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Olympiasieger prophezeit Problem für Preuß

Greis: Dieses Problem erwartet Preuß

Vor dem olympischen Winter analysiert Ex-Biathlet Michael Greis im SPORT1-Interview die Chancen der Deutschen. Er spricht auch über den Druck, der auf Gesamtweltcupsiegerin Franziska Preuß lastet.
Michael Greis prognostiziert wie sich der Weltcup bei den Herren in der kommenden Saison entwickeln wird. Die Franzosen stehen bei ihm ganz oben auf der Liste.
Vor dem olympischen Winter analysiert Ex-Biathlet Michael Greis im SPORT1-Interview die Chancen der Deutschen. Er spricht auch über den Druck, der auf Gesamtweltcupsiegerin Franziska Preuß lastet.

In der kommenden Biathlon-Saison steht mit den Olympischen Spielen in Antholz ein absolutes Highlight auf dem Programm. Vor der Saison, die Ende November in Östersund beginnt, spricht Ex-Biathlet Michael Greis im SPORT1-Interview über die Situation im deutschen Team.

Der dreimalige Olympiasieger analysiert dabei die Chancen der DSV-Athleten, spricht über den Druck, der auf Franziska Preuß lastet und erklärt, was der Rücktritt der Bö-Brüder für das norwegische Team bedeutet.

SPORT1: Michael Greis, ein olympischer Winter steht vor der Tür. Sie sind Olympiasieger. Wie finden Sie es, dass nach Pyeongchang und Peking die Spiele wieder in einer Biathlon-Hochburg wie Antholz stattfinden?

Michael Greis: Ich finde es super. Gerade die Verhältnisse in Antholz waren all die Jahre eigentlich immer perfekt für die Biathleten. Es werden super faire Wettkämpfe, viele Zuschauer werden da sein. Daher bin ich fast neidisch, dass ich zu alt bin, denn gerade mit Italien verbindet jeder von uns positive Sachen und es werden bestimmt tolle Wettkämpfe. Ich freue mich für die Athleten, die an den Start gehen.

SPORT1: Sie sind in Turin 2006 dreimal Olympiasieger geworden. Aktuell könnte man annehmen, im kommenden Winter wird es mit einem deutschen Erfolg ein bisschen schwieriger, zumindest bei den Herren. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Greis: Bei den Herren ist immer noch ein kleiner Umbruch im Gange. Zum Glück wurde vergangenes Jahr die erste Medaille in der Staffel gewonnen, das wird Motivation sein. Aber auch die Norweger werden die beiden Bö-Brüder, die aufgehört haben, nicht ersetzen können. Deswegen wird es spannend bleiben. Klar ist, dass, anders als auf der Damenseite mit Franziska Preuß, nicht ein Athlet heraussticht. Man muss sehen, wie sie in die Saison reinkommen. Wenn sie cool bleiben, dann ist was möglich.

Greis unterstützt deutschen Biathlet Nawrath

SPORT1: Sie unterstützen Philipp Nawrath sehr viel als Freund und Berater. Hat er sich von Ihnen auch schon Tipps für Olympia abgeholt?

Greis: Ich versuche, der Berater oder Freund zu sein, den ich mir selbst gewünscht hätte. Und ich versuche natürlich, ihn dahingehend zu leiten. Aber am Ende muss er es selbst machen, gerade bei Olympia. Es ist schwierig, bei jedem Wettkampf steht er alleine da. Ich drücke natürlich die Daumen, weil ich das Potenzial von ihm kenne und es wäre schön, wenn es aufgeht.

SPORT1: Wenn man sich bei den Männern die aktuelle Lehrgangsgruppe 1A anschaut, sind Danilo Riethmüller und Simon Kaiser die beiden jüngsten Athleten mit 25 beziehungsweise 26 Jahren. Haben Sie mit Blick auf den deutschen Nachwuchs im Herrenbereich Sorge?

Greis: Danilo hat es ganz gut gemacht vergangenes Jahr und war im Weltcup schon einmal auf dem Podium. Simon Kaiser hat eine sehr gute Laufform und wenn er sich bewegt, gefällt er mir sehr gut. Das Schießen ist noch nicht so stabil, aber das kommt mit der Zeit, wenn er die richtigen Schwerpunkte setzt. Jetzt ist er das erste Mal in der Lehrgangsgruppe dabei. Da ist es wichtig, dass er ankommt und sich dann auch mit den anderen Athleten messen kann. Philipp Horn ist aktuell auch sehr gut drauf. Und wenn sie als Team wissen, wo sie hinwollen und wirklich anpacken, dann ist was möglich. Aber gerade der Herrenbereich ist unheimlich umkämpft und da muss man schauen, dass wir wieder einen Siegläufer bekommen.

