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Biathlon: Ein "Konzepttrainer" wie Nagelsmann

Ein „Konzepttrainer“ wie Nagelsmann

Tobias Reiter ist seit Februar Bundestrainer der Biathlon-Herren. Im exklusiven Interview mit SPORT1 spricht er über die kommende Saison und seine Pläne für Olympia.
Biathlon-Bundestrainer Tobias Reiter bereitet seine Biathleten aktuell auf den anstehenden Winter vor. Dabei hat er ein Konzept entwickelt, der das DSV-Team wieder an die Weltspitze führen soll.
Tobias Reiter ist seit Februar Bundestrainer der Biathlon-Herren. Im exklusiven Interview mit SPORT1 spricht er über die kommende Saison und seine Pläne für Olympia.

Noch vor dem Ende der vergangenen Biathlon-Saison hat Tobias Reiter das Amt des Bundestrainers bei den Herren von Uros Velepec übernommen. Im Winter beginnt er nun seine erste volle Saison als Cheftrainer.

Im exklusiven SPORT1-Interview spricht der ehemalige Biathlet darüber, wie er die Mannschaft zurück auf Olympia-Gold-Niveau bringen möchte, über vielversprechende Nachwuchstalente, den Vergleich zu Julian Nagelsmann und die verstorbene Biathletin Laura Dahlmeier.

SPORT1: Sie gehen in ihre erste volle Saison als Cheftrainer - wie geht es Ihnen und wie sieht es mit dem Stresslevel aus?

Tobias Reiter: Mir geht’s gut. Mein Stresslevel ist so, wie die letzten Jahre auch. Da war es auch schon nichts Anderes, da war ich nur in einer anderen Position. Von dem her freuen wir uns, wenn es bald losgeht im Winter.

SPORT1: Im vergangenen Jahr war Philipp Nawrath der beste deutsche männliche Biathlet im Gesamtweltcup auf Platz 14. Das ist nicht ganz der Anspruch des DSV, oder?

Reiter: Natürlich wollen wir unsere Athleten immer weitmöglichst vorne platzieren, ich war trotzdem im letzten Jahr sehr überrascht. Wir hatten sechs Athleten im Massenstart beim letzten Weltcuprennen in Oslo. Also es ist eine sehr kompakte Mannschaft, da kann jeder unter die ersten Zehn laufen. Jetzt gilt es letztendlich, dass wir mehr Jungs dort vorne in die Top-10-Platzierungen bekommen.

Reiter will zurück auf Gold-Niveau für Olympia

SPORT1: Sie sollen die Mannschaft wieder zu Olympia an die Spitze führen. Sportdirektor Felix Bitterling hat gesagt, Sie haben einen „kristallklaren“ Plan. Wie sieht der denn aus ungefähr?

Reiter: Wir haben sehr früh begonnen, uns mit den Jungs zusammenzusetzen - und mit den Athleten zusammen die Jahresplanung entwickelt. Das war ein wichtiger Schritt, um diese auch mitzunehmen. Und jetzt versuchen wir peu à peu diesen Plan umzusetzen. Wir haben am Schießstand ein paar Dinge verändert, genauso im Laufen. Und dann gilt es aber, den roten Faden auch über den Sommer durchzuziehen.

SPORT1: Sie sprechen das Schießen an, das war immer mal wieder mit Problemen behaftet in der vergangenen Saison. Haben Sie da nochmal extra Fokus drauf gelegt im Sommer?

Reiter: Ja, da haben wir an ein paar Stellschrauben gedreht. Zum einen haben wir mehr Schüsse unter hoher Intensität gemacht, das war bisschen ein Problem letztes Jahr. Wir haben auch das Anlaufverhalten am Schießstand individuell auf die Athleten angepasst und optimiert - und auch was die Schießstandzeit betrifft, ein bisschen zurückgedreht. Dafür sind wir mehr auf die Treffer eingegangen, weil jetzt merkt man, mit mehr Vertrauen wird die Schießstand-Zeit automatisch schneller.

Reiter: „Konzeptvernarrt” wie Julian Nagelsmann

SPORT1: Felix Bitterling hat Sie auch als „Konzepttrainer“ bezeichnet. Das kennt man auch aus dem Fußball, zum Beispiel von Julian Nagelsmann. Was meint er denn bei Ihnen damit?

Reiter: Ich bin schon einer, der sehr gerne und auch sehr detailliert plant und ein Konzept vorlegt. Und so haben wir‘s eben gemacht: Wir haben ein sehr detailliertes Konzept früh erarbeitet. Ein Teil im Trainerteam, ein Teil mit den Athleten selbst. An diesen Plan halten wir uns jetzt tagtäglich und versuchen, dieses Konzept umzusetzen. Von dem her stimmt es schon, dass ich konzeptvernarrt bin. Einfach, weil ich davon überzeugt bin, wenn man sich erstmal etwas zurechtlegt und davon überzeugt ist, dann muss man das auch sehr engmaschig durchziehen.

