Manuel Orantes war eine Ausnahmeerscheinung im Tenniszirkus der 70er-Jahre. Während seine Kollegen wie Jimmy Connors, Guillermo Vilas oder Björn Borg eher extravagant und manchmal auch launisch auftraten, war der Spanier als stets freundlicher, höflicher Mensch und fairer Sportsmann bekannt.
Seine Sternstunde ist bis heute kaum zu begreifen
Sein Glanzstück ist kaum zu begreifen
Er verblüffte die Fans, indem er gute Schläge der Gegner beklatschte und freiwillig Punkte abgab, wenn er der Meinung war, der Schiedsrichter habe falsch entschieden. Und so blieb Orantes zumeist im Hintergrund - bis den US Open 1975 endlich seine ganz große Stunde schlug.
Heute vor 50 Jahren gewann der Spanier den einzigen Major-Titel in seiner Karriere und spielte zudem ein Halbfinale für die Geschichtsbücher.
Zwischen 1975 und 1977 wurde in Forest Hills nicht auf einem Hartplatz, sondern auf Sand gespielt. Dies kam Orantes entgegen, der als All-Court-Spieler galt. Der damals 26-Jährige arbeitete Tennis, konnte eigentlich alle Facetten des Spiels, war aber nicht besonderes spezialisiert.
Zuschauer verlassen schon das Stadion
Der Spanier spielte ein dominantes Turnier in New York und kam ohne große Probleme ins Halbfinale. Dort stand ihm Vilas gegenüber und er rollte zunächst wie eine Dampfwalze über seinen Kontrahenten hinweg.
Der Argentinier führte schnell mit 2:0 in den Sätzen und alles sah danach aus, als würde das Turnier für Orantes enden. Zwar konnte er auf 1:2 verkürzen, doch im vierten Satz führte Vilas bereits mit 5:0 und hatte im sechsten Spiel beim Stand von 40:15 seine ersten Matchbälle.
Zu jenem Zeitpunkt verließen die ersten Zuschauer das Stadion, weil sie davon ausgingen, dass die Partie jeden Moment vorbei wäre.
„Eines der größten Comebacks der Geschichte“
Doch was dann passierte, ist bis heute kaum zu begreifen. Der Spanier wehrte alle Matchbälle ab und legte ein selten dagewesenes Comeback hin. Er holte sieben Spiele in Folge, glich dadurch in den Sätzen aus und gewann letztlich den fünften Satz mit 6:4. Ihm gelang durch seine irre Aufholjagd eine Riesensensation.
Die US Open schreiben auf ihrem offiziellen Web-Auftritt rückblickend von „einem der größten Comebacks der Turniergeschichte“ und ehren Orantes als einen der größten Kämpfer des Sports, dessen Spiel „gleichermaßen von Entschlossenheit, Mut und Tapferkeit geprägt war“.
Nach dieser Energieleistung gingen alle Experten vor dem Finale davon aus, dass Orantes gegen den Favoriten Connors die Kraft ausgehen wird. Doch erneut täuschten sich alle, denn der Spanier spielte ein herausragendes Endspiel, das er glatt in drei Sätzen mit 6:4, 6:3 und 6:3 gewann.
Aufnahme in die Hall of Fame
Damit krönte er seine Karriere mit einem Grand-Slam-Titel. Es sollte der einzige bleiben.
In der Folge wurde Orantes in Spanien als neuer Held seines Landes gefeiert. Er wurde im spanischen Konsulat in New York vom Botschafter vor 200 Mitgliedern der spanischen Gemeinschaft geehrt und erlangte einen Bekanntheitsgrad, den er eigentlich nie gesucht hatte.
„Normalerweise bin ich ein sehr ruhiger Mensch“, sagte er, während auf dem Rückflug in die Heimat ein Passagier nach dem anderen auf ihn zukam, um ihm die Hand zu schütteln oder um ein Autogramm zu bitten. „Aber wenn man eine Berühmtheit ist, muss man Dinge tun, die man nicht mag, und ich werde sie tun, solange sie das Spiel nicht beeinträchtigen.“
In seiner gesamten Laufbahn holte Orantes 33 Titel im Einzel sowie 22 im Doppel. Im Jahr 2012 wurde er daraufhin in die International Tennis Hall of Fame aufgenommen.