Skilanglauf-Olympiasiegerin Victoria Carl ist bei einer Dopingkontrolle positiv auf das Mittel Clenbuterol getestet worden. Die 29-Jährige steht nun im Zentrum eines Verfahrens der nationalen Anti-Doping-Agentur NADA, ihr droht das Aus für die Olympischen Spiele 2026 in Mailand und Cortina.
Doping-Beben: „Geht mir sehr schlecht“
Der Deutsche Skiverband (DSV) hat den seit Wochen intern schwelenden Vorgang am Mittwoch öffentlich gemacht und sich dabei hinter Carl gestellt. Wenige Stunden später veröffentlichte der Verband auch ein Video, in dem die Gesamtweltcup-Zweite - sichtbar emotional mitgenommen - ausführlich ihre Sicht der Dinge erklärt.
Doping-Affäre Victoria Carl: Husten-Medikament als Auslöser
Die Substanz sei in einem Hustensaft enthalten gewesen, der Carl bei ihrem letzten Saisonwettkampf verordnet worden war, schrieb der DSV.
„Ich war krank, hatte starke Hustenanfälle und habe das Medikament auf ärztliche Anweisung genommen. Ich habe alles offengelegt – mir war nicht bewusst, dass ein verbotener Wirkstoff enthalten ist“, wird die Thüringerin in der ursprünglichen Mitteilung zitiert: „Ich hoffe sehr, dass die Umstände nachvollzogen und fair bewertet werden.“
Wie der DSV mitteilte, sei Carl der Hustensaft „am 26. März nach ihrem letzten Rennen bei den CISM Winter-Militärweltspielen durch einen Truppenarzt der Bundeswehr medizinisch verordnet und verabreicht“ worden. „Aus Sicht des Verbandes spricht alles gegen eine Täuschungsabsicht“, schrieb der DSV. Allerdings kann auch eine fahrlässige Einnahme eine Sperre zur Folge haben.
„Victoria Carl wird derzeit mit möglichen Konsequenzen konfrontiert, für die sie medizinisch nicht verantwortlich ist. Eine Sperre, insbesondere mit Blick auf die Olympischen Spiele, wäre aus unserer Sicht weder gerecht noch verhältnismäßig“, sagte Stefan Schwarzbach, Vorstand Kommunikation im DSV: „Wir stehen für sauberen Sport – aber ebenso für Fairness und Verantwortung.“
Clenbuterol von WADA verboten
Am späten Nachmittag veröffentlichte der DSV bei Instagram ein Interview, in dem sich Carl weiter erklärte.
„Nach den zwei Wettkämpfen hatte ich sehr, sehr starken Wettkampfhusten, konnte kaum schlafen, bin nachts aufgewacht und hab mir bei unserem Truppenarzt Hilfe gesucht“, erklärte die merklich aufgewühlte Athletin. Es gehe um das Medikament Spasmo-Mucosolvan, in dem Clenbuterol enthalten ist - was auf der öffentlichen Liste des Welt-Anti-Dopingverbands WADA explizit vermerkt ist.
Die Substanz ist im Sport verboten, weil sie eine anabole Wirkung hat und durch die Beschleunigung der Körperfettverbrennung einen leistungssteigernden Effekt hat.
„Komplett“ auf den Arzt verlassen
Carl beteuert, arglos gehandelt zu haben: Sie habe nach Wettkämpfen immer wieder „sehr, sehr starke“ Hustenprobleme: „Und bei der Menge an Wettkämpfen, die ich im Winter gemacht habe, war das einfach zu viel. Ich konnte nicht mehr schlafen, war entkräftet und war einfach nur froh, dass mir ein Arzt helfen wollte.“
Sie sei davon ausgegangen, dass die Truppenmediziner „genauso professionell wie der DSV agieren, dass ich dann Medikamente bekomme, die man nehmen darf“. Dass sie Verbotenes tue, sei ihr „definitiv nicht bewusst“ gewesen, sie habe sich „komplett“ auf den handelnden Arzt verlassen.
Die derzeitige Situation sei hart für sie, trotz großen Zuspruchs „von meiner Familie und von DSV, die versuchen alles Menschenmögliche, um die Last von mir zu nehmen. Trotzdem geht es mir sehr, sehr schlecht. Es zieht extrem viel Energie, nur im Training selber, wenn ich mich bewege und in der Natur draußen unterwegs bin, kann ich ein Stück weit den Kopf ausmachen und nicht drüber nachdenken, was jetzt noch alles auf mich zukommt.“
„Ich trage die Konsequenzen komplett“
In dem Video wird durch den Interviewer auch beiläufig erklärt, dass der behandelnde Arzt seinen „persönlichen Fehler“ eingeräumt habe - ob Carl das helfen wird, ist ungewiss: „Ich trage die Konsequenzen komplett, ich hoffe dass es die NADA und die WADA in ihren laufenden Verfahren berücksichtigen.“
Carl muss dennoch mit dem Szenario rechnen, dass die Affäre sie die Olympia-Teilnahme kosten wird. Sie könne nur hoffen, „dass berücksichtigt wird, dass all meine anderen negativen Tests und dass ich eine komplett transparente Athletin bin.“
Der Fall Carl - die 2022 in Peking sensationell Olympia-Gold im Teamsprint holte - weckt Erinnerungen an die Dopingaffäre Evi Sachenbacher-Stehle, die den deutschen Wintersport 2014 erschüttert hatte: Die zweimalige Langlauf-Olympiasiegerin und spätere Biathletin war bei den Winterspielen in Sotschi positiv auf die Substanz Methylhexanamin getestet worden.
Sachenbacher-Stehle erklärte den Befund mit der Einnahme eines Nahrungsergänzungsmittels, das ihr ein privater Ernährungsberater empfohlen hätte. Sie wurde ursprünglich für zwei Jahre, nach einem Einspruch bei Sportgerichtshof CAS für sechs Monate gesperrt und beendete danach ihre Karriere, auch aus Frust, mit ihr sei „menschlich nicht immer gut umgegangen“ worden.
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)