SPORT1: Bei der Lehrgangsgruppe 1A haben wir mit Simon Kaiser (26 Jahre) und Danilo Riethmüller (25 Jahre) die beiden jüngsten Athleten. Machen Sie sich ein wenig Sorgen mit Blick auf den Nachwuchs?

Reiter: Aktuell schaut das definitiv so aus, aber Sorgen mache ich mir überhaupt keine. Wir haben ziemlich gute Jungs, die auch in der B-Mannschaft und auch im C-Kader sind, und haben auch sehr gute Trainer in diesen Mannschaften. Da geht auch richtig was vorwärts und da bin ich mir auch sicher, dass wir in den nächsten Jahren den einen oder anderen jungen Athleten im Weltcup sehen werden, weil wir da fleißige, disziplinierte, junge Jungs haben und ein gutes Trainerteam dazu. Und von dem her bin ich davon überzeugt, dass wir die nächsten Jahre den einen oder anderen auch sehen.

SPORT1: Gibt es jemanden, der Ihnen besonders Hoffnung macht, oder muss man einfach mal abwarten und sehen, wer sich besonders hervortut?

Reiter: Ich glaube, Namen zu nennen ist da nicht so gut. Da setzt man diejenigen einen besonderen Druck aus. Das würde ich nicht machen. Aber wir haben eine Handvoll richtig guter Jungs und die wissen das alle.

Reiter über Laura Dahlmeier und Franziska Preuß

SPORT1: Sie waren ja auch vor einiger Zeit Co-Trainer bei den Frauen, kennen Franziska Preuß daher auch. Sie ist im vergangenen Jahr Gesamtweltcup-Siegerin geworden, die Olympia-Einzelmedaille fehlt ihr noch. Was trauen Sie ihr in der Position der Gejagten jetzt zu?

Reiter: Ich bekomme da relativ wenig mit, aber ich habe den Eindruck, sie nimmt das sehr gut an und kann damit gut umgehen. Und wenn sie das wieder von ihrer mentalen Einstellung so hinbekommt wie letztes Jahr, spricht da nichts dagegen. Dann wird sie ihre Erfolge genauso wieder einfahren.

SPORT1: Es gab in der vergangenen Saison ein wenig Aufruhr um die neue Startgruppenregelung, während der Saison hat man davon weniger gehört. Das Ziel war, Biathlon weiterhin attraktiv zu halten - auch für die Fernsehzuschauer. Braucht die Sportart Ihrer Meinung nach Änderungen, um dauerhaft interessant zu bleiben?

Reiter: Sicherlich muss man immer schauen, dass man ein bisschen mit der Zeit geht, die Show muss natürlich auch immer gegeben sein für die Zuschauer. Und da muss der Biathlon-Sport auch seine Schritte machen. Ich glaube aber, dass da die IBU mit guten Leuten sehr gut aufgestellt ist, um das dann vorauszudenken für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Klar muss man schauen, dass man mit der Zeit mitgeht, aber da haben sie ganz vernünftige Schritte eingeleitet. Es geht immer darum, dass man den sportlichen Wert behält, und den Eindruck habe ich schon, dass das gegeben ist.

SPORT1: Ende Juli ist Laura Dahlmeier leider auf tragische Art und Weise verstorben. Sie kannten sie auch von früher. Wann haben Sie gemerkt, dass da eine ganz besondere Biathletin in Ihren Reihen ist?

Reiter: Das hat man schon sehr früh gemerkt. Das haben schon die Schülertrainer bemerkt und in der Mannschaft, als ich dazukam, haben wir das auch sofort bemerkt. Sie hat einfach die Gabe gehabt, Dinge, die man ihr gesagt hat, sofort umzusetzen. Sie hat auch im richtigen Moment einen kühlen Kopf bewahrt und dann intuitiv die richtigen Dinge gemacht. Es war schon sehr früh abzusehen, dass sie eine sehr gute Athletin ist.

SPORT1: Gibt es einen Moment mit ihr, an den Sie sich besonders gerne erinnern?

Reiter: Bei Olympia, ihre Medaille in der letzten Runde in der Verfolgung, wo sie auch mal Zeit hatte, am Streckenrand rauszuschauen zu uns Trainern und mit uns abzuklatschen. Das ist schon so ein Moment, den man definitiv noch gut in Erinnerung hat.