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Skispringen: Deutscher Star teilt schlimmen Moment: "Das einzige Mal Angst!"

Skisprung-Ass verrät Angst-Moment

Andreas Wellinger ist bekannt für weite Flüge und goldene Momente, jedoch ist das nur ein Teil der Medaille. Im Podcast mit Robin Gosens spricht das Skisprung-Ass über den einzigen Moment auf der Schanze, an dem er Angst verspürt hat und verrät, auf welchen Triumph er stolzer ist als auf seinen Olympiasieg.
Andreas Wellinger ist der beste deutsche Skispringer der letzten Jahre
Andreas Wellinger ist der beste deutsche Skispringer der letzten Jahre
© IMAGO/Newspix
Andreas Wellinger ist bekannt für weite Flüge und goldene Momente, jedoch ist das nur ein Teil der Medaille. Im Podcast mit Robin Gosens spricht das Skisprung-Ass über den einzigen Moment auf der Schanze, an dem er Angst verspürt hat und verrät, auf welchen Triumph er stolzer ist als auf seinen Olympiasieg.

Mit Gold bei den Olympischen Spielen 2018 und insgesamt zehn Medaillen bei Weltmeisterschaften gehört Andreas Wellinger zu den erfolgreichsten deutschen Skispringern überhaupt. Der 30-Jährige musste jedoch auch Täler durchkreuzen, die nicht wenige Sportler dauerhaft aus der Bahn geworfen hätten.

In der Podcast-Folge „Wie geht´s, Andreas Wellinger?" mit Robin Gosens geht der Skisprung-Star detailliert auf die mentale Komponente im Sport ein, die in einer Risikosportart so elementar wichtig ist.

Skispringen: „Dann wird es schwierig“

„Wenn du körperlich nicht ganz da bist, ist es möglich, zu performen. Wenn du mental nicht auf der Höhe bist, dann wird es schwierig und kann gefährlich werden“, schilderte Wellinger, der als Skispringer einer Sportart nachgeht, die für andere nur schwer zu greifen ist.

„Wahrscheinlich haben wir alle ein paar Sicherungen locker. Warum sollten wir uns gegen den Instinkt des Menschen quasi mit 90 bis 100 km/h auf den Bauch legen, im Sinne der Absprungbewegung, die nach vorne geht? Trotzdem ist es kalkuliertes Risiko, weil wir den Bewegungsablauf abgespeichert haben“, erläuterte er das Gefahrenpotenzial der Sportart.

Olympiasieger Wellinger muss schweren Sturz verarbeiten

Dass es jedoch keine Garantien gibt, musste er bereits als 19-Jähriger schmerzhaft erfahren. „Wir versuchen, ans Limit zu gehen, aber du darfst nie über das Limit hinausschießen. Das ist mir auch schon passiert und war ein sehr wichtiger Punkt in meiner Karriere, als ich in Kuusamo in der Luft einen Freestyle-Salto gedreht habe“, erinnert er sich an den heftigen Sturz im Jahr 2014.

Wellinger knallte bei rund 50 Metern mit 90 bis 100 km/h ungebremst auf den Hang und musste ins Krankenhaus transportiert werden. „Es war eine Situation, die mich sehr geprägt hat und in meinem Mindset viel geändert hat. Ich bin mir meinem Limit auf eine unschöne Art und Weise bewusst geworden“, erläuterte er.

Wellinger konnte noch im selben Weltcup-Winter zurück auf die Schanze, jedoch hat die Aufarbeitung länger gedauert. Dessen wurde er sich ein Jahr später bei seiner Rückkehr nach Kuusamo bewusst.

„Als ich dort wieder oben auf dem Balken saß, hatte ich das erste und das einzige Mal Angst. Ich hatte den Sturz im Kopf so präsent, weil auch genau die gleichen Bedingungen wieder waren“, verdeutlichte er.

Diese haben letztlich dafür gesorgt, dass am gesamten Wochenende nur ein Trainingssprung durchgeführt werden konnte. Für Wellinger jedoch einer mit besonderer Bedeutung. „Genau dieser eine Sprung war für mich enorm wichtig, dass ich den Punkt der Angst überwinde und das Erlebnis hatte, dass es funktioniert“, schilderte er.