SPORT1: Bei den Damen läuft es derweil sehr gut. Von Franziska Preuß abgesehen: Auch Selina Grotian gehörte zu den Top 10 im Gesamtweltcup und hat ihren ersten Weltcupsieg geholt. Was trauen Sie ihr in der kommenden Saison zu?

Greis: Selina hat einen sehr guten Weg gemacht. Sie hat vor allem das läuferische Vermögen, gut zu sein. Für ihr Alter ist sie einigermaßen gelassen, was das Schießen betrifft. Aber auch sie möchte Gas geben und dann sind Großereignisse nicht ganz so einfach. Da ist es natürlich toll, wenn man jemanden wie Franziska Preuß hat, die Ruhe ausstrahlt, die in der Blüte ihrer Karriere ist und an der man sich orientieren kann. Mit Julia Tannheimer ist bei den Damen zudem auch noch eine gute Biathletin da. Janina Hettich-Walz ist nach ihrer Babypause auch wieder zurück. Das Damenteam sieht relativ stabil aus und ich glaube, es läuft ganz gut bei ihnen.

Greis: Hoher Druck auf Franziska Preuß

SPORT1: Franziska Preuß hat den Gesamtweltcup gewonnen. Das haben Sie in Ihrer Karriere auch geschafft. Wenn Sie sich zurückerinnern: Was ändert sich in der darauffolgenden Saison, wenn man als Gejagter startet?

Greis: Neues Spiel, neues Glück, würde ich mal sagen. Davon kann man dann nicht mehr zehren. Gerade den Gesamtweltcup gewinnt man nur, wenn man eine komplette gute Saison hat. Aber in dieser Saison sind die Spiele wichtig und den Gesamtweltcup hat sie jetzt abgehakt. Da kann man einen Haken dran machen. Das Problem, das Franziska hat, ist, dass sie die Leitfigur ist. Diejenige, die im Fokus steht und die den ganzen Rucksack zu tragen hat. Ich hoffe, dass sie das mit genügend Lockerheit und Entspannung hinbekommt, weil aktuell jeder etwas von ihr möchte und genau die Fragen stellt: Wie schaut es aus mit Olympia? Was ist dein Ziel? Das ist schon belastend, wenn der Erwartungsdruck so hoch ist. Ich hoffe, dass sie das zum richtigen Zeitpunkt ablegen kann und es dann laufen lässt.

SPORT1: Die Bö-Brüder sind nicht mehr dabei. Damit fällt in Johannes Thingnes Bö auch der absolute Dominator der vergangenen Jahre weg. Glauben Sie, die Spitze schiebt sich nochmal enger zusammen? Oder wird es vielleicht einen neuen Dominator geben?

Greis: Wenn wir es analytisch sehen, war er natürlich der Dominator. Johannes Thingnes Bö hat vor allem die Laufzeiten bestimmt. Aber er hat sich diesbezüglich auch mit einigen anderen duelliert. Deswegen wird es tendenziell enger. Ich glaube aber auch, dass die Bö-Brüder der Trainingsgruppe in Norwegen gut getan haben. Sie haben einen Tick mehr Konstanz reingekriegt. Ich bin wirklich gespannt. Die Norweger haben mit Abstand das beste Team, also auch in der Dichte in Richtung IBU Cup. Wo die deutschen Männer zu kämpfen hätten, sind sie enorm stark. Aber ich glaube, die Konstanz geht mit dem Weggang der Bö-Brüder auch etwas verloren. Die Franzosen schätze ich momentan bei den Herren am schnellsten ein. Die können es sich leisten, mit Émilien Jacquelin ihren Besten im Gesamtweltcup nicht in der Staffel laufen zu lassen, weil er eine kleine Wundertüte ist. Es wird spannend.

SPORT1: Zum Abschluss noch ein sehr trauriges Thema. Ende Juli ist Laura Dahlmeier beim Klettern in Pakistan ums Leben gekommen. Was verbinden Sie mit ihr und wie behalten Sie sie in Erinnerung?

Greis: Das hat mich natürlich geschockt. Laura war immer schon ein Freigeist und hat ihr Ding durchzogen. Das war ein Schicksalstag in Pakistan. Das erschüttert jeden. Sie war eine tolle Repräsentantin des Biathlonsports - und eine super Expertin. Jetzt gibt es sie leider nicht mehr, das ist sehr hart. Es sollte uns daran erinnern, dass das Leben eigentlich brutal kurz ist und dass man es nutzen sollte. Für uns gilt es, sie in einer guten Erinnerung zu behalten und nach vorne zu schauen.