Körperliche Probleme, Tränendrama und Erstrunden-Aus bei Ons Jabeur - dabei stand die Tunesierin in Wimbledon vor zwei Jahren noch ganz dicht vor dem Titel, der Erfüllung ihres Lebenstraums.
Die Dämonen haben sie eingeholt
Damals ging sie als eindeutige Favoritin in das Finale 2023. Das Aushängeschild eines ganzen Kontinents war drauf und dran, den ersten Major-Titel für Afrika einzufahren. Bereits im Vorjahr stand sie dicht davor, verlor jedoch das Endspiel gegen die Kasachin Elena Rybakina.
„Die schmerzvollste Niederlage von allen“
Doch die Pleite gegen die ungesetzte Marketa Vondrousova im Jahr darauf war weitaus dramatischer. Alle Welt, und vor allem ganz Afrika, erwartete von Jabeur den Sieg - doch nach lediglich 80 Minuten war der Traum geplatzt.
4:6, 4:6 stand am Ende auf der Anzeigetafel. „Das ist heute die schmerzvollste Niederlage von allen“, sagte die Tunesierin im On-Court-Interview auf dem heiligen Rasen damals.
Zu diesem Zeitpunkt war sie einfach nur enttäuscht - doch die Folgen waren verheerend. Es war eine Niederlage, die Spuren hinterließ. Die Dämonen sollten Jabeur bis heute nicht loslassen.
„Man sagt, die Zeit heilt. Ich warte immer noch. Die Niederlage in Wimbledon tut immer noch weh“, gab Jabeur im Interview mit Ubitennis einen Einblick in ihr Seelenleben.
Seither ging fast gar nichts mehr. Neben dem Formtief wurde Jabeur immer wieder von körperlichen Problemen geplagt, so auch am Montagnachmittag bei der überraschenden Erstrundenniederlage beim Rasenklassiker in London.
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Gegen die Bulgarin Viktoriya Tomova musste Jabeur am Montagnachmittag beim Stand von 6:7 (5:7) und 0:2 aufgeben.
Für Jabeur platzte der Traum vom ersten Grand-Slam-Titel unerwartet früh. Dementsprechend wurde die Tunesierin von ihren Emotionen übermannt - die Dämonen jagen die 30-Jährige weiterhin, ausgerechnet bei ihrem Lieblingsturnier.
Wimbledon: Jabeur weint bittere Tränen
Bereits nach fünf Spielen musste Jabeur beim Stand von 2:3 ein Medical Timeout nehmen. Dabei brach die Nummer 10 der WTA-Weltrangliste in bittere Tränen aus.
Während der 14-minütigen Auszeit vergrub Jabeur ihr Gesicht immer wieder tief im Handtuch. Die Physiotherapeutin überprüfte ihren Blutdruck, Jabeur klagte über Atemnot, konnte die Partie aber zunächst fortsetzen.
Die Rechtshänderin schleppte sich durch den ersten Satz, verlor diesen im Tiebreak. Nach zwei verlorenen Spielen in Satz zwei war schließlich Schluss - Jabeur deutete der Schiedsrichterin an, dass es für sie nicht mehr weitergeht.
Jabeur völlig von der Rolle
Die Tenniswelt sorgt sich um Jabeur, für die Fans war der Auftritt wie ein Schlag ins Gesicht. Jabeurs Stil, die Schussvielfalt und ihr Charme wurden einst als Markenzeichen des modernen Frauentennis angenommen, doch davon ist momentan kaum noch etwas zu sehen.
Viel mehr sorgt Jabeur immer wieder neben dem Platz für Schlagzeilen. Bei den French Open übte die Viertelfinalistin des Vorjahres heftige Kritik an den Spielansetzungen und vertrat die Meinung, dass die Männer bevorzugt worden.
Doch auch der Nahe Osten beschäftigt Jabeur und bereitet ihr große Sorgen. Sie setzt sich lautstark für die Menschen in Gaza ein, sammelt Spenden, leidet mit.
Die Trostlosigkeit und die Schicksale zerreißen sie. Sie mache eine „sehr schwierige Zeit“ durch, wisse nicht mehr, wie sie sich auf dem Platz konzentrieren soll.
Auch der Krieg zwischen Israel und dem Iran setzt Jabeur zu. „Es ist beängstigend, was in der Welt passiert und ich wünsche mir einfach Frieden im Nahen Osten“, sagte sie in einer Presserunde am Rande des WTA-Turniers in Berlin.
Sie fuhr fort: „Viele realisieren nicht, wie schlimm die Situation dort ist und wie viel gefährlicher sie gerade noch wird. Ich hasse Politik, die sollen sich endlich zusammensetzen und eine friedliche Lösung finden.“
Mit ihren deutlichen Äußerungen sah sich Jabeur immer wieder Hasskommentaren in den sozialen Medien ausgesetzt, wurde gar als „Terroristin“ beschimpft und auch wegen ihrer Religion beleidigt.
„Der Hass trifft mich manchmal schon sehr“
Auf Nachfrage von ntv, ob sie deswegen schon mal über ein Karriereende nachgedacht habe, sagte sie: „Der Hass trifft mich manchmal schon sehr. Aber man muss sich immer wieder vergegenwärtigen: Die Leute sind Feiglinge, die sich hinter Bildschirmen verstecken. Wahrscheinlich haben einige auch Probleme, die behandelt werden müssen.“
Nun gilt es für Jabeur auch, ihre eigenen sportlichen Probleme in den Griff zu bekommen, die Dämonen von Wimbledon endlich zu besiegen.
Die Chance für dieses Jahr ist vertan, aber wenn Jabeur zurück zu alter Stärke findet, könnte der Traum vom ersten Grand-Slam-Titel für einen ganzen Kontinent doch noch in Erfüllung gehen.