Es ist bis heute eines der torreichsten Spiele der Champions-League-Geschichte und ein Sinnbild für die vergangenen Duelle zweier der namhaftesten Klubs in Europa. Mit 8:2 fertigte der FC Bayern München den FC Barcelona am 14.08.2020 im Viertelfinale der Königsklasse ab und etablierte sich wohl endgültig als Angstgegner der Katalanen.
Flick? Insider bleibt vorsichtig
Die letzten sechs Pflichtspiele gingen allesamt an den FC Bayern mit einem deutlichen Torverhältnis von 22:4. Der letzte Sieg der Spanier im CL-Halbfinale 2015 war überhaupt erst der zweite in der Geschichte des Wettbewerbs, den Barca gegen den deutschen Rekordmeister einfahren konnte.
Vor dem erneuten Wiedersehen der beiden Kontrahenten am Mittwochabend (ab 21 Uhr im LIVETICKER) hofft Barcelona jedoch die Geschichte umzukehren und sich nach langem Warten wieder gegen die Bayern durchzusetzen.
Hoffnung überwiegt Angst vor der ‚Bestia Negra‘
„Man nennt die Bayern nicht die ‚Bestia Negra‘, obwohl der Respekt sehr groß ist. Das sind viele Niederlagen hintereinander, und das tut weh. Aber ich glaube, dass es jetzt mehr Wunsch als Angst gibt“, erklärte Juanma Romero, Sportjournalist und Host des Podcasts Team Barca, im Gespräch mit SPORT1.
„Für den Barça-Fan gibt es keinen Mittelweg. Entweder gibt es die sehr optimistischen, die glauben, dass sie Bayern und Madrid schlagen werden, oder diejenigen, die glauben, dass sie beide Spiele verlieren werden. Ich ziehe es vor, irgendwo in der Mitte zu sein. Ich denke, Barça hat die große Chance, die Niederlagenserie gegen Bayern zu beenden. Es wird kein Rückspiel in München geben“, lieferte Romero Einblicke bezüglich der Erwartungen der Spanier.
Im Zentrum des Duells steht am Mittwoch vor allem das Wiedersehen der Bayern mit Ex-Coach Hansi Flick, der die Katalanen nach der enttäuschenden vergangenen Saison unter Vorgänger Xavi wieder auf die Erfolgsspur bringen soll.
„Auf privater Ebene habe ich keine Informationen, aber im sportlichen Bereich war seine Anpassung fantastisch“, sagte Romero. In La Liga erlaubte sich Barca bisher erst einen Ausrutscher bei der 2:4-Niederlage gegen CA Osasuna und steht mit neun Siegen aus zehn Spielen drei Punkte vor dem Erzrivalen Real Madrid auf Platz eins. Nach dem Duell gegen die Bayern in der Champions League kommt es am Wochenende zum El Clasico gegen Real Madrid, das mit einem fulminanten 5:2 gegen Borussia Dortmund für Aufsehen sorgte.
Barca-Insider sicher: „Die schlechten Zeiten werden kommen“
Vor der Saison habe Romero noch Zweifel an Flick und seiner neuen Aufgabe gehegt: „Ich war ein bisschen skeptisch, weil er nicht die Art von Trainer ist, die einen so besonderen Verein wie Barcelona kennt. Er war kein Spieler im Verein, er spricht die Sprache nicht, weder Spanisch noch Katalanisch, aber vielleicht ist das seine Stärke, dass er nichts über den ‚Entorno‘ Barça weiß und sich nur auf das Wesentliche konzentriert.“
Weiter erklärte der Barca-Experte: „Ich war etwas vorsichtiger und bin es immer noch, denn das hier hat gerade erst begonnen, und wenn Flick etwas gefehlt hat, dann war es die Fähigkeit, mit schlechten Momenten umzugehen, sowohl bei Bayern als auch in der deutschen Nationalmannschaft. Bis jetzt war alles perfekt, aber die schlechten Zeiten werden kommen. Es ist Teil des Sports.“
Trotz des souveränen 5:0-Erfolgs gegen die Young Boys Bern mussten Flick und sein Team in der Champions League bereits eine Kostprobe dieser möglichen Rückschläge hinnehmen. Gleich zum Auftakt der Königsklasse und dem neuen Modus verlor Barca mit 1:2 gegen AS Monaco.
