Ohne Bälle lässt sich bekanntlich schlecht Tennis spielen - im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen sie dennoch selten. Deutschlands Nummer 1 Alexander Zverev versuchte aber kurz vor den French Open (täglich im LIVETICKER) einmal mehr alles, damit sich dies ändert, denn für ihn sind die Bälle zu einem großen Ärgernis geworden.
Dieser Zoff lässt Zverev nicht los
So nahm er bereits nach seinem Viertelfinal-Aus beim ATP-Masters in Rom gegen Lorenzo Musetti kein Blatt vor den Mund. Zwar spielte er bei kühlen Bedingungen am Abend unter Flutlicht - was die Bälle ohnehin langsamer macht - doch seine Kritik war sehr deutlich und zielte weit tiefer.
„Guck dir das an! Es ist unmöglich, mit diesem Scheiß Tennis zu spielen“, polterte der Weltranglistendritte noch auf dem Court in Richtung des Schiedsrichters: „Ich habe genug davon, wir spielen heutzutage mit scheiß Kinderbällen.“
Dunlop kontert scharfe Kritik von Zverev
Im Zentrum seiner Kritik: Hersteller Dunlop, der die Bälle unter anderem in Monte Carlo, Madrid und Rom stellte. Hersteller Dunlop wehrte sich daraufhin gegen die von Zverev erhobenen Vorwürfe.
Ihr Marketing-Manager Jason D’Alessandro erklärte bei LaPresse: „Im Grunde genommen ist die Kontroverse um Zverev unbegründet. Die Bälle sind die gleichen, die wir auch in Monte Carlo und Madrid verwendet haben.“
Zverev legte beim Turnier in seiner Heimatstadt Hamburg dennoch wenige Tage später nach: „Das Lustige ist, dass dieselbe Firma anscheinend dieselben Bälle macht und sie halt komplett unterschiedlich sind.“
Wer denkt, Zverev sage dies nur wegen seiner Formkrise, tut ihm Unrecht. Der Weltranglistendritte klagt bereits seit zwei Jahren in regelmäßigen Abständen über die Bälle.
Zverev: Schlechtere Ballqualität seit Corona
Sein Unmut ging sogar so weit, dass Zverev selbst investigativ wurde und sich bei den Unternehmen nach der Produktion der Tennisbälle erkundigte, da laut ihm alle Bälle, nicht nur die einer Firma, viel langsamer geworden sind.
„Der Grund dafür ist, dass die Firmen während der Corona-Pandemie versucht haben, die Kosten zu senken, und sie verwenden jetzt ein anderes Gummimaterial für die Tennisbälle, wodurch die Tennisbälle im Durchschnitt zwischen 30 und 60 Prozent langsamer sind als vor COVID“, erklärte Zverev nach seiner Recherche.
Er wurde sogar noch konkreter: „Was jetzt mit den Tennisbällen passiert, ist, dass die Luft und der Druck wegen des Materials den Tennisball verlassen. Das Material hält die Luft nicht mehr im Ball.“
Zverev verglich die Bälle daher sogar schon mit einem Federball, da sie erst stark flattern und dann drastisch fallen würden.
Verletzungen wegen Bällen? Djokovic übt Kritik
In der Vergangenheit war Zverev auch nur einer von mehreren ATP-Profis, die sich über die Bälle beschwerten. Daniil Medvedev kommentierte die Ballproblematik - auf seine Weise - indem er sich in Shanghai demonstrativ mit einem Ball den Hintern abwischte.
Die Szene sorgte für einen medialen Aufschrei, doch inhaltlich schlug er in die gleiche Kerbe wie Zverev, obwohl sich die beiden sonst weniger grün sind. Die Bälle seien inzwischen so groß, sie erinnerten ihn an ein „Plüschtier“, sagte Medvedev in einem Interview Ende letzten Jahres.