Sonst würde er in Kuusamo „heute noch mit Angst auf dem Balken sitzen“. Auf diese Weise konnte er seine Festplatte im Kopf jedoch mit einem positiven Erlebnis überschreiben und im vergangenen Winter auf der „Schicksals-Schanze“ sogar gewinnen.

Deutscher Skisprung-Star erlernt den Umgang mit der Angst

Geholfen haben Wellinger auch viele Gespräche mit vertrauten Personen und das Lernen, Angstzustände auch zu kommunizieren. „Sich seiner Angst bewusst zu sein und diese zu kommunizieren, ist eine riesengroße Stärke. Das ist die Chance der Weiterentwicklung“, beschrieb er.

Zu dieser Weiterentwicklung gehörte auch, mehr auf den eigenen Körper zu hören. Bei der Tournee 2016/17 trat er beispielsweise noch trotz einer Gehirnerschütterung an.

„Ich kann jedem Zuhörer nur sagen, wir im Leistungssport treffen nicht immer nur intelligente Entscheidungen“, verriet er, würde jedoch heute seinem Ehrgeiz zum Trotz anders handeln.

„Wir sind getrieben von Performance, von Momenten und von Siegen. Keiner will verlieren. Du willst gewinnen und da kommen oft blöde Entscheidungen. Wichtig ist, daraus zu lernen“, führte er aus.

Wellinger kämpft sich nach Olympiasieg durch Tal der Tränen

Sein Reifeprozess führte unter anderem zu der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2018, gut drei Jahre nach seinem fatalen Sturz. Was zu dieser Zeit aber niemand ahnen konnte, ist, dass es bis zum nächsten Weltcup-Sieg fünf Jahre dauern würde.

Wellinger riss sich im Sommer 2019 das Kreuzband und musste sich von ganz unten wieder nach ganz oben arbeiten.

„Auf diesen Prozess, aus dem Loch wieder rauszukommen, bin ich mehr stolz als auf den Olympiasieg. Nach einer Leidenszeit über mehrere Jahre wieder nach ganz oben zu kommen war deutlich länger und schwerer“, machte er deutlich.

„Die Info kommt, wie ein Zug, der dich überfährt. Das war ein Hammer, der viele schlaflose Nächte mit sich gebracht hat“, erinnert er sich an die Schock-Diagnose, die fürs Erste alles verändert hatte.

„Man stellt sich die Frage: Was fange ich jetzt eigentlich mit meinem Leben an? Das Sportler-Dasein ist ja 24/7. Das war für mich wie ein Luftballon, der zerplatzt. Es waren viele Fragen in meinem Kopf, die ich nicht beantworten konnte“, gab er einen Einblick in sein Gefühlsleben.

Letztlich sei „die Akzeptanz der Situation“ der „entscheidende Faktor gewesen. Der Einstieg in den Weltcup verlief jedoch auch nach der erfolgreichen Reha nicht nach Plan. „Ich konnte meinen Instinkt nicht nachgehen. Dann kann es nicht funktionieren“, so Wellinger, der zwischenzeitlich im FIS-Cup (3. Liga des Skispringens) hinterhersprang.

Wellinger nennt Key-Faktoren: „Habe nie aufgehört, an mich zu glauben“

Änderungen im Materialbereich und ein starker Glaube an sich selbst, haben ihn dann jedoch wieder in die Erfolgsspur gebracht. „Ich habe nie aufgehört, an mich zu glauben. Ich habe immer gewusst, ich will wieder ganz nach vorne. Bevor ich das nicht geschafft habe, hätte ich etwas in ein Karriereende mitgenommen, was mich nicht glücklich gemacht hätte“, führte er aus.

Wieder oben auf dem Podest stehen zu dürfen sei „eine Erfüllung“ gewesen. Wellinger zählte in den letzten drei Jahren wieder zur absoluten Weltspitze und geht als klare Medaillenhoffnung in die olympische Saison.

Eine Garantie gibt es jedoch im Skispringen nie. „Den Zuschauern, die sich im Fernsehen fragen, warum springt der weit und der andere nicht, kann ich nur sagen: Wir wissen es selbst oft nicht“, verdeutlichte er die Crux der so komplexen Sportart.