„Flick hat seinen Enthusiasmus wiedergefunden“
Dennoch erweckt Barcelona unter dem neuen Cheftrainer wieder einen positiven Eindruck. „Flick hat seinen Enthusiasmus wiedergefunden, Disziplin und harte Arbeit eingeführt. Nach einer schlechten Saison hat jeder die Chance, sich zu bessern. Aber es sind ja nur drei Monate. Wir müssen immer vorsichtig sein, auch wenn ich verstehe, dass jetzt alles darauf reduziert wird, dass Xavi alles falsch gemacht hat und Flick nichts falsch macht. So ist der Fußball“, meinte Romero.
In seiner Analyse der Spielweise unter Flick hat Romero mitunter einige klare Stärken des kommenden Bayern-Gegners ausgemacht: „Die Mannschaft hat gezeigt, dass sie die Dinge sehr gut macht, und die Arbeit kann sich sehen lassen. Es gibt einen Aspekt, den man nicht sieht, den man aber in den Spielen sehen kann, nämlich dass die Mannschaft gut trainiert ist. Die Mannschaft spielt vom Tor weg, ist mutig und bleibt es die ganzen 90 Minuten lang. Es gibt Disziplin, Ordnung, Intensität und eine klare Offensivorientierung, die im Wesentlichen die DNA von Barça ausmachen.“
„Ich glaube, Flick hatte eine Mission, und er hat diese Mission zu seiner eigenen gemacht. Diese Mission bestand darin, das Glück aller, der Fans und der Mannschaft, wiederherzustellen“, vermutete Romero und hat bei den Fans bereits „einen kleinen Zustand der Euphorie“ ausgemacht.
Flick weckt Erinnerungen an Guardiola
Neben Xavi wird Flick inzwischen auch mit Star-Trainer Pep Guardiola verglichen, der vor seiner Zeit bei Manchester City ebenfalls an der Seitenlinie von Barcelona und den Bayern stand. „Ähnlich wie bei seinen Bayern oder Guardiolas Barça in seiner ersten Saison“ sei „eine vertikale Mannschaft“ zu erkennen, die „aggressiv im Pressing“ und „mutig“ sei. „Konzepte, die wir schon bei Flicks Bayern gesehen haben, aber jetzt mit einer anderen und außerordentlich jungen Mannschaft“, folgerte Romero.
Auch im Umgang mit der Vielzahl an jüngeren Spielern aus ‚La Masia‘ habe Flick bisher überzeugt. „Es gibt eine wichtige Komponente der Integration, des Wunsches, Barcelona und den FC Barcelona in der Tiefe kennenzulernen, des Wunsches, alle zu verbessern, junge und nicht mehr ganz so junge, und die Leute wissen das zu schätzen“, meinte Romero.
Als Fazit des Saisonstarts von Barca und Flick resümierte der Insider schließlich: „Die Spieler zeigen großes Vertrauen in das, was sie tun. Das spricht sehr gut für den Trainer und seinen Trainerstab. Ich möchte vor allem seine außergewöhnliche Überzeugung und seinen Mut hervorheben.“ Besonders die hochstehende Defensive und die in der Folge forcierten Abseitspositionen des Gegners seien zudem ein bisher probates Mittel.
Trotz der historisch guten Bilanz des FC Bayern dürften die Münchener entsprechend gewarnt vor dem anstehenden Duell sein. Zumal Barcelona sich endgültig von dem als ‚Bestia Negra‘ bezeichneten Angstgegner befreien möchte, indem man die Euphorie der vergangenen Wochen mit auf den Rasen trägt.