Spagat zwischen Leistungssport und Mutterschaft zu schaffen? Ist Ihre Tochter immer dabei?
Hettich-Walz: Der organisatorische Aufwand ist groß. Dabei muss die gesamte Familie helfen. Das Wichtigste für mich ist dazu, mir immer wieder zu sagen: Wenn ich trainiere, dann richtig und mit maximaler Qualität. Es gibt jetzt Tage, an denen das Training wegen meiner Tochter kürzer sein oder sogar komplett ausfallen muss. Davon will ich mich nicht stressen lassen, sondern die Zeit, die ich habe, bestmöglich ausnutzen. Als wir zuletzt in Livigno und in Bessans im Trainingslager waren, sind mein Mann und Karlotta mitgereist. Er hat sich dort um Karlotta gekümmert, damit ich mit der Mannschaft trainieren konnte.
„Der Schlafmangel ist für mich nicht so schlimm“
SPORT1: Ihre Tochter ist inzwischen sieben Monate alt. Wie geht es der Familie und welchen Charakter offenbart sie bisher?
Hettich-Walz: Uns geht es gut, sie ist gesund und putzmunter. Karlotta ist sehr aufgeweckt. Sie hat immer etwas zu sehen oder zu strampeln und powert sich offenbar sehr ordentlich aus. Denn nachts schläft sie ganz gut. Der Schlafmangel ist für mich nicht so schlimm. Zumindest bis jetzt nicht (lacht).
SPORT1: Sie sind eine Saison lang nicht im Weltcup gelaufen. Wie war es, einmal nicht diesem dauerhaften Druck des Leistungssports ausgesetzt zu sein?
Hettich-Walz: Ehrlich gesagt war es schon ein bisschen schön, nicht ständig an Biathlon denken zu müssen. In gewisser Weise konnte ich die Zeit also genießen. Je länger die Pause andauerte, desto mehr wurde mir aber bewusst, wie sehr mir der Sport doch fehlt. Vor allem die Wettkämpfe, die direkten Duelle. Deshalb war mir längst klar, dass ich in diesem Winter unbedingt wieder dabei sein möchte.
Hettich-Walz: „Fühle mich mindestens so fit wie vor zwei oder drei Jahren“
SPORT1: Es gibt bereits Biathletinnen, die nach einer Schwangerschaftspause ihr Comeback gefeiert und große Erfolge erzielt haben. Justine Braisaz-Bouchet zum Beispiel. Haben Sie sich bei Sportlerinnen, die als Mütter zurückgekehrt sind, erkundigt, wie sie es gemacht haben?
Hettich-Walz: Den einen oder anderen Werdegang habe ich aus der Ferne verfolgt, aber bewusst nicht genau nachgefragt. Ich wollte mein eigenes Ding machen und mich nicht stressen lassen. Sonst kämen die ganzen Fragen: Wie viel Sport macht man während der Schwangerschaft? Wann fängt man danach wieder an? Wenn mir jemand erzählt hätte, dass sie zwei Wochen nach der Geburt auf Skiern stand, während ich mich zum gleichen Zeitpunkt noch gar nicht danach gefühlt hätte, hätte mich das sehr unter Druck gesetzt. Ich wollte auf meinen eigenen Körper hören. Jede Schwangerschaft ist anders. Deswegen habe ich mich mit Nachfragen absichtlich etwas zurückgehalten.
SPORT1: Auf welchem Leistungsstand befinden Sie sich gerade, wenn Sie einen Vergleich zur Zeit vor der Geburt ziehen?
Hettich-Walz: Ich glaube, dass ich mich auf einem ziemlich guten Weg befinde. Es ist schwer, dass in Prozenten auszudrücken. Ich fühle mich aber mindestens so fit wie vor zwei oder drei Jahren. Wenn nicht sogar noch einen Tick fitter für diesen Zeitpunkt der Vorbereitung. Klar, ich weiß, dass die Weltcups im Winter noch in weiter Ferne sind und ich meine Leistungen dort erst bestätigen muss – bisher war es nur ein gutes Wochenende. Aber es hat mir gezeigt, dass mein Training offenbar gut passt und es im Winter hoffentlich ähnlich sein könnte.
„Die Unterstützung, die ich erhalte, ist groß“
SPORT1: Sehen Sie sich als Vorbild für andere Biathletinnen?
Hettich-Walz: Ein Vorbild möchte ich in dieser Hinsicht nicht sein. Zumindest sehe ich mich selbst nicht so. Dennoch würde ich mich freuen, wenn auch ich zeigen könnte, dass eine Rückkehr in den Leistungssport nach einer Schwangerschaft möglich ist. Dass man das Muttersein und den Sport verbinden kann. Man muss viel arbeiten, keine Frage. Aber das ist auf Spitzenniveau immer so. Im deutschen Wintersport gab es das noch nicht oft, dass jemand nach einer Babypause zurückgekommen ist. Ich hoffe, das kann ein Fingerzeig sein.
SPORT1: Vor rund anderthalb Jahren sagte Miriam Neureuther im SPORT1-Interview, dass „die Tür im Wintersport noch relativ geschlossen“ für solche Themen sei, „zumindest in Deutschland“.
Hettich-Walz: Solche Erfahrungen habe ich nicht gemacht. Ich hatte aber den Vorteil, dass ich die Babypause nach einer sehr guten Saison eingelegt habe. Da sagten mir die Trainer und Felix (Bitterling, DSV-Sportdirektor; Anm. d. Red.) gleich Unterstützung zu. Ich durfte in der Trainingsgruppe LG1a bleiben, in der höchsten Lehrgangsgruppe. Das half sehr. Im Vorfeld wusste ich auch nicht, wie auf das Thema reagiert werden würde. Kritiker oder Skeptiker wird es ohnehin immer geben. Darüber mache ich mir gar keine Gedanken. Bisher kann ich nur sagen, dass die Reaktionen durchweg positiv waren.
„Wenn alles passt, kann es weit nach vorne gehen“
SPORT1: Können Sie genauer erklären, wie die Unterstützung des Verbandes aussieht?
Hettich-Walz: Die Unterstützung, die ich erhalte, ist groß. Ich kann mich auf alle verlassen. Neben der Erhaltung des Kaderstatus war der Kontakt zu der medizinischen Abteilung im Verband sehr gut. Ich konnte mir jederzeit Rat einholen. Mehr brauchte ich überhaupt nicht. Und im Winter kann ich meine Tochter dann zu den Weltcups mitnehmen, was natürlich extrem wichtig ist. Für jeden Wettkampf werden wir eine gute Lösung finden, das steht schon fest.
SPORT1: Der Winter 2025/26 wirft langsam seine Schatten voraus. Mit welchen Zielen gehen Sie in die neue Saison?
Hettich-Walz: Mein Ziel ist es, an den Olympischen Spielen teilzunehmen und dort eine Medaille zu gewinnen. Das habe ich klar vor Augen. Der Vizetitel (Platz zwei im WM-Einzel 2024; Anm. d. Red.) hat mir gezeigt, was möglich ist und dass ich das Potenzial dazu habe. Wenn alles passt, kann es weit nach vorne gehen.