Novak Djokovic sprach das Problem bereits im Oktober 2023 an: „Ich finde, es muss etwas mehr Konstanz bei den Bällen geben“, kritisierte er damals und verwies auf das erhöhte Verletzungsrisiko.
Dass sich immer mehr Spieler über Ellbogen-, Schulter- und Handgelenksprobleme beklagen, wird in Spielerkreisen immer wieder mit den sich ständig ändernden Balltypen in Verbindung gebracht.
Belege dafür gibt es bislang nicht – doch das Misstrauen wächst. „Viele Spieler haben heute Probleme mit dem Ellbogen. Viele Spieler haben Probleme mit dem Handgelenk. Das war vor 10 oder 15 Jahren noch nicht der Fall“, sagte Zverev.
Mischa Zverev: „Es geht einfach nur um Power“
Die Inhomogenität der Spielbälle ist vielen Spielern ein Dorn im Auge. Denn laut Reglement des Weltverbands ITF dürfen Größe und Gewicht innerhalb bestimmter Toleranzen schwanken.
In der Praxis bedeutet das: Jeder Veranstalter kann auf andere Modelle setzen. Hersteller wie Dunlop, Yonex oder Wilson liefern – aber keiner garantiert Konsistenz. Für Deutschlands Nummer 1 Alexander Zverev und sein Team ein Unding.
Bruder Mischa sagte kurz vor den French Open im exklusiven Interview mit SPORT1: „Nach gefühlt zwei, drei Spielen sind die Bälle tot und da kannst du draufhauen, wie du willst, der fliegt nicht ins Aus“.
Das hat ihm zufolge gravierende Folgen: „Deshalb hat sich der gesamte Tennissport verändert. Jetzt geht es nur darum, Power zu erzeugen. Jeder schwingt mit 95 bis 100 Prozent permanent, das war früher anders. Darunter leidet die Taktik, denn es geht einfach nur um Power.“
Alcaraz klagt - doch ändert sich bald was?
Einer, der dies begrüßen dürfte, da es ihm deutlich leichter als anderen Spielern fällt, Power zu generieren, ist Carlos Alcaraz - doch auch der Titelverteidiger in Paris sieht die häufige Umstellung kritisch.
„Jede Woche, praktisch jede Woche, haben wir andere Bälle, andere Bedingungen, es ist also kompliziert, sich darauf einzustellen“, sagte der Spanier im Frühjahr 2025 noch auf einer Pressekonferenz.
Die ATP und WTA haben ebenfalls erkannt, dass Handlungsbedarf besteht. Laut Ross Hutchins, Chief Sporting Officer der ATP, sollen in Zukunft einheitliche Bälle für bestimmte Saisonabschnitte und Untergründe verwendet werden.
“Wir wollen in Zukunft eine Ballmarke für gewisse Saisonabschnitte und Untergründe benutzen”, sagte Hutchins der New York Times. Dass viele Turniere langfristige Verträge mit Ballherstellern haben, erschwert eine schnelle Umsetzung aber.
Petkovic über Bälle: „Sind eine Katastrophe“
Von Spielerseite gab es unmittelbar vor den French Open abseits von Zverev zwar kaum Beschwerden zu hören - prominente Unterstützer wie Ex-Spielerin Andrea Petkovic weiß er dennoch hinter sich.
Petkovic sagte bei einem Medientermin anlässlich der Berlin Tennis Open: „Ich habe mit den Bällen gespielt und die sind eine Katastrophe“ – eine Aussage, die durch ihre Deutlichkeit aufhorchen lässt.
„Sie werden sehr langsam, sehr groß, man kann kaum Winner schlagen“, erklärte die frühere Topspielerin weiter. Auch Zverev ist der Ansicht, dass Gewinnschläge mit diesen Bällen nur schwer möglich sind.
Da bei den French Open traditionell mit Wilson-Bällen gespielt werden, wartet die nächste Umstellung auf die Spieler. Eine weitere Schimpftirade eines Spielers ist jedenfalls wohl nur eine Frage der Zeit.