Heute ist er eine der größten und meistrespektierten Legenden der WWE-Geschichte - früher war sein Ruf allerdings deutlich zwiespältiger.
Ein legendärer und folgenschwerer Schockmoment bei WWE: Das war die pikante Story dahinter
WWE-Meilenstein mit pikanter Story
„The Heartbreak Kid“ Shawn Michaels war immer bekannt als Ausnahme-Wrestler und schillernder Star. Als er jünger war, galt er jedoch auch als schwieriger Charakter: Der Frauenschwarm galt als egoistischer Machtmensch, auch Drogenprobleme und seine Freude am Nachtleben brachten ihn mehr als einmal in Schwierigkeiten.
Heute Nacht vor 30 Jahren rückte ein damals besonders vieldiskutierter Vorfall ins Zentrum der Aufmerksamkeit: der „Syracuse Incident“, in dem Michaels bei einem Partyabend Opfer einer brutalen Prügel-Attacke geworden war.
Die Folgen waren so gravierend und offensichtlich, dass die Liga die Geschehnisse im TV thematisieren musste - dabei aber einige für sie unangenehme Details wegließ oder verfälschte. Ironischerweise half der Vorfall Michaels‘ Karriere am Ende mehr, als dass er ihm schadete.
WWE-Legende gab Titel nach Prügel-Vorfall ab
Was war genau passiert? Für die Fans der damaligen WWF stellte sich die Angelegenheit wie folgt dar: Michaels sollte am 22. Oktober 1995 eigentlich bei dem Event In Your House 4 in Winnipeg seinen Intercontinental Title aufs Spiel setzen.
Stattdessen kam der damals 30-Jährige mit traurigem Blick und von diversen Gesichtswunden gezeichnet zum Ring und überreichte seinen Titelgürtel kampflos an seinen eigentlich vorgesehenen Gegner Dean Douglas - der den Gürtel dann an Michaels‘ 2022 verstorbenen Kumpel Razor Ramon (Scott Hall) verlor.
Der Grund, den WWE angab: Michaels sei am 13. Oktober in der Stadt Syracuse bei New York unprovoziert von etwa zehn Schlägern ins Visier genommen und krankenhausreif geprügelt worden. Er habe dabei eine schwere Gehirnerschütterung erlitten.
Ein Teil dieser Darstellung stimmte, ein Teil nicht, zu anderen kursieren bis heute höchst unterschiedliche Darstellungen.
Bar-Besuch in Syracuse eskaliert
Gewiss ist: Michaels und seine WWE-Kollegen Davey Boy Smith (der wenige Jahre später früh verstorbene British Bulldog) und Sean Waltman (The 1-2-3 Kid, später: X-Pac) verbrachten die Nacht nach einer Liveshow im nahe gelegenen Binghamton in einer Bar nahe ihres Hotels in Syracuse.
Das alkoholisierte Wrestler-Trio geriet dabei in Streit mit einer Gruppe von Männern, die ihnen später vor die Tür folgte und nachstellte, als die Freundin eines Türstehers Michaels, Smith und Waltman zurück zum Hotel fahren wollte.
Als die gegenseitigen Provokationen weitergingen, entwickelten sich Handgreiflichkeiten mit einem bösen Ende für den laut Polizeibericht wegen starker Trunkenheit faktisch wehrlosen Michaels: Er wurde aus dem Auto geschleift und bekam zahlreiche Hiebe und Tritte ab, ehe seine Kollegen ihm helfen konnten. Er bekam zwei blaue Augen ab, Schnittwunden an Wange und Augenlid, eine Risswunde am Ohr und einen Bluterguss am rechten Auge, in das ihn einer der Angreifer – absichtlich oder unabsichtlich – mit dem Finger gestochen hatte.
Über die tatsächliche Zahl der Angreifer (zwischen drei und zehn) kursieren ebenso unterschiedliche Darstellungen wie über die Gründe der Auseinandersetzungen: Die einen besagen, der Anführer der Angreifer – ein damals 23 Jahre alter US-Marine – auf Michaels sauer würde, weil der mit seiner Freundin oder Ex-Freundin geflirtet hätte. In anderen Versionen heißt es schlicht, dass die Angreifer die WWE-Stars schlicht aus purer Abneigung beleidigt und attackiert hätten.
Die realen Hintergründe waren WWE unangenehm
So oder so: Der Vorfall schrieb lokale und überregionale Schlagzeilen – und war WWE aus mehreren Gründen peinlich. Einer der Gründe: Michaels und Smith agierten vor der Kamera als Feinde, das „Kayfabe“, die Wahrung des Story-Scheins in der Öffentlichkeit, war in der Branche damals vielen noch wichtig.
Vor allem aber kränkte es die Branchenehre, dass ihre harten Jungs in einer Kneipenprügelei unterlegen waren. Ringlegende Bill Watts - der zufällig am Tag des Syracuse-Vorfalls seinen Job als Kreativchef verlor - erklärte, dass er Michaels, Smith und Waltman aus Scham gefeuert hätte, hätte er es noch zu entscheiden gehabt.
Der damalige WWE-Konkurrent WCW nutzte derweil die Gelegenheit, dem Rivalen eins auszuwischen: Er bewarb, bevor sich der Vorfall größer herumgesprochen hatte, seine offizielle Telefon-Hotline mit angeblichen Insider-Infos darüber, wie „ein Star der WWF eine Schlägerei gegen einen Fan verloren hat“.
Michaels verzichtete vor diesem Hintergrund darauf, Anzeige zu erstatten und das unangenehme Thema so in der Öffentlichkeit zu halten.
Shawn Michaels‘ WWE-Karriere zog an
Zum Schaden von „HBK“ war der Vorfall letztlich nicht, im Gegenteil: Die rührselige Art und Weise, wie WWE ihn als Opfer und tragischen Helden darstellte (weitere, ähnlich inszenierte Auftritte folgten), vergrößerte die Fan-Sympathien für ihn und half ihm dabei, sich noch mehr als Topstar zu etablieren.
Wenige Monate nach dem Syracuse Incident gewann Michaels den Royal Rumble 1996 und stieg dann bei WrestleMania mit seinem Sieg über Bret Hart erstmals zum WWE-Champion auf. Wrestling-Fans wissen, dass Michaels‘ Ruf als Enfant terrible danach immer noch eine Weile intakt blieb - gerade im Zusammenspiel mit Hart, dem er damals in inniger Feindschaft verbunden war.
Inzwischen sind die wilden Jahre lange vorbei, der inzwischen 60 Jahre alte Michaels ist seit vielen Jahren Familienmensch – und als Cheflenker des Nachwuchsprogramms von WWE einer der wichtigsten Lenker des Showkampf-Imperiums.